Handelskonflikt Türkei bringt Zollstreit mit den USA vor die WTO

Türkei bringt Zollstreit mit den USA vor die WTO Quelle: AP

Die WTO wird sich mit den US-Strafzöllen auf Stahl und Aluminium aus der Türkei befassen. Deutsche Politiker lehnen derweil Finanzhilfen für das wirtschaftlich angeschlagene mehrheitlich Land ab.

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Auf Drängen Ankaras soll sich die Welthandelsorganisation (WTO) mit den US-Strafzöllen auf Stahl und Aluminium aus der Türkei befassen. Ein entsprechender Antrag zu einem Streitschlichtungsverfahren sei eingegangen, teilte die WTO am Montag mit. Zunächst haben beide Seiten 60 Tage Zeit, miteinander zu reden. In dem Handelskonflikt fahren Ankara und Washington einen harten Kurs. US-Präsident Donald Trump hatte die Strafzölle für die Türkei vor einer Woche auf bis zu 50 Prozent verdoppelt - als Reaktion auf den Fall des US-Pastors Andrew Brunson, der in der Türkei unter Hausarrest steht. Ankara wehrte sich mit einem Katalog von 22 Produkten. Dazu gehören unter anderem Autos, alkoholische Getränke, kosmetische Produkte, Tabak, Papier und Reis aus den Vereinigten Staaten. Auch für sie wurde der Einfuhrzoll verdoppelt.

Die Bundesregierung hat derweil sehr zurückhaltend auf den Vorschlag von SPD-Chefin Andrea Nahles zu wirtschaftlicher Hilfe für die Türkei reagiert. Die Frage deutscher Hilfen „stellt sich für die Bundesregierung aktuell nicht“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Grundsätzlich sei aber die Bundesregierung an einer wirtschaftlich stabilen Türkei interessiert. Seibert wies darauf hin, dass Kanzlerin Angela Merkel und der türkische Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in ihrem Telefonat in der vergangenen Woche verabredet hatten, dass die Finanz- und Wirtschaftsminister beider Seiten am 21. September den Besuch Erdogans Ende September vorbereiten sollen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel denkt nach Angaben von CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer derzeit nicht an deutsche Hilfen für die Türkei. Die CDU-Vorsitzende habe in den Partei-Gremiensitzungen klar gemacht, "dass sie keine Notwendigkeit sieht, zur Zeit über besondere deutsche Hilfe für die Türkei nachzudenken", sagte Kramp-Karrenbauer am Montag in Berlin nach den Sitzungen von CDU-Präsidium und Bundesvorstand.

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Auch führende Politiker von CDU und FDP hatten sich gegen deutsche Finanzhilfen für die Türkei gewandt, wie sie SPD-Chefin Andrea Nahles ins Gespräch gebracht hat. „Hier muss man nicht helfen“, sagte der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff am Montag der ARD. Er nannte den Vorschlag von Nahles „absurd“ und warf der SPD „eine Art von Helfersyndrom“ vor. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan habe die Probleme des Landes, das derzeit unter einem dramatischen Kursverfall der türkischen Währung leidet, selbst geschaffen. Von Lambsdorff sieht auch keine Ansteckungsgefahr für die Weltwirtschaft. Zudem verwies er auf deutsche Staatsbürger, die in der Türkei aus politischen Gründen in Haft sitzen.

EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger (CDU) sprach sich ebenfalls gegen deutsche Finanzhilfen für die angeschlagene Türkei aus. Es sei nicht Aufgabe Deutschlands, der Türkei unter die Arme zu greifen, sagte Oettinger. „Das ist die Aufgabe – wenn – des Währungsfonds, des IWF, der ist dafür da. Und ich glaube, zu allererst ist Handlungsbedarf in Ankara. Nicht in Berlin und nicht in Brüssel.“ Zugleich warnte der Haushaltskommissar davor, Ankara zu isolieren. Die Türkei sei ein Nachbar Europas, in vielen Fragen auch ein Partner. Das Land sei unverändert Nato-Mitglied und Kandidat, in einer fernen Zukunft Mitglied der EU zu werden. Er begrüßte in diesem Rahmen auch die Aufhebung der Ausreisesperre der wegen Terrorvorwürfen in der Türkei angeklagten deutschen Journalistin Mesale Tolu. „Jede Freilassung von Inhaftierten (in Ländern), bei denen der Rechtsstaat meines Erachtens nicht voll funktioniert, ist ein guter Schritt“, sagte der CDU-Politiker am Montag vor Sitzungen der Führungsgremien seiner Partei in Berlin. Zugleich äußerte er sich ablehnend zu deutschen Finanzhilfen für die angeschlagene Türkei.

Ähnlich äußerte sich der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt, im Deutschlandfunk. Die Probleme der türkischen Wirtschaft seien in erster Linie hausgemacht, sagte der CDU-Politiker. Zudem warf er Erdogan vor, sein Land auf einen Kurs gesteuert zu haben, der Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit widerspreche. „Wenn er da nicht rauskommt aus dieser Ecke, macht es keinen Sinn, Wirtschaftshilfen oder Finanzhilfen zu gewähren“, sagte Hardt. Dabei müsse im Zweifel auch hingenommen werden, das deutsche Firmen mit Türkei-Geschäften in Mitleidenschaft gezogen werden.

Nahles hatte angesichts der wirtschaftlichen Bedrängnis der Türkei gesagt: „Es kann die Situation entstehen, in der Deutschland der Türkei helfen muss – unabhängig von den politischen Auseinandersetzungen mit Präsident Erdogan.“ In den Zeitungen der Funke-Mediengruppe erklärte sie weiter: „Die Türkei ist ein Nato-Partner, der uns nicht egal sein kann. Es ist in unser aller Interesse, dass die Türkei wirtschaftlich stabil bleibt und die Währungsturbulenzen eingedämmt werden.“

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