IG-Metall-Streikbilanz Produktionsausfälle durch Streik sind nicht aufzuholen

Die IG Metall hat für ihre Tagesstreiks gezielt Betriebe mit hoher Auslastung gewählt. Eine völlig ungerechtfertigte Eskalation, meinen Arbeitgebervertreter.

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Eine halbe Million Beschäftigte hat sich an Tagesstreiks beteiligt. Quelle: imago/ZUMA Press

Berlin Für die IG Metall ist das neue Kampfinstrument ein voller Erfolg: „Die grandiose Beteiligung an den ganztätigen Warnstreiks zeigt: Die Beschäftigten, Mitglieder und Nichtmitglieder stehen hinter unseren Forderungen und sind bereit, mit aller Kraft dafür zu kämpfen“, sagte IG-Metall-Chef Jörg Hofmann am Freitag. „Die Stimmung bei allen ganztägigen Warnstreiks war und ist hervorragend“, ergänzte der Bezirksleiter in Niedersachsen, Thorsten Gröger. Die hohe Beteiligung zeige die Bereitschaft der Metaller, wenn es nötig sei auch in die Konfrontation zu gehen.

Dass diese Konfrontation nötig war, wird von den Unternehmern allerdings vehement bestritten:  „Die Ganztagesstreiks der IG Metall sind für unsere Mitgliedsunternehmen schmerzhaft und bewirken eine erhebliche Störung der Betriebsabläufe“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Metall NRW, Luitwin Mallmann, dem Handelsblatt. „Es ist ein Schaden entstanden, der aus unserer Sicht vermeidbar gewesen wäre.“ Die 24-Stunden-Streiks seien eine völlig ungerechtfertigte Eskalation des nach wie vor laufenden Verhandlungsprozesses.

Die Arbeitgeber werfen der Gewerkschaft vor, die Tagestreiks von langer Hand vorbereitet zu haben und nicht ernsthaft an einer Lösung interessiert gewesen zu sein. Die IG Metall verlangt sechs Prozent mehr Geld bei einer Laufzeit von zwölf Monaten und Möglichkeiten zur Reduzierung der Arbeitszeit auf 28 Wochenstunden. Bestimmte Gruppen wie Schichtarbeiter, pflegende Angehörige oder Eltern junger Kinder sollten einen Teilausgleich für entgangenen Lohn erhalten, was die Arbeitgeber bislang strikt abgelehnt haben.

Nach dem ergebnislosen Scheitern der Tarifgespräche am vergangenen Wochenende und Warnstreiks mit knapp einer Million Teilnehmern hatte die IG Metall ihre Mitglieder in rund 280 Betrieben zur Abstimmung darüber aufgerufen, ob sie das 2015 beschlossene neue Kampfinstrument erproben wollen. Von Mittwoch bis Freitag haben sich nach Gewerkschaftsangaben bundesweit rund eine halbe Million Beschäftigte beteiligt und mit 24-Stunden-Streiks in einzelnen Unternehmen die Produktion zum Erliegen gebracht.

Allein am Freitag standen laut IG Metall in 97 Betrieben die Bänder still. Schwerpunkte bildeten die Automobilindustrie, die Luft- und Raumfahrt- sowie die Werftindustrie. In Baden-Württemberg wurden unter anderem Porsche in Stuttgart-Zuffenhausen und die Daimler-Werke in Stuttgart und Sindelfingen bestreikt. Die Schäden seien wegen möglicher Auswirkungen etwa auf Zulieferer noch nicht abzuschätzen, heißt es dazu vom regionalen Arbeitgeberverband Südwestmetall. Einige Unternehmen hätten aber Probleme gemeldet, fristgerecht zu liefern.

