„Identitäre Bewegung“ und AfD AfD-Rechte wollen Schulterschluss mit Verfassungsfeinden

Ganz im Sinne der AfD warnt die „Identitäre Bewegung“ vor Überfremdung und Islamisierung. Der rechte Parteiflügel will deshalb eine enge Zusammenarbeit – obwohl die Gruppierung vom Verfassungsschutz beobachtet wird.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Blick auf die im rechten Bereich agierende Webseite der „Identitären Bewegung“: Mehrere Verfassungsschutzbehörden haben die Gruppierung unter Beobachtung gestellt. Quelle: dpa

Obwohl der Verfassungsschutz die sogenannte Identitäre Bewegung ins Visier genommen hat, scheut der rechtsnationale Flügel der Alternative für Deutschland (AfD) nicht davor zurück, den Schulterschluss mit dieser Gruppierung anzustreben. „Wir wünschen uns eine engere Zusammenarbeit zwischen Identitärer Bewegung und AfD, denn auch die AfD ist eine identitäre Bewegung und auch die Identitäre Bewegung ist eine Alternative für Deutschland“, heißt es in einer Mitteilung, des Vorstands der „Patriotischen Plattform“ in der AfD.

Vorstandssprecher ist der sachsen-anhaltische Landtagsabgeordnete Hans-Thomas Tillschneider, der auch schon bei einer Veranstaltung der fremdenfeindlichen Pegida-Bewegung als Redner aufgetreten ist. Dem Vorstand der Plattform gehört auch Dubravko Mandic an. Mandic ist auch Mitglied im AfD-Schiedsgericht des Landesverbands Baden-Württemberg.

Mandic eckte in seinem Landesverband schon wegen angeblicher rechter Umtriebe an. Nach einem Bericht der „Badischen Zeitung“ soll der Freiburger Anwalt an einer Feier der Burschenschaft „Saxo-Silesia“ teilgenommen haben, auf der man Nazilieder gespielt und „Heil Hitler“ gerufen haben soll.

Die Südwest-AfD steht derzeit wegen des Stuttgarter Landtagsabgeordneten Wolfgang Gedeon, dem Antisemitismus vorgeworfen wird, besonders im Fokus. Er hatte in einem Buch im Zusammenhang mit dem Holocaust von „gewissen Schandtaten“ geschrieben. Nach dem Bundesvorstand sprachen sich auch die Landesvorsitzenden der AfD für den Gedeons Parteiausschluss aus. Der AfD-Bundesvorsitzende Jörg Meuthen, der auch Fraktionschef im Stuttgarter Landtag ist, will den pensionierten Arzt unbedingt loswerden. Er hat mit seinem Rücktritt als Fraktionsvorsitzender gedroht, sollte die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit für Gedeons Ausschluss nicht erreicht werden. Die Abstimmung ist für kommenden Dienstag angesetzt.


Neben Gedeon könnte auch Mandic nun zu einem ernsten Problem werden. Am vergangenen Samstag nahm der Jurist gemeinsam mit Felix Koschkar, ebenfalls Vorstandsmitglied bei der „Patriotischen Plattform“, in Wien an einer Demonstration der „Identitären Bewegung Österreich“ teil. Motto: „Europa verteidigen – Für ein freies und starkes Europa der Zukunft!“. In dem Demo-Aufruf betont die Gruppierung, dass es schon längst an der Zeit sei, sich zu wehren: „Aufgrund des derzeitigen Ansturms aus den Ländern des Nahen Ostens und Afrikas drohen die Europäer in ihren eigenen Ländern zur Minderheit zu werden.“

Während der Demonstration  kam es zu Ausschreitungen, bei der mehrere Menschen verletzt und einige Demonstranten festgenommen wurden. Zu den heftigen Zusammenstößen kam es, als rund 1000 linke Aktivisten den Marsch von ebenfalls rund 1000 rechtsextremen Anhängern der „Identitäre Bewegung“ stoppen wollten, wie die Polizei mitteilte.

Nach Polizeiangaben setzten die Sicherheitskräfte Pfefferspray ein, als linke Aktivisten die rechten Demonstranten mit Steinen, Flaschen und Eisenstangen attackierten. Sieben Aktivisten seien festgenommen worden. Gegen einen Demonstranten sei Anzeige wegen Neonazi-Propaganda erstattet worden. Unter den Verletzten waren auch vier Polizisten.

„Die Schwelle für eine Beobachtung ist erreicht“


In Deutschland nehmen Verfassungsschützer die „Identitäre Bewegung“ inzwischen verstärkt ins Visier. „Einige Landesämter schauen sich die „Identitären“ inzwischen genauer an, weil dort die Schwelle für eine Beobachtung erreicht ist“, sagte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, kürzlich der „Rheinischen Post“. „Wir haben festgestellt, dass sie in verschiedenen Bundesländern von reinen Internetaktivitäten zu Verabredungen im realen Leben übergegangen sind.“

Die Landesämter für Verfassungsschutz in Bremen, Bayern, Hessen, Berlin und neuerdings auch in Baden-Württemberg beobachten die Gruppierung. Auch das Bundesamt hat die Gruppe, die sich offensiv gegen „Masseneinwanderung“ und „Überfremdung“ wendet, im Auge. Ein „Beobachtungsobjekt“ sei diese im Bund bislang aber nicht, sagte eine Sprecherin der Behörde auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa.

