Das schöne Schöneberg ist nur des Schrecklichen Anfang. Jan-Marco Luczak weiß nicht, wann genau es damit anfing, es spielt jetzt auch keine Rolle mehr. Es ist einfach da, das Thema. Im Büro sowieso, aber auch in vielen Gesprächen mit Freunden, mit Bekannten, mit Wählern, er ist ja schließlich vom Fach. Immer geht die gleiche Klage: Alles so schwierig, alles so begehrt. Die Suche – sie dauert. Was da manchmal angeboten wird! Und die Preise – ach, hör doch auf!
Luczak sitzt für die CDU im Deutschen Bundestag, und sein Wahlkreis Tempelhof-Schöneberg wurde vom Wirbel auf dem Wohnungsmarkt erfasst. Berlin, das so gerne eine ganz große Weltmetropole sein möchte, erlebt wenigstens bei den Mietpreisen schon mal den ganz großen Rausch. Arme Hauptstadt, das war einmal: Immobilien kosteten hier Ende 2012 im Schnitt rund 15 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Die Mieten stiegen um neun Prozent. In manchen der gepflegten, ruhigen und gut gelegenen Altbauzüge Schönebergs sind die Preise sogar noch viel extremer geklettert.
Die Wahrheit ist viel härter
Kaum eine Bürgersprechstunde Luczaks vergeht jetzt ohne Fragen und Klagen. Er ist Mietrechtsexperte seiner Fraktion, wann immer er in Talkshows dazu Stellung bezieht, kommen die Briefe. Zum Beispiel jener aus München. Der Absender empört sich darin über Provisionen, die abgezockte Vermieter mittlerweile selbst verlangen, "quasi als kleines Bestechungsentgelt, da ja kein Makler im Spiel war".
Die Wirklichkeit ist viel härter als die Debatten im Parlament. Die einen finden kein Dach überm Kopf, die anderen müssen immer mehr dafür bezahlen. Studenten in Hamburg schlafen in Turnhallen auf Gymnastikmatten, in Nordrhein-Westfalen werden leere Polizeistationen umfunktioniert. Egal, welche Großstadt: Die Mieten steigen seit mehreren Jahren. In München müssen mittlerweile mehr als zwölf Euro pro Quadratmeter kalt bezahlt werden – die Prognosen sagen: Bald sind es mehr als 13. Luczak ist sich sicher: "Das wird ein Wahlkampfthema." Explodierende Mieten und luxuriöse Neubauten, Ärger über Makler und Wohnungsnot, all das hat das Potenzial, im Bundestagswahljahr eine alte soziale Frage neu zu stellen: Was müssen vier Wände kosten, bevor die Politik zur Rettung schreitet?
Parteien streiten um die Mieter
Deutschland ist schließlich – verglichen mit den europäischen Nachbarn – ein Mieterland. Hinter mehr als jeder zweiten Wohnungstür leben potenziell betroffene Wähler, da will sich niemand eine zu ruhige Hand nachsagen lassen. Schwarz-Gelb hat deswegen noch kurz vor Weihnachten eine Mietrechtsnovelle vorgelegt, samt einer im Hauruckverfahren verschärften Preisbremse für Bestandsmieten. Das, sagt Luczak, sei angesichts der Lage in Boombezirken wie seinem "gut und richtig". In den Ländern bereiten SPD-geführte Regierungen über den Bundesrat eigene Mieterschutz-Initiativen vor. Und der sozialdemokratische Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat das Thema zu einem seiner zentralen Wahlkampfschlager auserkoren: Bei Mieten und Wohnen soll die soziale Gerechtigkeit zu ihrem Recht kommen. Und er selbst zu Treffern gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Renaissance der Metropolen
Die Zeit der Regulierung hat also begonnen. Wie konnte es so weit kommen?
Über Jahrzehnte wurde hierzulande die Flucht ins Grüne besungen und gleichzeitig die Zersiedelung der Landschaft gebrandmarkt. Es wurde über den Rückbau der Städte diskutiert, weil Deutschland angeblich schrumpft und vergreist. Plattenbausiedlungen wurden plattgemacht, Parkplätze wichen Parks. Nun aber rollt die Gegenbewegung: Eine Renaissance der Metropolen lockt die Menschen zurück in die Innenstädte, die Zahl der Studenten, die alle eine Bleibe brauchen, ist mit 2,5 Millionen auf einem historischen Höchststand, die der Singles und Alleinerzieher steigt.
