Hartz IV Warum sich Arbeit für viele nicht mehr lohnt

Seite 5/5

Ökonomen empfehlen daher andere Wege, das erodierende Lohnabstandsgebot zu festigen. Die Regelsätze für Kinder etwa könnten teilweise als Sachleistungen ausgezahlt werden. „Derzeit fließt das Geld unkonditioniert an den Haushaltsvorstand“, moniert Ökonom Wolfgang Franz. Wäre es nicht besser, der Staat finanzierte bedürftigen Kindern ein Musikinstrument, den Nachhilfelehrer, den Mitgliedsbeitrag im Sportverein – oder baute mit dem Geld mehr Ganztagsschulen mit vernünftiger Betreuung? Ob Eltern das Geld tatsächlich für ihre Kinder ausgeben, lässt sich nicht überprüfen. „Auch wenn es heikel ist, Eltern unter Generalverdacht zu stellen: Zum Wechsel von Geld- auf Sachleistungen gibt es im Interesse der Kinder aus sozial schwachen Familien keine Alternative“, sagt Ökonom Schneider.

Sachverständigenrat will Hartz-IV um 30 Prozent kürzen

Und es gibt noch weitere Reformideen. Analysen des IAB zeigen, dass nur die Hälfte der Single-Arbeitslosen innerhalb der ersten zwölf Monate den Ausstieg aus Hartz IV schaffen, obwohl sie eigentlich besonders mobil sein müssten. Der Sachverständigenrat fordert daher, den Regelsatz um 30 Prozent zu kürzen. Im Gegenzug sollten Arbeitslose mehr hinzuverdienen dürfen – derzeit werden Zusatzeinkünfte, die über 100 Euro liegen, zu 80 Prozent auf den Hartz-Regelsatz angerechnet.

Nur über den radikalsten Reformvorschlag redet in diesen Tagen niemand. Die FDP, derzeit mit sich selbst beschäftigt, will Hartz IV ganz abschaffen. Alle steuerfinanzierten Sozialleistungen will sie in einem „Bürgergeld“ bündeln – 662 Euro pro Kopf und Monat, ausgezahlt vom Finanzamt. Wissenschaftler rümpfen über den wackeligen theoretischen Unterbau des Konzepts zwar die Nase. Doch könnte die Idee die Debatte über ein Wohlfahrtssystem bereichern, das 138 Sozialleistungen von 45 staatlichen Stellen verwalten lässt.

An die Reform der Hartz-Gesetze tastet sich die Regierung erst langsam heran. Immerhin einen konkreten Vorschlag hat die neue Bundesarbeitsministerin schon geäußert. Ursula von der Leyen will dem Regelwerk einen neuen Namen verpassen. Ein Vorschlag mit einem unschätzbaren Vorteil: Er kostet nichts.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%