Immobilien Mehr Neubauten, mehr Steuervorteile, mehr Eigenheim

In Deutschland werden wieder so viele Wohnungen gebaut wie seit Jahren nicht. Aber das reicht noch nicht, da sind sich Politiker und Immobilienwirtschaft einig – und fordern staatliche Mittel. Aber wofür?

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Wohnen in Deutschland 2045

Käufer und Mieter haben es in Ballungsgebieten schwer, wenn das Budget fürs Wohnen begrenzt ist. Wohnraum ist dort knapp, zugleich steigt der Bedarf durch Landflucht und Flüchtlingsstrom, und damit Mieten und Immobilienpreise.
Seit Jahren fordern Experten, Verbände und Politik daher, den Wohnungsneubau zu forcieren.

Neue Zahlen wecken zumindest Hoffnung auf allmähliche Besserung: Der Wohnungsbau in Deutschland boomt wie seit fast einem Jahrzehnt nicht mehr. Allerdings bleibt er weit hinter dem vorausgesagten Bedarf zurück. 2015 seien 247.700 Wohnungen fertiggestellt worden - ein Prozent oder 2400 Wohnungen mehr als ein Jahr zuvor, teilte das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mit. "Die 2011 begonnene positive Entwicklung setzte sich somit auch im Jahr 2015 fort" erklärten die Statistiker. "Eine höhere Zahl an fertiggestellten Wohnungen hatte es zuletzt 2006 gegeben." Damals waren es 255.600.

In diesen Großstädten ist Wohnen besonders teuer
Wohnen in Großstädten ist teurer geworden Quelle: dpa
Mietkostenanstieg Quelle: dpa
Berlin mit enormer Mietkostensteigerung Quelle: REUTERS
Preissteigerungen im mittleren Wohnwert Quelle: dpa
Duisburg und Bochum mit günstigen Mieten Quelle: dpa
Durchschnittliche Kaltmieten im Städtevergleich Quelle: dpa
Durchschnittskosten für Großstadt-Quadratmeter Quelle: dapd

Vor allem in Mehrfamilienhäusern entstanden neue Wohnungen, während weniger Ein- und Zweifamilienhäuser fertig wurden. Auch in bereits bestehenden Gebäuden wurden noch 27.525 neue Wohngelegenheiten gebaut. Das war ein Zuwachs von zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Bedarf steigt schnell, Angebot nur langsam

Trotzdem ist das noch immer zu wenig. Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) und die Immobilienwirtschaft gehen davon aus, dass bis 2020 jedes Jahr 350.000 bis 400.000 neue Wohnungen erforderlich sind, um den erhöhten Bedarf zu decken. Zur Förderung des Mietwohnungsbaus plant die Bundesregierung daher Vergünstigungen bei der Steuer in Milliardenhöhe. Im Bundestag kommt dieses Vorhaben jedoch nicht voran.

Hendricks will die im Bundestag auf Eis liegenden Steueranreize für den Mietwohnungsbau retten. Die SPD-Politikerin rief am Donnerstag in Berlin ihre Fraktion im Bundestag auf, die Forderung nach einer Mietobergrenze für die geförderten Wohnungen zurückzunehmen. Die Unions-Fraktion solle im Gegenzug einer Verringerung der Förderhöchst- und Kappungsgrenzen zustimmen.

Zwei Drittel der Kosten steuermindernd

Die Bundesregierung erhofft sich davon den Bau von mindestens 50.000 Wohnungen zusätzlich. Im Bundestag konnten sich Finanzpolitiker der Koalition bisher aber nicht einigen. Gefördert werden laut Gesetzentwurf Neubauten mit Baukosten von bis zu 3000 Euro pro Quadratmeter, wovon bis zu 2000 Euro steuermindernd geltend gemacht werden könnten.

Hendricks bot als Kompromiss den Ländervorschlag von 2600 Euro als Kappungs- und 1800 Euro als Förderhöchstgrenze an. Für den Gesetzentwurf sei ohnehin die Zustimmung der Länder im Bundesrat erforderlich, sagte Hendricks. Daher sei es sinnvoll, den Vorschlag bereits im Bundestag aufzugreifen. Die von der SPD-Fraktion geforderte Mietobergrenze sei in der Praxis nicht durchsetzungsfähig, weil es sich um ein Steuergesetz handele, das von den Finanzämtern umgesetzt werden müsse.

Von den Grünen kam scharfe Kritik. Durch eine Sonderabschreibung sollen Investoren 29 Prozent der Baukosten bei der Steuer absetzen können. Laut Gesetzentwurf kostet dies den Steuerzahler mindestens 2,15 Milliarden Euro.

Vor dem Hintergrund der derzeitigen Diskussion um die Ausgestaltung der Sonder-AfA sagte Andreas Ibel, Präsident des BFW Bundesverbandes Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen: „Nur mit der vom Bundeskabinett vorgeschlagenen Ausgestaltung des Gesetzes hat die Politik jetzt die Chance, die Sonderabschreibung zu einem echten Investitionsanreiz zu machen. Hierfür müsste das Förderinstrument jedoch auch auf den Neubau von selbstgenutztem Eigentum ausgeweitet werden. Alles andere wäre zu kurz gesprungen und würde zentrale Akteure, die zum Neubau der jährlich benötigten 400.000 Wohnungen beitragen können, ausschließen.“

Sozialen Wohnungsbau oder Einfamilienhaus fördern?

