Heimat-Debatte Wie das Dorf gedeihen kann

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Das Wanfrieder Erfolgsmodell

Im hessischen Wanfried verzichten sie mittlerweile komplett darauf, komplizierte Förderprogramme des Bundes zu beantragen. Jürgen Rödiger führt hier lieber eine Bürgergruppe aus Architekten, Ingenieuren und Restauratoren an, ohne die Hauptstadt um Hilfe zu bitten. Selbst ist das Dorf. Ihr Ziel: Käufer von außerhalb für ihre leerstehenden, aber charmanten Fachwerkhäuser zu finden, um so das Bröckeln ihrer Heimatstadt aufzuhalten. Dafür beraten sie potentielle Käufer – und packen auch selbst bei der Renovierung mit an. Es ist der Versuch, neue Bewohner in die Stadt zu locken und dem Wegzug von 100 Einwohnern pro Jahr etwas entgegenzusetzen.

Rödiger und seine Mitstreiter erinnern sich noch gut, wie sie vor ein paar Jahren noch 45.000 Euro Fördermittel vom Bundesbauministerium bekamen. Der Zweck: die Vermarktung ihres Fachwerkmusterhauses in der Altstadt. „Wir mussten ständig Anträge, Zwischenberichte, noch mehr Zwischenberichte und Endberichte schreiben“, erzählt Diana Wetzestein, die ebenfalls in der Bürgergruppe Wanfried aktiv ist. „Für jeden Stuhl, der im Fachwerkmusterhaus steht, haben wir eine DINA-4 Seite verfasst.“

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Wetzestein findet, dass eine kleine ehrenamtliche Initiative wie ihre den Aufwand, der mit solchen Förderprogrammen zusammenhänge, gar nicht leisten könne. „Besser wäre doch, wenn die Fördergeldgeber die Initiativen fragen, was sie brauchen und ihnen die Mittel dann gezielt zur Verfügung stellen“, sagt Wetzestein. Dann könne die Gruppe darüber frei verfügen und am Ende des Jahres berichten, was wofür ausgegeben wurde.

Dass die Wanfrieder mit ihrer Initiative trotzdem Erfolg haben, liegt auch an der engen Zusammenarbeit mit dem Bürgermeister der Stadt. Der war bereits Mitglied der Bürgergruppe, als er vor zehn Jahren ins Amt gewählt wurde. Seitdem sichert er der Initiative unbürokratische Unterstützung durch die Stadtverwaltung. Genau das sei das Erfolgsgeheimnis ihres Projekts, glaubt Rödiger. Die Idee kam von den Bürgern – und die Stadtverwaltung hat unkompliziert geholfen.

Für das Städtchen hat sich diese Zusammenarbeit längst ausgezahlt. Der große Exodus wurde gestoppt. Es gibt weiterhin Ärzte, Einzelhandelsgeschäfte, Bankfilialen und Apotheken im Ort. Rödiger ist zufrieden, wenn er heute durch Wanfried spaziert. Alle paar Meter steht nun ein saniertes Fachwerkhaus, bunte Ornamente zieren manchen Holzbalken, in andere ist das Baujahr eingraviert. Insgesamt 55 Häuser haben Rödiger und sein Team bis heute vermittelt. Jedes für sich ein kleiner Wachstumskern. Anders als die Dörfer und Städte im Umkreis hat Wanfried zuletzt erstmals sogar wieder ein leichtes Bevölkerungsplus verzeichnet. Es geht, sieht Rödiger, wenn man denn will.

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