
Zwischen der Person Karoline Linnert und ihrem Büro liegen Welten. Da ist die holzvertäfelte Amtsstube aus den Zwanzigerjahren, den goldenen Zeiten, als Wolle und Werften den Bremer Haushalt mit so viel Geld auffüllten, dass niemand mehr wusste, wohin damit. Und da ist die Finanzsenatorin mit rotem Haar und grünem Parteibuch, die es in der tristen Gegenwart in ein Armenhaus versetzt hat – und die nun den härtesten Sparkurs aller deutschen Bundesländer durchsetzen muss.
Auf einem braunen Tisch liegt Bremens Finanzplan 2011 bis 2016, seitenweise schlechte Nachrichten. Über 19 Milliarden Euro Schulden hat Bremen über die Jahre angehäuft, pro Einwohner sind das mehr als 29.000 Euro. Gemeinsam mit den anteiligen Schulden des Bundes kommen sie so auf 45.550 Euro pro Kopf. Das ist weit mehr als in Griechenland (31.000 Euro), weshalb Spötter vom „Tsatsiki-Haushalt“ reden. Allein 2011 gab Bremen über 900 Millionen Euro mehr aus, als es einnahm. Für Zinsen zahlt der Stadtstaat bereits halb so viel wie für Lehrer, Polizisten und alle anderen öffentlich Beschäftigten zusammen.
Milliarden vom Bund
Das winzige Bremen und seine große Katastrophe. Wie konnte es dazu kommen? Linnert war Schülerin des Cecilien-Gymasiums in Bielefeld, als die Ölkrise Unternehmen in die roten Zahlen trieb. Tausende Bremer verloren ihren Arbeitsplatz. Der damalige Senat reagierte antizyklisch – und stellte innerhalb von wenigen Jahren über 10.000 neue öffentliche Bedienstete ein. Dies war der Anfang der Bremer Schuldenspirale. Bis Ende der Achtzigerjahre wuchs die Pro-Kopf-Verschuldung auf rund 10.000 Euro an. Weil der Stadtstaat sich außerstande sah, seine Finanzprobleme aus eigener Kraft zu lösen, zog er vor das Bundesverfassungsgericht. Bremen argumentierte, es sei vom Länderfinanzausgleich benachteiligt und müsse als Stadtstaat für seine relativ teurere Verwaltung entschädigt werden. Bremen bekam recht – und wurde fortan mit Steuergeldern überschüttet.

Zwischen 1994 und 2004 erhielt das Land 8,5 Milliarden Euro. Doch die Schulden stiegen immer weiter, weil Bremen sie nicht zurückzahlte, sondern weiter investierte: Bis 2002 stiegen die Investitionen jedes Jahr um fünf Prozent auf 750 Millionen Euro. Sie flossen auch in fragwürdige Projekte, wie etwa in eine als „Palazzo Pisso“ verhöhnte öffentliche Luxus-Toilette, welche jedes Jahr gut eine halbe Million Euro kostet.
Derzeit gibt Bremen, bezogen auf jeden Einwohner, mehr Geld für Personal aus als jedes andere Bundesland – fast 2.000 Euro waren es 2011. Der Stadtstaat Berlin, auch nicht gerade ein Hort stabiler Finanzen, kommt mit rund 1.800 Euro aus. „Wir sind nicht alleine schuld an unserer Finanzlage. Auch ein reiches Bundesland wie Bayern hing mal am Geldtropf“, verteidigt sich Linnert mit Verweis auf den schwierigen Strukturwandel in der Hansestadt.