Ifo-Ökonom „Ein Scheitern der Grundrente wäre kein Drama“

Andreas Peichl ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität München, und leitet das Ifo-Zentrum für Makroökonomik. Quelle: imago images

Am Abend trifft sich Schwarz-Rot zum Koalitionsausschuss und wiedermal wird über die Grundrente gestritten. Ifo-Ökonom Andreas Peichl ist überzeugt, dass es bessere Alternativen gäbe, um arme Rentner zu unterstützen.

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Beim Streitthema Grundrente ist eine endgültige Einigung zwischen Union und SPD am heutigen Abend eher unwahrscheinlich. Sogar eine Verschiebung des gesamten Projekts wurde zuletzt diskutiert. Manche Kritiker halten ohnehin weiter das gesamte Konzept für die falsche Lösung. So auch Andreas Peichl, Leiter des Ifo-Zentrums für Makroökonomik und Professor für Volkswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

WirtschaftsWoche: Herr Peichl, die Große Koalition streitet gerade zum wiederholten Male über die Grundrente. Wäre ein Scheitern für Sie ein Problem?

Andreas Peichl: Die Grundrente ist ein fauler Kompromiss und nicht zielführend. Der erklärte Zweck ist ja, Armut im Alter zu bekämpfen. Aber genau das wird nicht erreicht. Die Streuverluste sind hoch, es entstehen neuen Gerechtigkeitslücken. Also: Nein, ein Scheitern wäre kein Drama.

Wie sähe denn eine bessere Alternative aus?

Als erstes sollte dringend die Grundsicherung im Alter selbst reformiert werden. Die Grenze, bis zu der Vermögen geschont wird, also nicht aufgezehrt werden muss, sollte steigen. Als zweites wäre es statt der Grundrente klüger gewesen, einen Freibetrag auf die gesetzliche Rente in der Grundsicherung einzuführen. Ähnliches gibt es ja schon bei Riester-Vorsorge. Und die Idee dahinter ist überzeugend: Wer als Rentner Hartz IV beziehen muss, darf garantiert einen Teil seiner Vorsorge behalten. Das wäre der sauberere und klarere Weg gegen Altersarmut gewesen.

Sie gelten als Befürworter einer steuerfinanzierten Basisrente – warum?

Grundrente und Co. sind Operationen am offenen Herzen des bestehenden Systems. Wenn man neu anfangen würde, sollte man sich an Vorbildern im Ausland orientieren. Und die verfügen meistens über eine Basisabsicherung für alle, die komplett aus Steuern finanziert wird. Das würde all die eigenartigen Anreize und Gerechtigkeitsklippen, die die deutsche Grundrente aufweist, umschiffen.

Das wäre also quasi der bedingungslose Sockel?

Genau. Wobei man die Höhe dieses Sockels auch nach Beitragsjahren oder Familienstand variieren könnte. Das ist Sache der Politik. Obendrauf käme dann in jeden Fall ein Beitragsmodell, in dem gilt: Wer mehr einzahlt, bekommt auch mehr raus. Das können Sozialabgaben sein, wie in Deutschland, oder private kapitalgedeckte Vorsorge oder auch eine Mischung aus beidem. Das wäre eine gute Kombination aus Sicherheit und Leistungsgedanken.

An welche Vorbilder jenseits der Grenzen denken Sie da genau?

Vor allem an die Niederlande und die skandinavischen Länder. Da kann man sich eine Menge abschauen – und sei es eben nur langfristig. Österreich, das häufig auch genannt wird, ist in Wahrheit nicht viel besser aufgestellt.

Im März soll die Rentenkommission der Bundesregierung ihre Vorschläge unterbreiten. Was erwarten Sie sich davon?

Nicht sehr viel, um ehrlich zu sein. Wenn die Kommission ihre Arbeit ernst nimmt, wird sie jedoch ein paar relevante Zukunftsfragen beantworten müssen: Wie organisieren wir klug und ausgewogen eine längere Lebensarbeitszeit? Und wie stark soll die Steuerfinanzierung anwachsen, damit der Faktor Arbeit nicht zu teuer wird?


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