IG-Metall-Chef Jörg Hofmann Deutsche wollen mehr Geld und mehr Zeit

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"Digitalisierung muss nicht heißen, dass allein das Kapital profitiert"

Sind künftig digitale Arbeitskämpfe denkbar, bei denen von der IG Metall mobilisierte Crowdworker in den Klick-Streik treten?
Das ist sehr hypothetisch, aber nicht unmöglich. Durch die überragende Rolle der IT in vernetzten Unternehmen wird es künftig zweifellos möglich, mit relativ wenigen Leuten viel Druck auf den Arbeitgeber zu erzeugen. Wenn der IT-Techniker und der Netzwerkadministrator nicht zur Arbeit kommen, hat das gravierende Folgen.

Diese Experten sind aber oft nicht in der Gewerkschaft organisiert. Auch Roboter unterschreiben keine Mitgliedsanträge. Die Macht der IG Metall erodiert.
Roboter unterschreiben keine Mitgliedsanträge – aber die Menschen, auf die es in Zukunft ankommt. Sicher: In der digitalen Arbeitswelt wird die Beschäftigtenstruktur heterogener, und einen Ingenieur oder IT-Spezialisten holen Sie nicht mit der Trillerpfeife in die Gewerkschaft. Aber auch diese wollen verlässliche Regeln und Arbeitsbedingungen, das zeigt unsere Umfrage. Auch diese Klientel will nicht ständig mehr arbeiten als vereinbart – und das oft auch noch unbezahlt. Wir nehmen daher viel Geld in die Hand, um Angebote auch für hoch Qualifizierte zu entwickeln – rund 20 Millionen Euro pro Jahr. Das klappt gut. In keinem anderen Segment steigen unsere Mitgliederzahlen so stark.

Manche Ökonomen und Gewerkschafter fordern eine Robotersteuer, um Rationalisierungsgewinne abzuschöpfen und Digitalisierungsverlierer entschädigen zu können. Halten Sie das für eine gute Idee?
Nein. Digitalisierung muss nicht heißen, dass allein das Kapital profitiert. Das ist auch eine Frage unserer Gestaltungsmacht. Wir dürfen keiner Entwicklung Vorschub leisten, bei der negative Folgen von Produktivitätssprüngen über Sozialtransfers vergesellschaftet werden. Das hilft den Beschäftigten nicht, die ihren Job verlieren. Unser Ansatz ist: Es darf gar nicht erst so weit kommen! Die beste Methode, um Rationalisierungsgewinne abzuschöpfen, ist eine Pflicht der Arbeitgeber zur Weiterbildung ihrer Leute und zur Investition in sichere Jobs und gute Arbeit. Wenn sich die Tarifparteien da auf wirksame Schritte einigen könnten, wäre das allemal besser als neue Steuern und Transfers.

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