In Hessen erklärten die Verfassungsschützer hingegen schon im Dezember vergangenen Jahres, es lägen hinreichend Anhaltspunkte vor, dass die „Identitäre Bewegung“ verfassungsfeindliche Ziele verfolge. Damit könnten nun auch nachrichtendienstliche Mittel zur Beobachtung eingesetzt werden.

Die Bewegung stammt ursprünglich aus Frankreich. Der deutsche Ableger gründete sich 2012. Die Gruppe wettert gegen eine vermeintlich massenhafte Zuwanderung nach Deutschland und Europa und warnt vor Islamisierung und einem moralischen Verfall der Gesellschaft. Die Bewegung plädiert für eine „Festung Europa“ und wirbt im Internet um junge Unterstützer, die bereit seien, „ihre Heimat zu erhalten und zu verteidigen“.

Lange war die deutsche Gruppierung fast ausschließlich im Internet aktiv. Im Berliner Verfassungsschutzbericht 2014 heißt es noch, die Aktivitäten der Gruppe beschränkten sich „bisher hauptsächlich auf den virtuellen Raum“, vor allem auf Websites, Blogs und soziale Netzwerke. „Ihre Rolle in der Realwelt scheint dagegen marginal.“

Im aktuellen Verfassungsschutzbericht des Landes Berlin heißt es nun: „Durch die neuen islamfeindlichen Gruppierungen und Netzwerke wie z.B. der „Bürgerbewegung Pro Deutschland“ und der „Identitären Bewegung“ gibt es inzwischen auch für Personen ein Angebot, die keinen Bezug zur klassischen rechtsextremistischen Ideologie haben und für die Themen Zuwanderung bzw. Zuwanderungspolitik prioritär sind.“


„Aktivste rechtsextreme Jugendbewegung in Deutschland“


Aktivisten gegen Rechtsextremismus beobachten überdies, dass die Anhänger der Bewegung seit einiger Zeit verstärkt mit Aktionen und Protesten in der Öffentlichkeit auftreten. Im vergangenen Jahr beispielsweise besetzten Mitglieder der Gruppe einen Balkon der SPD-Parteizentrale in Berlin.

Die Initiative „Netz gegen Nazis“ – ein Projekt der Amadeu-Antonio-Stiftung, die sich gegen Rechtsextremismus engagiert – wertet die „Identitären“ mittlerweile als festen Bestandteil der rechten Szene und als „aktivste rechtsextreme Jugendbewegung in Deutschland“. Es gebe auch Schnittmengen mit der rechtsextremen Partei NPD.

Verfassungsschützer sprechen von einem „modernen und betont jugendaffinen Auftreten“ der Gruppe, die immer wieder auf Stilmittel der Popkultur zurückgreife. Ihre Anhänger geben sich nachdenklich und ernsthaft und suchen in mit dramatischer Musik und pathetischen Bildern unterlegten Youtube-Videos eindringlich Blickkontakt mit dem Betrachter.

Als „Phalanx unserer Generation“ wenden sie sich vor allem an die Jugend: „Wir finden uns nicht damit ab, wie aus großen Kulturen globaler Einheitsbrei wird“, betonen sie. „Die „Identitären“ sind ideologisch gefährlicher, als die Reichsbürger“, sagt Johannes Baldauf von der Amadeu Antonio Stiftung. „Sie haben eine frische popkulturelle Art, sie sind die jungen Wilden des Rechtsextremismus.“


AfD-Patrioten kritisieren Verfassungsschutz

Verfassungsfeindlichkeit weisen die „Identitären“, die bundesweit in etwa 50 bis 70 lokalen Untergruppen organisiert sein sollen, weit von sich. Die Bewegung stehe dafür ein, „die demokratische Verfassungsordnung in Deutschland zu verteidigen“, schrieb sie Ende Mai. Die AfD-Rechten halten die Beobachtung durch den Verfassungsschutz denn auch für inakzeptabel.

„Die Patriotische Plattform weist diese Stigmatisierung von jungen Idealisten, die sich für die Völker Europas einsetzen, zurück“, schreiben die AfD-Aktivisten in einer Mitteilung. Die Beobachtung der „Identitären Bewegung“ sei durch nichts gerechtfertigt. „Der Verfassungsschutz missbraucht seinen Auftrag, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu schützen, um eine aufkeimende patriotische Jugendbewegung zu bekämpfen.“

Die Plattform rät daher den „Identitären“, sich auf dem Gerichtsweg gegen die Beobachtung zu wehren und verspricht zugleich, die Bewegung weiterhin „bei ihrem kreativen und gewaltfreien Kampf gegen das Kartell der Altparteien“ zu unterstützen.

Momentan ruft die Bewegung für den 17. Juni auf Facebook und in einem Videoclip zu einer „Identitären Demo gegen das Unrecht und für unsere Zukunft“ in Berlin auf. Die „Identitären“ gingen zunehmend auf die Straße, warnt Baldauf. „Das ist nicht einfach platte rechtsextreme Propaganda, sondern sehr geschickt aufbereitet“, sagt er. „In den „Identitären“ kann man die Zukunft des Rechtsextremismus sehen.“

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%