Die Bundesrepublik erlebt als Fluchthafen Europas außerdem gerade einen ungeahnten Zustrom von Einwanderern, die hier ihr Glück oder zumindest einen Job, in jedem Fall aber eine Wohnung suchen. Das Resultat der Zeitenwende: Aus rund 39,2 Millionen Haushalten in Deutschland, die die Statistiker noch 2005 zählten, sind heute bereits 40,4 Millionen Haushalte geworden – 2015 könnten es über 41 Millionen sein.
Der Markt ist ausgetrocknet
Alle brauchen sie eine Unterkunft, und das eben dort, wo die Jobs, die Schulen, die Kitas und die Theater sind: in den Städten. In der Provinz verfallen derweil Mieten und Häuser.
Der urbane Mangel hat sich lange angebahnt. Der Markt ist schlicht ausgetrocknet. Nach dem fiebrigen Wende-Boom durchlitt der Wohnungsbau mehr als zehn Jahre Stagnation, der Tiefpunkt war 2009 erreicht. Forschungsinstitute taxieren den jährlichen Neubaubedarf in Deutschland auf 210.000 bis 300.000 Wohnungen. Von solchen Zahlen wurde auf dem Bau viele Jahre nur geträumt. Selbst die vorsichtig-konservativen Experten des Bundesministeriums halten in ihrem jüngsten Immobilienbericht 183.000 neue Wohnungen pro Jahr für notwendig, um den Druck zu lindern – auch davon ist die Baubranche noch ein gutes Stück entfernt (siehe Grafik).
Prognose für Mieten bis 2015
Durchschnittspreis 2012: 10,4 Euro/qm
Preisentwicklung bis 2015: +10,5 Prozent
Quelle: Feri Eurorating Services AG
Durchschnittspreis 2012: 12,6 Euro/qm
Preisentwicklung bis 2015: +9,5 Prozent
Durchschnittspreis 2012: 11,5 Euro/qm
Preisentwicklung bis 2015: +9,3 Prozent
Durchschnittspreis 2012: 6,1 Euro/qm
Preisentwicklung bis 2015: +8,3 Prozent
Durchschnittspreis 2012: 7,5 Euro/qm
Preisentwicklung bis 2015: +8,2 Prozent
Durchschnittspreis 2012: 8,9 Euro/qm
Preisentwicklung bis 2015: +7,7 Prozent
Durchschnittspreis 2012: 7,2 Euro/qm
Preisentwicklung bis 2015: +7,5 Prozent
Durchschnittspreis 2012: 9,4 Euro/qm
Preisentwicklung bis 2015: +7,2 Prozent
Durchschnittspreis 2012: 7,2 Euro/qm
Preisentwicklung bis 2015: +7,1 Prozent
Durchschnittspreis 2012: 9,6 Euro/qm
Preisentwicklung bis 2015: +7,1 Prozent
Durchschnittspreis 2012: 5,7 Euro/qm
Preisentwicklung bis 2015: +7,1 Prozent
Durchschnittspreis 2012: 9,2 Euro/qm
Preisentwicklung bis 2015: +6,9 Prozent
Durchschnittspreis 2012: 8,7 Euro/qm
Preisentwicklung bis 2015: +6,7 Prozent
Durchschnittspreis 2012: 4,9 Euro/qm
Preisentwicklung bis 2015: +5,4 Prozent
Durchschnittspreis 2012: 6,3 Euro/qm
Preisentwicklung bis 2015: +4,5 Prozent
"Es wurde über Jahre zu wenig gebaut"
Maues Angebot trifft auf überbordende Nachfrage: Diese Kollision der Marktkräfte musste irgendwann zu einem hitzigen Häuserkampf führen und zu einem bewegten Erregungszustand dazu: "Aufstand der Mieter", titelte die Zeitschrift des Deutschen Mieterbundes im Dezember. Dazu gab es Bilder aufgebrachter Demonstranten.