Wichtige Verhandlungen am Wochenende erwartet

Die IG Metall hat für die Tagesstreiks offenbar ganz gezielt Betriebe mit sehr hoher Auslastung ausgewählt. Viele von ihnen haben die möglichen Zusatzschichten für das laufende Jahr schon voll verplant. Es wird deshalb schwer, die durch die Streiks verursachten Produktionsrückstände wieder aufzuholen. Außerdem werden für die Mehrarbeit in der Regel Überstundenzuschläge fällig.

Daimler war gleich in mehreren Bundesländern betroffen. In nordrhein-westfälischen Düsseldorf wurde das Transporterwerk bestreikt. In Niedersachsen ließen mehr als 56.000 Volkswagen-Beschäftigte zeitweise die Arbeit ruhen. Der Autobauer unterliegt nicht dem Flächentarif, sondern hat einen eigenen Haustarifvertrag. In Bayern hat die IG Metall nach eigenen Angaben in 17 Betrieben die Produktion teilweise zum Stillstand gebracht, darunter in den fünf BMW-Werken, bei Audi und bei den Zulieferern Schaeffler und SKF. Im Norden konzentrierte sich die Gewerkschaft auf den Flugzeugbauer Airbus und seine Zulieferer sowie verschiedene Werften.

Nach den dreitägigen 24-Stunden-Streiks kommt wieder Bewegung in den festgefahrenen Konflikt. Gesamtmetall-Präsident Rainer Dulger hatte im Handelsblatt-Interview sein Interesse an einer raschen Einigung betont. „Wir wollen nicht, dass die Betriebe lange stillstehen und die Straßen voller roter Fahnen sind“, sagte er. In Stuttgart hat die Gewerkschaft für Montag Verhandlungsräume reserviert. Es ist wahrscheinlich, dass die Arbeitgeber der IG Metall übers Wochenende Entgegenkommen signalisieren werden.

Für die geforderte Arbeitszeitreduzierung liegt eine Lösung auf dem Tisch, die den Arbeitgebern die Chance lässt, das entgangene Volumen an anderer Stelle durch Mehrarbeit wieder hereinzuholen. Klar ist auch, dass ein Teil der Entgelterhöhung in eine Aufstockung des Urlaubsgelds fließen soll. Eltern oder Metaller mit pflegebedürftigen Angehörigen sollen dann statt des höheren Urlaubsgelds mehr Freizeit wählen können. Strittig ist aber noch, ob nur Schichtarbeiter mit sehr langer Betriebszugehörigkeit in den Genuss der Arbeitszeitverkürzung mit Teillohnausgleich kommen sollen.

Außerdem sorgt das von der Gewerkschaft geforderte Gesamtvolumen des Abschlusses, der aus einer Stufenerhöhung, Einmalzahlungen und der Urlaubsgeldkomponente bestehen soll, noch für Widerstand der Arbeitgeber. Diese hatten insgesamt 6,8 Prozent bei einer Laufzeit von 27 Monaten angeboten. Die IG Metall will aber in einer ersten Stufe der Tariferhöhung, die in die Tabellen eingeht und damit dauerhaft wirkt, auf jeden Fall „eine starke Vier“ vor dem Komma durchsetzen. Die Arbeitgeber hatten hier zuletzt 3,5 Prozent geboten.

Der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Bayerischen Metall- und Elektro-Industrie, Bertram Brossardt, warnt die Gewerkschaft davor, die Unternehmen zu überfordern.

Sollte die IG Metall ihre Entgeltforderung von sechs Prozent für ein Jahr durchsetzen, würde ein Fünftel der bayerischen Metallbetriebe in die Verlustzone rutschen oder eine Nettoumsatzrendite von weniger als zwei Prozent erwirtschaften. Diese Unternehmen könnten dann wichtige Zukunftsinvestitionen, zum Beispiel für die weitere Digitalisierung der Produktion, nicht mehr tätigen, warnte Brossardt: „Ihnen würde die Kraft für Innovationen genommen und Arbeitsplätze könnten nicht dauerhaft gesichert werden. Das kann nicht im Interesse der IG Metall sein.“   

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