Haushalt Alle reden, keiner rechnet

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SPD vs. CDU - wer hat Recht?

Das sind Deutschlands Problemzonen
Straßenbau: Der Investitionsstau führt zum VerkehrsinfarktDie A45 gilt als Deutschlands schönste Autobahn. Über Hügel und Täler schlängelt sie sich durch das Sauer- und Siegerland nach Hessen. Dennoch ist sie für die 10000 Lkw-Fahrer, die hier täglich unterwegs sind, ein Ärgernis: Allein im hessischen Teil gibt es ein Dutzend poröse Brücken, die mit nur 60 Stundenkilometern passiert werden müssen. Ein Abschnitt ist für schwere Lkw sogar vollständig gesperrt. Zwar hat der Staat längst begonnen, zu sanieren und zu erneuern – schließlich soll sich die Zahl der Lastwagen bis zum Jahr 2025 verdoppeln. Aber insgesamt kommt die Modernisierung viel zu langsam voran. Quelle: dpa
Das gilt für Straßen in vielen  Teilen Deutschlands. Ihr schlechter Zustand spiegelt den immensen Investitionsstau wider. Laut der Initiative „Pro Mobilität“ werden seit zehn Jahren nur rund fünf Milliarden Euro pro anno in die Bundesfernstraßen investiert. Es müssten aber mindestens acht Milliarden pro Jahr sein, zumal das Verkehrsaufkommen in den nächsten Jahren deutlich steigen wird. Quelle: dpa
Bei den kommunalen Straßen ist der Bedarf sogar noch größer. Hier müssten statt jährlich fünf Milliarden eigentlich fast zehn Milliarden Euro investiert werden, sagt Wolfgang Kugele vom ADAC. „Rund die Hälfte der Straßen weist deutliche Schädigungen wie Risse, Schlaglöcher oder Verformungen auf.“ Quelle: dpa
Schulgebäude: Kommunen fehlt Geld für überfällige SanierungenMehr als ein Schulterzucken bekommt Monika Landgraf nicht als Antwort, wenn die Vorsitzende der Dortmunder „Stadteltern“ von Stadträten mehr Investitionen in Schulen fordert. Das nötige Geld, es ist einfach nicht da. Dabei würde es dringend gebraucht: An jeder zweiten der rund 200 Dortmunder Schulen müsste investiert werden, schätzt Landgraf – denn in Klassenzimmern bröckelt der Putz von den Wänden, Toiletten sind heruntergekommen, Turnhallen völlig veraltet. Quelle: dpa
Vielen Schulen fehle außerdem der Platz, um eine – seit der Umstellung auf den Ganztagsbetrieb wichtige – Mensa einzurichten. „Wie sollen Kinder auf diese Weise gute Lernleistungen erzielen?“, fragt Landgraf. Dortmund ist eher Regel- als Einzelfall: ob im Osten oder im Westen, im Norden oder Süden: Die Bedingungen für die Schüler sind fast überall schlecht. Der bundesweite Investitionsstau bei den Schulgebäuden beträgt nach Schätzungen des Deutschen Instituts für Urbanistik 70 Milliarden Euro. Bei den Sportstätten sind es nach Angaben des Deutschen Sportbunds 40 Milliarden. Quelle: dpa
Doch nicht nur in die Gebäude, auch in die Lehre investiert Deutschland zu wenig: Mit Bildungsausgaben in Höhe von knapp fünf Prozent der Wirtschaftsleistung liegt das Land im Ranking der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) auf dem drittletzten Platz. Quelle: ap
Bahn: Manche Reisen dauern heute länger als vor dem KriegWer in Deutschland auf eine verspätete S-Bahn warten muss, wird inzwischen zumindest gut informiert. Selbst an kleinen Haltepunkten gibt es jetzt „dynamische Schriftanzeiger“, über die die aktuelle Verspätung flimmert. Rund 2800 dieser Anzeiger hat die Bahn mit Geldern der Konjunkturpakete finanziert. Doch an den vielen Zugverspätungen werden diese Zusatzinvestitionen kaum etwas ändern können: Quelle: dpa

Jetzt im Wahlkampf sind zumindest die Argumentationslinien klar: Rote und Grüne setzen darauf, Investitionen und Schuldenabbau zu kombinieren, CDU und FDP geben an, sich auf Letzteres konzentrieren zu wollen. FDP-Frontmann Christian Lindner über die Strategie der linken Parteien: „Ganz Europa hat erkannt, dass Schulden schädlich sind. Nur eine Landesregierung glaubt, sie wisse es besser.“ Kraft über die Bürgerlichen: „Was die CDU im Bund tut, das ist, als würde die schwäbische Hausfrau das Geld zum Schuldenabbau ihren Kindern aus der Tasche ziehen.“ Bleibt die Frage: Wer hat recht?

Globale Minderausgaben als Verlegenheitslösung

Ein Blick auf die Haushaltsentwürfe der Parteien offenbart viele Widersprüche. So versprach Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) in den letzten Debatten vor dem Scheitern der Regierung, 2012 mit 3,6 Milliarden Euro Neuverschuldung auszukommen, im kommenden Jahr sollten es unter drei Milliarden Euro werden. Nicht einkalkuliert sind dabei jedoch die Kosten des gerade erzielten Tarifabschlusses. Hier schlägt jeder zusätzliche Prozentpunkt mit rund 300 Millionen Euro zu Buche. Auch die unterstellte Wachstumsrate der Steuereinnahmen für 2012 ist umstritten.

Bei den Einsparungen setzt Walter-Borjans auf globale Minderausgaben. Die funktionieren nach folgendem Prinzip: Der Finanzminister gibt Gesamtsummen vor, welche die einzelnen Ressorts einsparen sollen. Die Umsetzung bleibt ihnen überlassen. 2012 sollen so 360 Millionen Euro zusammenkommen, im kommenden Jahr eine Milliarde. Erfahrene Haushalter sind skeptisch: „Wenn du nicht weißt, was du tun sollst, machst du eine globale Minderausgabe“, sagt Walter-Borjans’ CDU-Vorgänger Helmut Linssen. Weil alles andere mühsam sei und Ärger bringe, werde dann meist bei den Investitionen gestrichen.

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