Dabei sind sich alle Seiten in der Diagnose durchaus einig. "Eine eklatante Überforderung des Marktes", konstatiert Axel Gedaschko, der Präsident des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW). "Es wurde über viele Jahre viel zu wenig gebaut", klagt auch Mieterbund-Präsident Franz-Georg Rips.
Keiner beachtet die Ursachen
Die Parteien kümmern sich derweil um die Symptome des Ungleichgewichts. Im Wahljahr knöpfen sie sich die Mietpreise vor, nicht die Ursachen. Besonders die CSU setzte sich in der schwarz-gelben Koalition für die Einführung einer Kappungsgrenze in die Mietrechtsnovelle ein, die sich eigentlich vorrangig mit den Belastungen energetischer Sanierungen beschäftigen sollte. Statt 20 Prozent dürfte die Miete bei bestehenden Verträgen dann innerhalb von drei Jahren nur noch um 15 Prozent erhöht werden. Entscheiden sollen das die Kommunen vor Ort.
Ein Schelm, wer dabei an den bayrischen Wahlkampf denkt: München ist das teuerste Pflaster Deutschlands, die CSU muss sich dort eines populären SPD-Spitzenkandidaten, des Münchner Oberbürgermeisters Christian Ude erwehren. Und überhaupt lassen sich die Christsozialen von den Roten nur unter Schmerzen auf der Sozialspur überholen.
SPD fordert massive Eingriffe
Schließlich geht auch die Konkurrenz die Sache mit ordentlichem Pathos an: "Städte sind mehr als Stein und Beton. Sie sind Heimat. Sie geben Halt und Hoffnung", heißt es in einem aktuellen Positionspapier der SPD, das Kanzlerkandidat Peer Steinbrück mitverfasst hat. Konkret schlägt die SPD vor, dass Maklergebühren künftig von den Wohnungseigentümern bezahlt werden sollen. Die Mittel für Städtebau sollen erhöht, Kommunen gestärkt, Genossenschaften gefördert werden. Vor allem aber verschreibt sich die Partei einer plakativen Forderung: der Mietpreisbremse. "Bei Neuvermietungen darf die Miete nicht mehr als zehn Prozent über der örtlichen Vergleichsmiete liegen. Bei Bestandsmieten wollen wir Mieterhöhungen auf maximal 15 Prozent in vier Jahren begrenzen", heißt es in dem Papier.
Die Sozialdemokraten gehen damit noch ein gehöriges Stück weiter als die Regierung. Mancher SPD-Wirtschaftsexperte muss bei dem Gedanken an derartig harsche Markteingriffe etwas kräftiger schlucken. Er halte das Instrument für "verhältnismäßig vernünftig", urteilt etwa SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil. Ausufernde Begeisterung klingt anders.
Ein Thema für Wähler
Aber der Kanzlerkandidat glaubt, hier endlich ein Thema gefunden zu haben, das beim Wähler ankommt. Ein Erlebnis in Hamburg, kurz nach seiner Nominierung, bestärkt Steinbrück in dieser Ansicht. Im Taxi blieb er in einer Demo stecken. Steinbrück stieg aus und fragte: "Was ist hier eigentlich los?" Die jungen Leute auf der Straße erzählten, dass sie für bezahlbaren Wohnraum demonstrierten, dass ihre Mieten viel zu teuer seien und dass es in Hamburg mehr frei stehende Gewerbeflächen als Wohnungen gäbe. Steinbrücks Fazit: "Das brennt vielen Menschen unter den Nägeln."
52 Prozent über dem Mietspiegel
Siegmund Chychla sieht das genauso. Das kleine graue Ding auf seinem Schreibtisch sieht aus wie ein handelsüblicher Taschenrechner, doch für Chychla ist es viel mehr, eine Art Lügendetektor, unfehlbar und unbestechlich. Chychla ist einer der Vorsitzenden des Hamburger Mietervereins, und wenn er über Mieten spricht, dann zückt er bei jeder Gelegenheit den Taschenrechner. Die Explosion der Preise beschränke sich auf einige wenige Stadtteile? Chychla schaut kurz auf, tippt Werte aus einem Immobilienportal in seinen Rechner, murmelt ein paar Satzbrocken vor sich hin. Dann ruft er aus: "Da, schauen Sie!" Er streckt den Rechner triumphierend in den Raum. "52 Prozent über dem Mietspiegel, das ist Wucher!"
