Hartz IV Arbeitsmarktforscher kritisieren Zwangsverrentung

Wer mit 63 Jahren Hartz IV erhält, aber eigentlich schon Rente beziehen könnte, dem droht die Zwangsverrentung. Arbeitsmarktforscher halten das für den falschen Weg - und legen jetzt ein Alternativmodell vor.

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Ältere Arbeitnehmer fallen durchs Raster
Eine Transportbox für eine Filiale trägt Gerhard Bormann am Paketband der Firma Tchibo Logistik in Gallin zu einer Palette. Quelle: dpa
Ein Berliner Bär wartet auf dem Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor auf Touristen Quelle: dpa
Studierende sitzen in einem Hörsaal der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg. Quelle: dpa
Der Senior Hugo Kleine telefoniert während seiner Arbeit am Empfang einer Behörde in Kiel. Quelle: dpa
Weiße Häuser in der Fußgängerzone von Tvedestrand an der norwegischen «Riviera» Quelle: gms
Israelische Grenzpolizisten Quelle: dpa
Blick auf Altbauten und die Nationalflagge in der schwedischen Hauptstadt Stockholm Quelle: dpa

Der Nürnberger Arbeitsmarktforscher Enzo Weber hat sich gegen die derzeit oft praktizierte Zwangsverrentung arbeitsloser Hartz-IV-Empfänger ab 63 Jahren gewandt. Stattdessen schlägt er Ausgleichszahlungen der Rentenversicherung an den Bund vor, um dem älteren Arbeitslosen weiterhin den Hartz-IV-Bezug zu ermöglichen und damit drohende Rentenabschläge möglichst zu verhindern. Weber reagierte damit auf jüngste Reformüberlegungen der Bundesregierung.

Vor allem aber bliebe für Betroffene damit weiterhin die Tür zum Arbeitsmarkt offen, sagte der Leiter des Forschungsbereichs „Prognosen und Strukturanalysen“ beim Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Und Staat und Rentenversicherung könnten im Falle einer späteren erfolgreichen Jobvermittlung des älteren Arbeitslosen sogar Geld sparen. Das IAB ist das Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit (BA).

Aktuell plane die Bundesregierung derzeit zwar eine Ausnahme von der Zwangsverrentung, wenn die spätere Rente in Folge der Abschläge unter Grundsicherungsniveau fallen würde, räumt Weber ein. Aber auch die geplante Neuregelung habe einen Schönheitsfehler: Alle jenen, deren Rente knapp über dem Hartz-IV-Niveau liege, drohe weiter die Zwangsverrentung. Die Ungleichbehandlung könnte mit den vom IAB vorgeschlagenen Ausgleichszahlungen vermieden werden.

Nach aktueller Gesetzeslage werden Hartz-IV-Empfänger mit mindestens 35 Versicherungsjahren vorzeitig mit 63 in Rente geschickt. Sie müssten damit künftig Renten-Abschläge von bis zu 14,4 Prozent hinnehmen. Dahinter steht die gesetzliche Regelung, wonach der Hartz-IV-Empfänger vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II erst andere Einkommen für seinen Lebensunterhalt heranziehen muss.

Diese sogenannte Vorrang-Regelung sei zwar im Grundsatz richtig, habe aber bei der angestrebten vorzeitigen Verrentung von Hartz-IV-Beziehern eine unangenehme Konsequenz für die Betroffenen, gibt Weber zu bedenken. „Sie scheiden damit faktisch aus dem Arbeitsmarkt aus“. Dem IAB vorliegende Zahlen zeigten: „Ältere, die einmal aus dem Arbeitsmarkt ausgeschieden sind, kehren nicht mehr in Beschäftigung zurück.“ Davon hätte also niemand etwas - weder die Betroffenen noch die Betriebe noch der Bund, betonte Weber.

Selbst Hartz-IV-Empfänger, die die Voraussetzungen für einen Rentenbezug mit 63 Jahren erfüllten, sollten nach dem IAB-Vorschlag weiterhin Hartz IV beziehen. Bei der Rente mit 67 hätten Arbeitslose dann immerhin noch rund vier Jahre die Chance auf eine Job-Vermittlung. Abgerechnet werde am Ende, wenn der Betroffene regulär in Rente gehe. Dabei müsste die Deutsche Rentenversicherung dem mit Hartz-IV-Kosten belasteten Bund die in den zurückliegenden Jahren angefallenen Ausgaben erstatten.

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