Hintergrund zum Rentengipfel Was sich bei der Rente ändert

Die Bundesregierung hat wichtige Entscheidungen für die Zukunft der Rente beschlossen: Ost-West-Angleichung, Erwerbsminderungsrente, Reform der Betriebsrente und noch mehr. Doch was bedeutet das genau? Ein Überblick.

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Bis 2045 sollen nach den Vorstellungen von Arbeitsministerin Nahles die Renten stabil bleiben. Quelle: dpa

Berlin Die Spitzen von CDU, CSU und SPD haben bei einem Treffen mit Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) Änderungen im Rentenrecht beschlossen. Unter anderem wurde ein Stufenplan vereinbart, um in sieben Schritten bis 2025 die Ost-Renten auf das West-Niveau anzuheben. Am Freitag stellte Nahles dann ihr Gesamtkonzept zur Alterssicherung vor, das in einigen Punkten über die Beschlüsse hinausgeht. So will die Ministerin für das Rentenniveau eine Untergrenze von 46 Prozent festschreiben und mehr Geld aus Steuern in die Rentenversicherung lenken. Der Überblick:

Die Beschlüsse der Koalition:

  • Ost-West-Angleichung

Ab 2025 soll in ganz Deutschland ein einheitliches Rentenrecht gelten. Für die rund vier Millionen Rentner im Osten bedeutet das stärkere Rentenanhebungen. In sieben Schritten – zusammen mit der jährlichen Rentenerhöhung am 1. Juli – werden ihre Rentenwerte stärker angehoben als von der Lohnentwicklung vorgegeben. Derzeit macht ein Rentenpunkt im Osten mit 28,66 Euro 94,1 Prozent des West-Wertes von 30,45 Euro aus. Ab dem 1. Juli 2024 sollen beide Werte gleich sein. Ein Durchschnittsverdiener sammelt in 45 Arbeitsjahren 45 Rentenpunkte. Gleichzeitig wird die Höherwertung von Ost-Löhnen abgebaut, durch die Ost-Arbeitnehmer bisher für das gleiche Geld mehr Rentenpunkte sammeln können als Beschäftigte im Westen.

Finanziert werden soll dies aus Steuermitteln – so sieht die Vereinbarung zumindest nach Angaben der SPD aus. Das Finanzministerium widerspricht. Die Angleichung kostet mehrere Milliarden Euro – angefangen mit etwa 600 Millionen Euro 2018 bis hin zu 3,9 Milliarden Euro in der letzten Stufe.

  • Erwerbsminderungsrente

Für Arbeitnehmer, die aus gesundheitlichen Gründen aus dem Arbeitsleben ausscheiden, wird die Erwerbsminderungsrente verbessert. Bis 2024 wird die sogenannte Zurechnungszeit von 62 auf 65 Jahre erhöht. Frührentner werden dann so gestellt, als ob sie mit ihrem bisherigen durchschnittlichen Einkommen bis zum 65. Lebensjahr gearbeitet hätten. Dadurch steigt ihre monatliche Rente. Derzeit beziehen 1,8 Millionen Menschen eine Erwerbsminderungsrente.

  • Betriebsrenten

Die betriebliche Altersvorsorge als zweite Säule neben der gesetzlichen Rentenversicherung soll gestärkt werden. Ein Gesetzentwurf von Nahles, auf den sie sich mit Gewerkschaften und Arbeitgebern wie auch dem Finanzministerium verständigt hat, soll rasch vom Kabinett gebilligt und vom Bundestag verabschiedet werden. Arbeitgeber erhalten einen staatlichen Zuschuss von 72 bis 144 Euro, wenn sie für Geringverdiener mit einem Einkommen bis zu 2000 Euro 240 bis 480 Euro jährlich in die betriebliche Altersvorsorge einzahlen. Im Rahmen von Tarifverträgen soll es möglich sein, Betriebsrenten ohne Haftung der Arbeitgeber zu vereinbaren.

  • Riester-Verträge

Auch bei der dritten Säule, der geförderten privaten Vorsorge nach dem Riester-Modell, gibt es Änderungen. Die staatliche Grundzulage soll von 154 auf 165 Euro steigen. Im Juni 2016 gab es 16,5 Millionen Riester-Verträge.

  • Freibetrag der Grundsicherung

Wer im Alter oder durch Erwerbsminderung auf die staatliche Grundsicherung (entspricht der Höhe nach Hartz IV) angewiesen ist, darf laut Nahles einen Teil der Vorsorge durch Betriebs- oder Riester-Renten behalten. Zunächst soll es einen Freibetrag von gut 200 Euro geben.


Das Gesamtkonzept von Nahles

Die Beschlüsse der Koalition sind in dem Gesamtkonzept von Nahles bereits berücksichtigt. Darüber hinaus will die SPD-Politikerin das Rentenniveau festschreiben, eine Solidarrente für Geringverdiener einführen und Selbstständige in die gesetzliche Rentenversicherung aufnehmen. Über die beiden letzten Punkte soll es in der Koalition noch Gespräche geben.

  • Rentenniveau

Durch weitere Steuerzuschüsse ab dem Jahr 2030 will Nahles festschreiben, dass das Rentenniveau bis zum Jahr 2045 nicht unter 46 Prozent fällt. Der Beitragssatz (derzeit 18,7 Prozent) soll bei 25 Prozent gedeckelt werden. Dazu müsse die Rente stärker aus Steuern finanziert werden. Sie plädiert für einen "Demografiezuschuss" in Höhe von bis zu 4,5 Milliarden Euro jährlich ab 2030 und knapp acht Milliarden Euro ab 2040. Derzeit liegt das Rentenniveau nach 45 Beitragsjahren bei 48 Prozent eines Durchschnittslohns. Nach den Prognosen der Bundesregierung sinkt es 2027 erstmals unter 46 Prozent auf 45,8 Prozent und bis 2030 auf 44,5 Prozent. Ohne weiteres Zutun geht Nahles von einem Absinken auf 41,7 Prozent bis 2045 aus.

  • Solidarrente

Zur Bekämpfung von Altersarmut sollen nach Nahles Vorstellungen langjährige Beitragszahler, die nur Mini-Renten beziehen, als "neue Sozialleistung" eine Solidarrente erhalten. Wer 35 Jahre an Beitragszeiten aufweisen kann – darunter auch Zeiten der Pflege und kurzer Arbeitslosigkeit – soll in der regional unterschiedlich hohen Grundsicherung einen Aufschlag von zehn Prozent erhalten. Auf eine Bedürftigkeitsprüfung will Nahles verzichten. Allerdings wird das Einkommen des Partners gegenrechnet, soweit dessen Einkünfte monatlich 1600 Euro übersteigen.

  • Selbstständige

Etwa drei Millionen Selbstständige sind laut Nahles mit Blick auf die Altersvorsorge nicht ausreichend abgesichert. Die SPD-Politikerin will sie in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen, was auf kurze Sicht die Finanzlage der Rentenkasse verbessert, auf lange Sicht aber zu höheren Rentenausgaben führt. Sie will vermeiden, dass Selbstständige wegen mangelnder Vorsorge der staatlichen Grundsicherung zur Last fallen. Selbstständige sollen sich von der Versicherungspflicht befreien lassen können, wenn sie anderweitig für das Alter vorgesorgt haben. Die Union will die Vorsorge auch verbessern, lehnt aber eine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung ab.

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