Die schwarz-gelbe Mietrechtsnovelle will die SPD im Bundesrat deshalb stoppen. Am 1. Februar soll das Gesetz in der Länderkammer beraten werden. In den Vorgesprächen hat die SPD schon viele Änderungsanträge eingespeist. Ihr Ziel ist es, das Gesetz in den Vermittlungsausschuss zu schicken – und dann öffentlichkeitswirksam zu attackieren. "Bezahlbarer Wohnraum darf kein Luxusgut werden", gibt der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD im Bundestag, Thomas Oppermann, als Parole aus.
Bund und Länder haben für Preiserhöhungen gesorgt
Der Immobilienbranche hingegen graut es schon jetzt: "Mithilfe von gedeckelten Mietpreisen wird keine einzige Wohnung zusätzlich gebaut – im Gegenteil", warnt GdW-Chef Axel Gedaschko. In Mitgliedermagazinen der Eigentümerverbände findet sich bereits kühler Rat: Da nach dem Wahlkampf gesetzliches Ungemach zu erwarten sei, sollte von Mieterhöhungen "noch rechtzeitig Gebrauch gemacht werden" – "um die Bewirtschaftung der Immobilie für die Zukunft sicherzustellen".
Dabei verdeckt der parteiübergreifende Aktionismus jenen Teil der Wahrheit, der für die Politik eher unangenehm ist. Denn gerade Bund und Länder haben mit zahlreichen Maßnahmen mit dafür gesorgt, dass die Preise steigen – etwa über Steuern: Bis auf Bayern und Sachsen haben alle Länder in den vergangenen Jahren ihre Grunderwerbsteuer deutlich hochgeschraubt, fünf von ihnen erst noch 2012, zwei weitere zu Anfang dieses Jahres.
Hinzu kommt der Klimaschutz. Immer rigidere Dämmvorgaben, vor allem die Energieeinsparverordnungen (EnEV) 2007 und 2009, trugen zum Preisanstieg für Neubauten seit 2005 um knapp 20 Prozent bei. Derzeit berät die Bundesregierung über eine weitere Novellierung der EnEV. Noch striktere Vorgaben für höhere Dämmqualität und niedrigeren Energiebedarf dürften vor allem eines bedeuten: dass die Mieten noch weiter in die Höhe treiben.
Platz wird für Gewerbe reserviert
Ein buchstäblich hausgemachtes Dilemma für den Bund: Der Erfolg der Energiewende entscheidet sich nicht zuletzt bei Immobilien. Doch die zugehörigen Gesetze schlagen mit Verzug durch auf die Mieten und schaffen neue Probleme.
Auch dass Regierung und Opposition gemeinsam nach langen Diskussionen 2004 die Eigenheimzulage gestrichen haben, hat den Neubau von Familienhäuschen nicht gerade angefacht. Nun zeigen sich die Folgen.
Schließlich wäre da noch ein weiteres Versagen vor allem auf der lokalen Ebene. Zu lange haben Städte nur zögerlich Bauland ausgewiesen. Lieber warteten sie, um möglichst viel Platz für Gewerbe zu reservieren. Gebraucht wurde anderes.
Vorbild Hamburg
Die langjährige Angebotsmisere hat mit dieser Melange zu tun. Wer erschwingliche Mieten befördern will, muss umdenken, muss bauen und neue Wege in der Stadtentwicklung gehen. So wie in Hamburg, wo das Thema schon 2011 den Wahlkampf dominierte. "Die Debatte über Mietpreise war aus meiner Sicht für den Wahlerfolg der SPD in Hamburg ganz maßgeblich", sagt Jutta Blankau, Bausenatorin der Hansestadt und zuletzt auch in der Berliner SPD-Bundestagsfraktion oft gesehener Gast. Denn seit dem Wahlerfolg hat sie an der Elbe manches von dem umgesetzt, wofür die Partei jetzt bundesweit kämpfen will. Die Genossen sprechen bereits von einem "Hamburger Modell".
