Immobilien Die wahren Ursachen der neuen Wohnungsnot

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52 Prozent über dem Mietspiegel

Welche Fallen im Mietvertrag lauern
Welche Pflichten hat der Mieter?Wohnungen sind so umkämpft wie nie zuvor, wer endlich den heiß ersehnten Mietvertrag ergattert hat ist ein echter Glückspilz. Trotzdem sollte der Mietvertrag nicht sofort in der ersten Euphorie und ohne Check unterschrieben werden. Denn in vielen Verträgen lauern einige Fallen. Oft sind es Kleinigkeiten, die aber viel Ärger bereiten können. Wie sieht es beispielsweise mit den Pflichten des Mieters aus? Wann muss ich die Treppe im Hausflur putzen, wer schippt vor meinem Haus den Schnee weg? Eigentlich sind Hausbesitzer für Derartiges verantwortlich, sie dürfen diese und andere Pflichten aber auf den Mieter übertragen. Das muss aber im Mietvertrag entsprechend festgelegt werden, der Mieter muss das unterschrieben haben. Quelle: zehn.de Quelle: dpa/dpaweb
Klein oder groß?Auch Haustierbesitzer sollten sich ihren Mietvertrag ganz genau ansehen, bevor sie unterschreiben. Denn soll der vierbeinige Liebling mit einziehen, muss das erlaubt sein. Grundsätzlich gehört die Haltung von Kleintieren zu den Standardrechten. Allerdings stellt sich oft die Frage, welche Tiere noch als klein bezeichnet werden dürfen. Gerade bei Katzen ist das oft umstritten, da diese beispielsweise Kratzspuren hinterlassen. Ist Katzenhaltung im Mietvertrag ausdrücklich verboten, darf die geliebte Mieze auch nicht mit einziehen. Gleiches gilt, wenn die Haustierhaltung die Zustimmung des Vermieters vorsieht. Hat der Mieter das Tier einziehen lassen, ohne den Vermieter zu fragen, rechtfertigt das die fristlose Kündigung durch den Vermieter. Quelle: dpa
Starre Fristen adéAuch das Streichen der eigenen vier Wände ist nicht mal eben im Handumdrehen gemacht. Trotzdem enthalten viele Mietverträge genaue Zeitfenster darüber, wann Mieter ihre Wohnung streichen müssen. Bad und Küche alle drei Jahre, Wohn- und Schlafzimmer alle fünf Jahre. Diese starren Fristen sind nach einer entsprechenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht mehr gültig. Schließlich ist die Abnutzung einer Wohnung je nach Mieter unterschiedlich stark zu sehen, ein Raucher sollte beispielsweise öfter renovieren als ein Nichtraucher. Sind die Fristen allerdings mit einem Zusatz wie "falls erforderlich" oder "je nach Zustand" versehen, gelten sie weiterhin. Quelle: obs
Kleinvieh macht auch MistTropfende Wasserhähne, klemmende Türen...kleine Reparaturen fallen oft an. Während bei großen Schäden wie kaputten Fußböden oder Türen klar ist, dass der Vermieter den Handwerker kommen lassen muss, stellt sich bei kleinen Mängeln oft die Frage, wer für den Schaden zahlt. Deshalb enthalten viele Mietverträge eine entsprechende Klausel - der Mieter ist dann verpflichtet, die Kosten für kleine Ausbesserungen zu übernehmen. Etwa 200 Euro im Jahr können da zusammen kommen. Wer eine solche Klausel nicht hat, fährt also auch gut, muss aber mit regelmäßigen kleinen Mietsteigerungen rechnen. Quelle: AP
Nachmessen macht SinnNicht immer stimmt die tatsächliche Größe der Wohnung mit den im Mietvertrag vermerkten Quadratmetern überein. Grundsätzlich gelten hier Abweichungen von zehn Prozent als vertretbar. Ist die Angabe zur Wohnungsgröße im Vertrag allerdings unverbindlich, sind eventuell sogar mehr als zehn Prozent erlaubt. Quelle: AP
Vorsicht bei der StaffelungGrundsätzlich sind Staffelmieten für den Mieter eine feine Sache. Er weiß bereits jetzt, wie seine Miete in den nächsten Jahren steigen wird. In Boom-Zeiten wie diesen, in denen die Mietpreise gerade in gefragten Städten wie Hamburg, München oder Frankfurt in den Himmel schießen, ist das kein Problem. Schwierig wird es erst, wenn die Marktpreise wieder sinken und der Mieter auf seinen steigenden Staffelraten sitzen bleibt. Außerdem sollten Mieter darauf achten, dass mit den Staffelmieten nicht gleichzeitig ein Kündigungsverbot einhergeht. Maximal vier Jahre Kündigungsverzicht können Vermieter von ihren Mietern fordern. Quelle: dpa
Besser doppelt unterschreibenWer zu zweit in eine Wohnung oder ein Haus einzieht, sollte aus eigenem Interesse darauf bestehen, dass beide den Mietvertrag unterschreiben. Denn egal ob Freund, Ehe- oder Lebenspartner: Hat nur einer unterschrieben, steht der andere bei einer plötzlichen Trennung schnell ohne Bleibe auf der Straße. Quelle: dpa

