Siegmund Chychla sieht das genauso. Das kleine graue Ding auf seinem Schreibtisch sieht aus wie ein handelsüblicher Taschenrechner, doch für Chychla ist es viel mehr, eine Art Lügendetektor, unfehlbar und unbestechlich. Chychla ist einer der Vorsitzenden des Hamburger Mietervereins, und wenn er über Mieten spricht, dann zückt er bei jeder Gelegenheit den Taschenrechner. Die Explosion der Preise beschränke sich auf einige wenige Stadtteile? Chychla schaut kurz auf, tippt Werte aus einem Immobilienportal in seinen Rechner, murmelt ein paar Satzbrocken vor sich hin. Dann ruft er aus: "Da, schauen Sie!" Er streckt den Rechner triumphierend in den Raum. "52 Prozent über dem Mietspiegel, das ist Wucher!"
Die schwarz-gelbe Mietrechtsnovelle will die SPD im Bundesrat deshalb stoppen. Am 1. Februar soll das Gesetz in der Länderkammer beraten werden. In den Vorgesprächen hat die SPD schon viele Änderungsanträge eingespeist. Ihr Ziel ist es, das Gesetz in den Vermittlungsausschuss zu schicken – und dann öffentlichkeitswirksam zu attackieren. "Bezahlbarer Wohnraum darf kein Luxusgut werden", gibt der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD im Bundestag, Thomas Oppermann, als Parole aus.
Bund und Länder haben für Preiserhöhungen gesorgt
Der Immobilienbranche hingegen graut es schon jetzt: "Mithilfe von gedeckelten Mietpreisen wird keine einzige Wohnung zusätzlich gebaut – im Gegenteil", warnt GdW-Chef Axel Gedaschko. In Mitgliedermagazinen der Eigentümerverbände findet sich bereits kühler Rat: Da nach dem Wahlkampf gesetzliches Ungemach zu erwarten sei, sollte von Mieterhöhungen "noch rechtzeitig Gebrauch gemacht werden" – "um die Bewirtschaftung der Immobilie für die Zukunft sicherzustellen".
Dabei verdeckt der parteiübergreifende Aktionismus jenen Teil der Wahrheit, der für die Politik eher unangenehm ist. Denn gerade Bund und Länder haben mit zahlreichen Maßnahmen mit dafür gesorgt, dass die Preise steigen – etwa über Steuern: Bis auf Bayern und Sachsen haben alle Länder in den vergangenen Jahren ihre Grunderwerbsteuer deutlich hochgeschraubt, fünf von ihnen erst noch 2012, zwei weitere zu Anfang dieses Jahres.
Hinzu kommt der Klimaschutz. Immer rigidere Dämmvorgaben, vor allem die Energieeinsparverordnungen (EnEV) 2007 und 2009, trugen zum Preisanstieg für Neubauten seit 2005 um knapp 20 Prozent bei. Derzeit berät die Bundesregierung über eine weitere Novellierung der EnEV. Noch striktere Vorgaben für höhere Dämmqualität und niedrigeren Energiebedarf dürften vor allem eines bedeuten: dass die Mieten noch weiter in die Höhe treiben.