Aus der Wohnungswirtschaft wurde die Forderung nach einer besseren Förderung des Wohnungsneubaus laut. Das Verbändebündnis Wohnungsbau, in dem sich Organisationen wie der Deutsche Mieterbund und Spitzenverbände der Wohnungs- und Bauwirtschaft zusammengeschlossen haben, rief Bund und Länder zu größeren Investitionen in den sozialen Wohnungsbau auf. Notwendig sei der Bau von jährlich 80.000 Sozialwohnungen und von weiteren 60.000 Wohnungen im mittleren Preisbereich. Dafür seien drei Milliarden Euro jährlich erforderlich. Die Länder seien aufgefordert, die vom Bund ab 2017 zugesagten 1,5 Milliarden Euro entsprechend zu verdoppeln.

Andere Interessensgruppen argumentieren hingegen zugunsten einer stärkeren Förderung von Eigenheim-Neubauten. „Jetzt zeigen sich die Folgen der einseitigen Förderung des Mietwohnungsbaus durch die Bundesregierung: Der Neubau von Wohneigentum in Deutschland droht weiter an Fahrt zu verlieren“, sagt Ibel und verwies auf den Rückgang der Baufertigstellungen von Ein- und Zweifamilienhäusern (minus 3,7 Prozent beziehungweise minus 4,6 Prozent).

Laut Ibel ist das ein Alarmsignal. Weil Bauherren beim Einzug in das Eigenheim oftmals günstige Mietwohnungen wieder dem Markt zuführen, verbessert Studien zufolge jedes neu gebaute Eigenheim die Wohnsituation von mehr als drei Haushalten. Über diese Umzugsketten profitieren auch Menschen mit geringem Einkommen von frei werdenden bezahlbaren Wohnungen.

Förderfokus umstritten

Zwischen den Fraktionen der Regierungsparteien herrscht aber noch Uneinigkeit.

"Von zwei strittigen Punkten kriegt der Eine das Eine und der Andere das Andere - so macht man Kompromisse", rief Hendricks die Fraktionen von Union und SPD auf. "Ich hoffe, das hilft." Grünen-Steuerexpertin Lisa Paus dagegen erklärte: "Genau andersherum würde ein Schuh daraus. Ohne Mietobergrenze ist diese Sonderabschreibung nur ein Geschenk an die Immobilienwirtschaft." Nur eine Mietendeckelung könne sichern, dass die geförderten Wohnungen günstig vermietet würden.

Zudem will die Bundesregierung Wohnbauprojekte für Ein-Personen-Haushalte unterstützen und hat Fördermittel von 120 Millionen Euro für den Baus von Wohnungen für Studenten und Auszubildende angeboten. Wer Wohnungen von einer Größe zwischen 22 und 24 Quadratmeter baut und zusichert, dafür nicht mehr als 260 Euro Kaltmiete pro Monat zu verlangen, kann danach eine Förderung von maximal 500 Euro pro Quadratmeter erhalten.

Eine weitere Voraussetzung: Die Wohnungen müssen so flexibel gebaut sein, dass man sie später auch für andere Zwecke nutzen kann, zum Beispiel als Seniorenwohnungen. Laut Hendricks haben sich bislang nicht viele Investoren gemeldet, um von dieser Förderung zu profitieren.

Sozialer Wohnungsbau – besser gemeinsam von Bund und Ländern

Um dauerhaft mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, strebt Hendricks darüber hinaus eine Grundgesetzänderung an. Die Mittel für den sozialen Wohnungsbau, die seit der Föderalismusreform vom Bund an die Länder gehen, sollten ihrer Ansicht nach auch über 2019 hinaus fließen. Allerdings sollten die Länder ihrer Ansicht nach nicht nach eigenem Gutdünken darüber verfügen, sondern in „gemeinsamer Verantwortung“ mit dem Bund. Die Zuständigkeit des Bundes für den sozialen Wohnungsbau war mit der Föderalismusreform abgeschafft worden.

In vielen Großstädten lässt sich der Wohnungsmangel nach Einschätzung der Branchenverbände allerdings erst dann beheben, wenn auch wieder mehr günstiges Bauland zur Verfügung steht. Dies sei der „Flaschenhals für mehr Wohnungsbau in Deutschland“, sagte Ibel vom BFW.

Bundesbauministerin Hendricks hatte zuletzt mehrfach betont, der Bund habe in den vergangenen Monaten - gerade auch für den Bau von Flüchtlingsunterkünften - in großem Umfang Bauland ausgewiesen. Die Länder und Kommunen müssten nun diesem Beispiel folgen und zügig Flächen für den bezahlbaren Wohnungsbau zur Verfügung stellen.

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