Handelsblatt-VWL-Ranking 2017 Zürichs Ökonomen holen Platz eins

Das neue Ranking der VWL-Fakultäten zeigt: Nirgendwo gibt es so forschungsstarke Volkswirte wie an der Uni Zürich. Viele Stars wechselten zuletzt hierhin – nicht zuletzt wegen der vielen Freiheiten.

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Dem Ökonomie-Department stehen hohe Drittmittel für die Forschung zur Verfügung. Quelle: dpa/picture alliance

Berlin Es ist ein bisschen so wie bei einem Fußballclub: Wer einen großen Star im Team hat, aber sonst wenig Spitzenkicker, der kommt nicht weit. Doch wer um ihn herum weitere Talente aufbietet, der schafft es an die Spitze.

So geht es zurzeit dem Ökonomie-Department der Uni Zürich. Neben dem Verhaltens- und Neuroökonomen Ernst Fehr, dem Superstar und Nobelpreiskandidaten, lehren und arbeiten dort inzwischen so viele Koryphäen, dass die Uni im neuen Handelsblatt-Ranking der forschungsstärksten VWL-Fakultäten im deutschsprachigen Raum den ersten Platz einnimmt – mit großem Abstand.

Auf diesem Rang hatten die Züricher schon bis zu Beginn des Jahrzehnts regelmäßig gestanden, bevor sie zurückfielen. Nun sind sie wieder an der Spitze. Dank einer großen Menge an Drittmitteln – allen voran die 100 Millionen Franken, die Fehr vor fünf Jahren von der Bank UBS einwarb – konnte die Fakultät zahlreiche neue Top-Leute nach Zürich locken.

Viele von ihnen habe man proaktiv angesprochen, ob sie sich nicht vorstellen könnten, in die Schweiz zu kommen, sagt Josef Zweimüller, Prodekan der Fakultät. Zu den prominenten Neuzugängen gehören etwa der Steuerexperte Florian Scheuer, der aus Stanford kam, oder der Handelsökonom Ralph Ossa aus Chicago. Unter den 100 derzeit forschungsstärksten Ökonomen im oder aus dem deutschsprachigen Raum arbeiten derzeit zehn an der Züricher Uni.

Überhaupt legt man in Zürich großen Wert auf Spitzenforschung – also die, die in den renommiertesten Fachzeitschriften der Welt veröffentlicht wird. „Wenn wir Stellen besetzen, schauen wir vor allem, wer in den sogenannten A+- und A-Journals publiziert hat“, sagt Zweimüller. „Denn das ist nun einmal die Forschung, mit der man eine besonders große Aufmerksamkeit erzielt.“

Gesteigert wird die Attraktivität des Standorts Zürich durch ein geringes Maß an Bürokratie. „Man vertraut uns, dass wir mit unseren Budgets schon sorgsam umgehen“, sagt Zweimüller. Dadurch habe man deutlich mehr Freiheiten als an Unis in Österreich oder Deutschland.

Das Handelsblatt-Ranking der Fakultäten wurde von Experten der Institute KOF (ETH Zürich) und DICE (Uni Düsseldorf) konzipiert und erstellt und von der Ökonomenvereinigung VfS unterstützt. Es basiert auf dem Ranking der Einzelforscher, das am vergangenen Montag hier veröffentlicht wurde. Die Punktzahl einer Fakultät ist dabei die Summe aller Punkte, die ihre Forscher zuletzt erzielt haben. Anders als beim Einzelranking werden aber die letzten zehn Jahre berücksichtigt.


Größe hilft bei Veröffentlichungen

Punkte gibt es für jede Veröffentlichung in einem Fachjournal – je renommierter die Zeitschrift, desto mehr. Ist ein Forscher an mehreren Institutionen beschäftigt – etwa gleichzeitig an einem Forschungsinstitut wie dem Münchener Ifo oder dem Mannheimer ZEW und der dortigen Universität – so werden seine Punkte anteilig verteilt. Ausschlaggebend ist dabei, woher er welchen Teil seines Lohns bekommt. Diese Regelung wurde dieses Mal strenger gehandhabt als in den Vorjahren, so dass es bei einigen Forschern mit Doppelaffiliation zu Verschiebungen kam.

Natürlich profitiert die Fakultät in Zürich auch von ihrer schieren Größe. Doch es gibt auch mittelgroße VWL-Abteilungen, die es trotz begrenzter Mittel vollbringen, sich einen Namen zu machen. Göttingen zum Beispiel: Die kleine Fakultät ist im Handelsblatt-Ranking in den letzten Jahren Schritt für Schritt nach oben geklettert – und liegt nun auf dem sechsten Rang. Damit hat man sich an einigen größeren Fakultäten wie Frankfurt oder St. Gallen vorbeigeschoben.

Die Strategie der Göttinger, die mit Holger Strulik den forschungsstärksten Ökonomen im deutschsprachigen Raum in ihren Reihen haben: Sie haben klare thematische Schwerpunkte gesetzt und hier eine besondere Expertise aufgebaut – einmal im Bereich Entwicklungsökonomie und einmal im Bereich der Wirtschaftsstatistik. Mit Fördermitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft konnten sie drei große Graduiertenkollegs aufbauen. „Dadurch haben wir eine hohe Zahl an Doktoranden“, sagt der Göttinger Entwicklungsökonom Stephan Klasen, und diese seien bereits sehr präsent in der Forschung.

Das zeigen auch die Zahlen im Ranking: Zwar veröffentlichen die Göttinger Forscher selten etwas in den Top-Journalen, doch die Zahl an Veröffentlichungen in anderen Zeitschriften ist enorm hoch. „Als mittelgroße Fakultät können wir vielleicht keine Stars hierhin holen“, sagt Klasen, „doch wir legen innerhalb der Organisation viel Wert auf Kooperation und gemeinsame Projekte - und das zahlt sich aus.“

Eine weitere eher kleine Fakultät, die inzwischen zu den Großen aufschließen konnte, ist Düsseldorf. Mit Platz 17 ist man in diesem Jahr erstmals unter die Top 20 gekommen. Das dortige Institut für VWL, das erst zum Ende des letzten Jahrzehnts eingerichtet wurde, ist zuletzt stark gewachsen – so stark, dass das erst sieben Jahre alte „Oeconomicum“-Gebäude schon wieder ausgebaut werden muss, um alle Forscher beherbergen zu können.

Mit der Wettbewerbs- und Kartellforschung hat man auch hier auf einen klaren inhaltlichen Schwerpunkt gesetzt. Dieser aber werde nun konsequent ergänzt, sagt Dekan Justus Haucap, der ehemalige Chef der Monopolkommission. So habe man mit Jens Suedekum einen Handelsexperten an sich gebunden, der zwar nicht im eigentlichen Schwerpunktbereich der Fakultät forsche, aber in einem inhaltlich verwandten Bereich.

Es sei ein großer Vorteil gewesen, dass man die VWL an der Düsseldorfer Uni quasi ganz neu habe aufbauen können, sagt Haucap. „Damit hat man es natürlich etwas einfacher als jemand, der eine bestehende Fakultät umkrempeln will.“

Insgesamt zeigt das Ranking, dass sich die Fakultäten im deutschsprachigen Raum zuletzt gut geschlagen haben im internationalen Wettbewerb. Der Ausstoß an namhaften Publikationen ist hoch. Jetzt könnte die Zeit der kontinentaleuropäischen Fakultäten gekommen sein, hört man daher oft hinter vorgehaltener Hand. Denn wegen Brexit und Trump hätten Großbritannien und die USA für Forscher an Attraktivität verloren.

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