Dass Herrscher an der Macht hängen, ist menschlich. Dass sie nicht kampflos gehen, ist verständlich. Doch Syriens Machthaber überrascht darin, wie weit er zu gehen bereit ist. Gerade einer wie Baschar al-Assad, der Syrien endlich ans World Wide Web bringen, die Planwirtschaft in die Globalisierung führen wollte. Von seinem begonnenen Facharzt für Augenmedizin in Großbritannien brachte er seine Ehefrau mit: eine in England aufgewachsene Finanzanalystin. Schillernd, modern, westlich angehaucht schien das neue Herrscherpaar, es ließ sich in Lifestyle-Flaggschiffen wie der „Vogue“ feiern.
Doch der Arabische Frühlingmachte aus dem blassen Medizinstudenten den Schlächter von Syrien. Unter dem Eindruck des politischen Chaos in Libyen und Ägypten wählte er den Weg nach vorn – und begann, sein eigenes Volk auszurotten. Mit Giftgas und mit Splitterbomben, alles Waffen, die in der Kriegsführung seit Jahren geächtet sind. Er überlässt große Teile des Landes der marodierenden Terrormiliz IS und bombardiert Krankenhäuser und freiwillige Helfer, worüber Assads Diplomaten nur lachen. Eine glanzvolle Stadt wie Aleppo ist nach monatelangen Bombardierungen komplett zerstört. Mit seiner von Russland und dem Iran unterstützten Kriegsmaschinerie ist er bis heute für 300.000 Tote und elf Millionen Flüchtlinge verantwortlich.
Und es geht immer noch schlimmer: Seit vergangener Woche setzen syrische und russische Truppen die gefürchteten Mehrfachraketenwerfer TOS-1A ein, eine Waffe „eine Stufe unter der Atombombe“, wie westliche Diplomaten sagen. Eine Raketensalve errichtet eine Art Brandglocke mit einem Radius von 200 Metern. Feuer und Druck darunter zerstören alles, die Wucht bringt sogar Schutzbunker zum Einsturz. Und solange Russland Assad nicht fallen lässt, muss der Rest der Welt, allen voran die Uno, mit ihm verhandeln. Mit einem Mann, der nicht einmal zugeben will, dass sein Land sich im Bürgerkrieg befindet.
Dieser Artikel ist in der aktuellen Syrien-Sonderausgabe der „Handelsblatt10“ erschienen, die heute exklusiv kostenlos verfügbar ist. Die Smartphone-App ist für die Betriebssysteme iOS und Android verfügbar und kostet normalerweise 1,99 Euro pro Monat. Wenn Ihnen dieser Artikel gefallen hat, finden Apple-Nutzer weitere Artikel hier. Für Android-User gibt es die Handelsblatt10-App an dieser Stelle.