„Identitäre Bewegung“ AfD-nahe Bewegung im Visier der Terrorabwehr

Mancher AfD-Politiker pflegt Kontakte zu der rechten Gruppierung „Identitäre Bewegung“. Dabei steht diese längst im Visier von Verfassungsschützern. Nun ist auch das Berliner Terrorabwehrzentrum aktiv geworden.

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Blick auf die im rechten Bereich agierende Webseite der „Identitären Bewegung“: Mehrere Verfassungsschutzbehörden haben die Gruppierung unter Beobachtung gestellt. Quelle: dpa

Berlin Die rechte „Identitäre Bewegung“ (IB) ist ins Visier der Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder geraten. Die Gruppierung sei „bereits mehrfach Gegenstand von Erörterungen im Gemeinsamen Extremismus- und Terrorabwehrzentrum (GETZ), unter anderem im Zusammenhang mit asylkritischen Demonstrationen“ gewesen, heißt es in einer dem Handelsblatt vorliegenden Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag.

Laut Ministerium ist die IB etwa im Mai 2015 beim Start der Kampagne „Der große Austausch“ in Kooperation mit der „Identitären Bewegung“ in Österreich „sowohl virtuell als auch in Form von Demonstrationen, Flugblattverteil- und Transparentaktionen in Erscheinung getreten“. Mit der Kampagne wolle die IB „auf vermeintlich bevorstehende negative demografische Veränderungen durch die „Masseneinwanderung“ aufmerksam machen“.

Die Ideologie der Bewegung basiert nach Einschätzung des Ministeriums „stark auf dem Abstammungsprinzip und der Abgrenzung zu anderen Kulturen, insbesondere zum islamischen Glauben“. Im Rahmen der Flüchtlingskrise habe in der „Agitation“ der IB beziehungsweise ihrer Anhänger eine „weitere Radikalisierung festgestellt“ werden können. Auch die „Widerstandsrhetorik“ gegenüber Zuwanderern habe zugenommen. In der Antwort des Ministeriums werden einige Straftaten mit Bezug zu den „Identitären“ aufgelistet.

Pikant ist, dass die Alternative für Deutschland (AfD) teilweise Kontakte zu der fremdenfeindlichen Bewegung unterhält. Die Bundesregierung erklärt in ihrer Antwort auf die Linken-Anfrage zwar, dass ihr hierzu keine Erkenntnisse vorlägen. Der AfD-Politiker Dubravko Mandic, der auch Vorsitzender des Parteischiedsgerichts des Landesverbands in Baden-Württemberg ist, hat jedoch selbst schon solche Kontakte eingeräumt.


„Hetze gegen Zugewanderte, Muslime, Feministinnen und Linke“

Erst am 11. Juni nahm der Jurist gemeinsam mit einem weiteren AfD-Politiker in Wien an einer Demonstration der „Identitären Bewegung Österreich“ teil. Die Bundesregierung erwähnt den „Aufmarsch“ in Wien, bei dem es zu Ausschreitungen kam, zwar in ihrer Antwort an die Linksfraktion, stellt aber keinen Bezug zur AfD her. Dabei begrüßte die „Patriotische Plattform“ in der AfD ausdrücklich, dass ihre Vorstandmitglieder Mandic und Felix Koschkar an der Demo unter dem Motto „Defend Europe“ teilnahmen. Auf der Facebook-Seite der Plattform wird zudem der Charakter der Veranstaltung betont: „Die Jugend der europäischen Völker widersetzt sich mutig und gewaltfrei der Masseneinwanderung, der Islamisierung und dem erzwungenen Austausch unserer Völker.“

Mit Blick auf Deutschland räumte Mandic zudem ein, dass die AfD, vor allem aber der Parteinachwuchs „Junge Alternative“ (JA), „personell mit der IB verbunden“ sei. „Dies folgt schlicht aufgrund ähnlicher politischer Zielsetzung“, schreibt Mandic auf der Webseite der „Patriotischen Plattform“. Die Mittel der „Identitären“ seien dabei außerparlamentarisch, aber, wie er hinzufügt, „nicht weniger wirksam“. Hausbesetzungen und ähnliche Aktionen seien jedoch nicht die Methoden einer Parlamentspartei wie der AfD.  Da einige Landesverfassungsschutzbehörden die „Identitären“ unter Beobachtung gestellt haben, strebt Mandic inzwischen jedoch „zum Schutze unserer Partei“ an, dass Vorstände der JA oder AfD nicht gleichzeitig in führender Funktion bei der IB tätig sein dürften. „Dies ist unser Tribut an das System.“ Allerdings fügt er hinzu: „Gleichwohl plädiere ich nun aber auch für eine inhaltliche Zusammenarbeit mit der IB.“