Siegmund Chychla sieht das genauso. Das kleine graue Ding auf seinem Schreibtisch sieht aus wie ein handelsüblicher Taschenrechner, doch für Chychla ist es viel mehr, eine Art Lügendetektor, unfehlbar und unbestechlich. Chychla ist einer der Vorsitzenden des Hamburger Mietervereins, und wenn er über Mieten spricht, dann zückt er bei jeder Gelegenheit den Taschenrechner. Die Explosion der Preise beschränke sich auf einige wenige Stadtteile? Chychla schaut kurz auf, tippt Werte aus einem Immobilienportal in seinen Rechner, murmelt ein paar Satzbrocken vor sich hin. Dann ruft er aus: "Da, schauen Sie!" Er streckt den Rechner triumphierend in den Raum. "52 Prozent über dem Mietspiegel, das ist Wucher!"

Die schwarz-gelbe Mietrechtsnovelle will die SPD im Bundesrat deshalb stoppen. Am 1. Februar soll das Gesetz in der Länderkammer beraten werden. In den Vorgesprächen hat die SPD schon viele Änderungsanträge eingespeist. Ihr Ziel ist es, das Gesetz in den Vermittlungsausschuss zu schicken – und dann öffentlichkeitswirksam zu attackieren. "Bezahlbarer Wohnraum darf kein Luxusgut werden", gibt der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD im Bundestag, Thomas Oppermann, als Parole aus.

Bund und Länder haben für Preiserhöhungen gesorgt

Der Immobilienbranche hingegen graut es schon jetzt: "Mithilfe von gedeckelten Mietpreisen wird keine einzige Wohnung zusätzlich gebaut – im Gegenteil", warnt GdW-Chef Axel Gedaschko. In Mitgliedermagazinen der Eigentümerverbände findet sich bereits kühler Rat: Da nach dem Wahlkampf gesetzliches Ungemach zu erwarten sei, sollte von Mieterhöhungen "noch rechtzeitig Gebrauch gemacht werden" – "um die Bewirtschaftung der Immobilie für die Zukunft sicherzustellen".

Dabei verdeckt der parteiübergreifende Aktionismus jenen Teil der Wahrheit, der für die Politik eher unangenehm ist. Denn gerade Bund und Länder haben mit zahlreichen Maßnahmen mit dafür gesorgt, dass die Preise steigen – etwa über Steuern: Bis auf Bayern und Sachsen haben alle Länder in den vergangenen Jahren ihre Grunderwerbsteuer deutlich hochgeschraubt, fünf von ihnen erst noch 2012, zwei weitere zu Anfang dieses Jahres.

Hinzu kommt der Klimaschutz. Immer rigidere Dämmvorgaben, vor allem die Energieeinsparverordnungen (EnEV) 2007 und 2009, trugen zum Preisanstieg für Neubauten seit 2005 um knapp 20 Prozent bei. Derzeit berät die Bundesregierung über eine weitere Novellierung der EnEV. Noch striktere Vorgaben für höhere Dämmqualität und niedrigeren Energiebedarf dürften vor allem eines bedeuten: dass die Mieten noch weiter in die Höhe treiben.

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