Versprochen hatte die Partei im Wahlkampf, man werde dafür sorgen, dass in der Stadt jährlich 6000 neue Mietwohnungen in mittleren Preisklassen entstünden; in den Jahren davor waren es je nur rund 1000 gewesen. Um die Preisentwicklung zu beeinflussen, setzt Blankau auf ein Quotenmodell und die wiedererweckte Dynamik des privaten Marktes: Von allen neu entstehenden Wohnungen müssen mindestens 30 Prozent Sozialwohnungen sein.
Nicht der Preis, sondern das Konzept gewinnt
Diese Relation muss zwar nicht bei jedem einzelnen Bauprojekt eingehalten werden, für jede Wohnanlage mit mehr als 20 Einheiten aber ist der Bau von Sozialapartments Pflicht. Die Quote selbst wird auf Ebene der Bezirke überwacht. Zudem nimmt die Stadt viel Geld in die Hand, um Investitionsanreize zu schaffen. Einerseits werden beinahe zinsfreie Kredite im Umfang von insgesamt rund 100 Millionen Euro an private Bauträger verteilt. Zum anderen werden Grundstücke nicht mehr meistbietend verkauft, sondern über "Konzeptausschreibungen". Je höher der soziale Anteil einer Investition, desto weiter kommt die Stadt beim Preis entgegen.
Investoren stehen in Hamburg Schlange
Damit stärkt die Stadtverwaltung vor allem die kommunale Wohnungsbaugesellschaft, ein Akteur, auf den viele Sozialdemokraten bei der Deckelung der Mietpreise schwören. "Seit es diese Auflagen gibt, kommen freie Investoren von sich aus auf uns zu", sagt Willi Hoppenstedt, sichtlich verdutzt. Hoppenstedt ist Vorstandsmitglied der Saga-GWG. Das Wohnungsunternehmen gehört der Stadt und besitzt in Hamburg gut 130 000 Bleiben, das sind rund 20 Prozent des Mietwohnungsmarktes. Kurz nach der Senatswahl hat die Stadt die Saga darauf verpflichtet, mindestens 1000 neue Wohnungen pro Jahr zu bauen – 1000 mehr als in den Jahren zuvor. "Städte ohne ein kommunales Wohnungsbauunternehmen können weniger schnell reagieren, wenn es Probleme gibt", sagt die Senatorin.
Wohnungsinvestoren, die am schnell wachsenden Hamburger Markt inzwischen Schlange stehen, haben flugs verinnerlicht, was das für sie bedeutet: Wer in der Stadt Geschäfte machen will, der holt sich am besten die Saga mit ins Boot. "Es gibt inzwischen eine ganze Reihe von Projekten, wo wir das Grundstück mit einem Investor aufgeteilt haben", erzählt Hoppenstedt, "auf dem einen Teil bauen wir Sozialwohnungen, auf dem anderen Teil entstehen höherpreisige Gebäude."
Effekte erst in zwei Jahren
Für die Bausenatorin liegt in dieser Kombination der Schlüssel zu einer erfolgreichen Wohnungspolitik. "So gelingt es, private Investitionen anzustoßen und gleichzeitig soziale Ziele zu verwirklichen", sagt Blankau. Noch allerdings sind das eher Hoffnungen als Gewissheiten. Im vergangenen Jahr sind die Hamburger Mieten trotz allem erneut stärker gestiegen als im Jahr zuvor. Die Senatorin selbst rechnet "frühestens in zwei Jahren" mit einem sichtbaren Effekt.
Um die Dynamik noch weiter zu beschleunigen, will die Senatorin deshalb an den Bestand ran. Im Stadtentwicklungsausschuss hat man sich darauf geeinigt, die Meldepflicht für Wohnungsleerstände zu verschärfen und die Zweckentfremdung schärfer zu ahnden. Abschreckendes Beispiel ist in diesem Fall Berlin: Innerhalb des S-Bahn-Rings existieren dort inzwischen mehr als 12 000 Ferienwohnungen in ehemaligen Mieträumen. Ob diese Zweckentfremdungen genehmigt sind oder nicht, spielt meist keine Rolle mehr: Ein Großteil der Wohnungen genießt längst Bestandsschutz.