Allerdings hatte die AfD-Bundesspitze am 22. Juni festgelegt, „dass es keine Zusammenarbeit der Partei Alternative für Deutschland und ihrer Gliederungen mit der sogenannten „Identitären Bewegung“ gebe.

Da sich die Bewegung als außerparlamentarische Opposition des rechten Spektrums positioniert, geht das Ministerium davon aus, dass Rechtsextremisten versuchten, sie „zu beeinflussen oder gezielt zu unterwandern“. Auch werden Verbindungen der „Identitären“ zu rechtsextremen Organisationen oder rechtsextremen Einzelpersonen im Inland für möglich gehalten. In der Antwort auf die Linken-Anfrage heißt es dazu: „Nach Kenntnis der Bundesregierung können derartige Kontakte nicht ausgeschlossen werden.“ Ministeriumsangaben zufolge steht die Prüfung der Bewegung hinsichtlich der Einstufung durch den Bundesverfassungsschutz kurz vor dem Abschluss.

Die Innenexpertin der Linksfraktion, Martina Renner, sieht in den „Identitären“  eine Organisation, die „rassistisch, völkisch und autoritär“ sei. „Sie hetzt gegen Zugewanderte, Muslime, Feministinnen und Linke und sie trägt zu einer gefährlichen Atmosphäre bei, in der die genannten Gruppen bedroht und angegriffen werden“, sagte Renner dem Handelsblatt. „Die Inszenierung, nur aus Notwehr zu handeln, um so schlimmstes Unheil abwenden zu wollen, teilen sie im Übrigen nicht nur mit den historischen Nationalsozialisten sondern ebenso mit Massenmördern wie Anders Breivik.“


„Aktivste rechtsextreme Jugendbewegung in Deutschland“

Mehrere Landesämter für Verfassungsschutz beobachten die „Identitäre Bewegung“ schon seit längerem - unter anderem die Berliner Behörde. Auch das Bundesamt hat die Gruppe im Auge. Ein „Beobachtungsobjekt“ ist diese im Bund bislang aber nicht

Die Bewegung stammt ursprünglich aus Frankreich. Der deutsche Ableger gründete sich 2012. Die Gruppe wettert gegen eine vermeintliche massenhafte Zuwanderung nach Deutschland und Europa und warnt vor Islamisierung und einem moralischen Verfall der Gesellschaft. Die Bewegung plädiert für eine „Festung Europa“ und wirbt im Internet um junge Unterstützer, die bereit seien, „ihre Heimat zu erhalten und zu verteidigen“.

Lange war die deutsche Gruppierung fast ausschließlich im Internet aktiv. Im Berliner Verfassungsschutzbericht 2014 heißt es noch, die Aktivitäten der Gruppe beschränkten sich „bisher hauptsächlich auf den virtuellen Raum“, vor allem auf Websites, Blogs und soziale Netzwerke. „Ihre Rolle in der Realwelt scheint dagegen marginal.“

Inzwischen hat sich die Lage verändert. Aktivisten gegen Rechtsextremismus beobachten, dass die Anhänger der Bewegung seit einiger Zeit verstärkt mit Aktionen und Protesten in der Öffentlichkeit auftreten. Im vergangenen Jahr beispielsweise besetzten Mitglieder der Gruppe einen Balkon der SPD-Parteizentrale in Berlin.

Die Initiative „Netz gegen Nazis“ - ein Projekt der Amadeu-Antonio-Stiftung, die sich gegen Rechtsextremismus engagiert - wertet die „Identitären“ mittlerweile als festen Bestandteil der rechten Szene und als „aktivste rechtsextreme Jugendbewegung in Deutschland“. Es gebe auch Schnittmengen mit der rechtsextremen Partei NPD.

Verfassungsschützer sprechen von einem „modernen und betont jugendaffinen Auftreten“ der Gruppe, die immer wieder auf Stilmittel der Popkultur zurückgreife.

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