Berlin ist deshalb immer noch geteilt. Nicht zwischen Ost und West, sondern zwischen aufstrebenden Vierteln und abschmierenden Quartieren. Zwischen hoch qualifizierten Neu-Berlinern, Studenten, und Gründern, für die Berlin gerade der heißeste Fleck Europas ist, wenn nicht der Welt. Und perspektivlosen Langzeit-Joblosen und Problemschülern, für die das Berliner Schulsystem keine Verheißung ist, sondern Versagen bedeutet. Die Mauer ist weg, nur in den Lebensläufen steht sie noch.
Wenn der künftige Regierungschef das Wort Chancengerechtigkeit ernst nehmen will, muss er mehr Geld ausgeben: für Lehrer, mehr Förderunterricht und Sonderpädagogen und gute Schulgebäude. Und deshalb muss die Stadt, die auf eine so stolze Industrietradition zurückblicken kann (Siemens! Borsig!), aber heute nach Jahrzehnten der deutschen Teilung keine nennenswerte Industrie mehr besitzt, alles tun, um die Gründerszene florieren zu lassen. Boomender Tourismus und der Mikrokosmos Bundespolitik (plus Lobby, Medien und Verbände) werden alleine sicher nicht reichen, um genügend Mittel für den Etat zu mobilisieren.
Junge Unternehmen wie Zalando oder Rocket, 6Wunderkinder oder Soundcloud mögen alle noch mehr ein Versprechen als ökonomische Substanz darstellen. Aber jeder Berliner Bürgermeister sollte trotzdem für diese Arbeitgeber und ihre globale Ausstrahlung jeden Tag eine Kerze anzünden, Termine im Kalender reservieren sowieso. Rund 60.000 Beschäftigte, alleine 18.000 in den vergangenen fünf Jahren gehen auf das Konto der wachsenden Internetwirtschaft, sie steht mittlerweile für fast vier Milliarden Euro Wertschöpfung in Berlin. Eine McKinsey-Studie beziffert das Arbeitsplatzpotenzial bis 2020 auf weitere 100.000 Jobs.
„Gelingt es, die wirtschaftlichen Potenziale der Stadt weiter auszuschöpfen, könnte die Wirtschaftsleistung Berlins 2020 den Bundesdurchschnitt erreichen“, heißt es optimistisch bei der Berliner Industrie- und Handelskammer. Die Wünsche: Eine moderne Verwaltung und Stadtentwicklungspolitik, die den Wandel nicht erduldet oder stranguliert (Mietpreisbremse), sondern klüger managt. Kaum eine Weltmetropole hat noch so viel Platz und Raum wie Berlin, der künftige Bürgermeister muss ihn nur bestmöglich nutzen.
Bleibt ein dunkler Fleck. Der liegt noch nicht einmal auf Berliner, sondern auf Brandenburger Boden. Aber was macht das schon? Der Airport BER ist nicht nur zur Lachnummer verkommen, vor allem ist er einfach überfällig. Noch mögen die Flughäfen Tegel und Schönefeld leidlich funktionieren, sie müssen es auch. Aber eine Stadt, die glaubt, sich für Olympische Spiele bewerben zu können, braucht einen leistungsfähigen Großstadt-Flughafen, der die Erfordernisse des 21. Jahrhunderts erfüllt.
Klaus Wowereit – wohlgemerkt: als Aufsichtsratsvorsitzender der Flughafengesellschaft – witzelte noch ein paar Wochen, bevor die große Eröffnung 2012 hektisch abgesagt werden musste, über den Starttermin. Der BER werde wie geplant eröffnen – das sei „schließlich so beschlossen“. Großes Gelächter.
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