Berlins oberster Makler
Doch auch in der Hauptstadt beginnt inzwischen ein Umdenken, so wie in vielen deutschen Rathäusern, wenn es um die eigene Wohnungspolitik geht. Der Mann, der Berlin erst reicher machen sollte und nun sozialer, residiert ausgerechnet auf einem der meistumkämpften Gentrifizierungs-Schlachtfelder Berlins: an der Grenze zwischen Friedrichshain und Kreuzberg, mit Blick auf Spreeufer und Alex. Holger Lippmann ist Geschäftsführer des Liegenschaftsfonds Berlin, Herr über rund 4500 landeseigene Grundstücke und Immobilien und damit sozusagen Berlins oberster Makler.
4,90 den Quadratmeter
Ausnahmslos Freunde macht er sich in dieser Funktion nicht. Seit 2001 verkauft der Fonds Eigentum Berlins, das nicht mehr benötigt wird. Etwa 2,5 Milliarden Euro hat das klamme Land damit bis heute eingenommen. Nur etwa jedes vierte Objekt geht dabei in ein Bieterverfahren, um durch den Wettbewerb der Investoren den maximalen Preis für die Stadt herauszuschlagen. Vergangenes Jahr etwa hat Lippmann per Auktion ein Hafen-Areal direkt im Schatten des Hauptbahnhofs verkauft. Es sind aber genau diese wenigen, dafür umso teureren Filetstücke in bester Lage, deretwegen Kritiker Lippmann als herzlosen Preismaximierer bezichtigen, als Verkäufer ohne soziales Gespür. "Dabei", sagt er, "sind wir Stadtgestalter."
Stolz erzählt Lippmann, dass eine Genossenschaft auf einem ehemaligen Liegenschaftsgrundstück heute Wohnungen für 4,90 Euro den Quadratmeter anbietet. Aber immer muss er abwägen: zwischen der gebotenen Haushaltskonsolidierung und dem ebenso gebotenen Bedarf an günstigem Wohnraum, zwischen Baureserven für Kitas und Schulen – und Raum für Unternehmensansiedelungen und Kulturprojekte.
Neues Ziel Stadtrendite
In Zukunft will der rot-schwarze Senat die Maxime des maximalen Preises abschwächen – zugunsten einer "neuen Liegenschaftspolitik", die besonders zusätzlichem, erschwinglichem Wohnraum zugutekommen soll. Der Fonds sei "Dienstleister", sagt Lippmann. Er verspricht: "Wenn der Senat sozialen Zielen wie dem Wohnungsbau Vorrang einräumen will, dann werden wir in Zukunft mehr Objekte direkt und zum Verkehrswert vergeben. Auch in 1a-Lagen." Mit diesen zog Lippmann bisher dann doch bevorzugt in die Bieterschlacht.
Stadtrendite heißt das neue Schlagwort: So sollen die Grundstücke, die sich für den Geschoss-Wohnungsbau eignen, zuerst den Wohnungsbaugesellschaften angeboten werden, auch um Genossenschaften will man sich stärker bemühen. Konzeptwettbewerbe will der Berliner Fonds ähnlich wie in Hamburg häufiger als bisher nutzen: Dann sollen Ideen und Kreativität mindestens so entscheidend für den Zuschlag sein wie die Höhe des Gebots.
In der Hansestadt wird Jutta Blankau jetzt selbst Zeugin davon, was passiert, wenn um einen herum die Preise durch die Decke gehen. Im Sommer muss die Senatorin mit ihrer Verwaltung aus der Innenstadt in das triste Arbeiterviertel Wilhelmsburg südlich der Elbe ziehen. Noch unter ihrem Vorgänger war das Gebäude der Bauverwaltung an einen Investor verkauft worden.
Der macht jetzt ein Einkaufszentrum daraus.