
Droht Europas größter Exportnation der Verkehrskollaps?
Risse im Beton, drei Monate Vollsperrung für Lastwagen mit mehr als 3,5 Tonnen Gesamtgewicht. 15.000 Lkws pro Tag mussten die A1-Autobahnbrücke bei Leverkusen weiträumig umfahren. Volkswirtschaftlicher Schaden: 60 bis 80 Millionen Euro, so eine Studie – durch Zeitverlust, höhere Betriebs- und Kraftstoffkosten, Unfälle und Lärm.
Auch auf der A7 in Schleswig-Holstein und der A45 in Hessen wurden Brücken von einem auf den anderen Tag gesperrt. Deutschlands Verkehrsinfrastruktur, bislang eine sichere Basis für den Standortwettbewerb mit den europäische Nachbarn, kommt ins Alter. Die Hälfte der bundesweit 39.000 Straßenbrücken wurde vor 1980 gebaut. Das Durchschnittsalter der Eisenbahnbrücken liegt bei 56 Jahren. Seit Jahren schon geizt der Staat mit Ausgaben für Straßen, Schienen und Wasserkanäle. Deutschland fährt auf Verschleiß.
Auf sieben Milliarden Euro beziffert eine Expertenkommission unter Leitung des ehemaligen Verkehrsministers Karl-Heinz Daehre (CDU) aus Sachsen-Anhalt den jährlichen Zusatzbedarf, um Autobahnen und kommunale Straßen sowie Schienen und Wasserkanäle auf Vordermann zu bringen und Lücken zu schließen. Doch woher soll das Geld kommen?
Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) erneuert im Interview mit der WirtschaftsWoche die CSU-Forderung nach einer Pkw-Maut. „Ohne Nutzerfinanzierung geht es mittelfristig nicht“, sagt er. „Wir brauchen zusätzliches Geld.“ Derzeit investiert der Bund rund zehn Milliarden Euro pro Jahr in Ausbau, Neubau und Sanierung der Verkehrsinfrastruktur. Allein für die Bundesstraßen seien zusätzliche 2,5 Milliarden pro Jahr erforderlich, so Ramsauer, aber nur die Hälfte davon könne der Bund sich auch leisten.
Industriepolitik: Die Pläne der CDU/CSU
Straßenausbau wird besonders betont und erhält 25 Milliarden Euro bis 2017. Erhalt geht vor Neubau. Öffentlich-private Partnerschaften stärken. Luftverkehrsteuer könnte abgeschafft werden.
Schutz der Industrie vor hohen Strompreisen. Bau neuer und effizienter Kohle- und Gaskraftwerke als Reservekapazität. Auch Braunkohle kann Beitrag leisten. Fracking möglich, wenn Gefahren ausgeschlossen. Erdkabel in Wohnnähe, wenn Kosten und Nutzen in Einklang. Energiekonzerne bleiben wichtig.
Frühzeitige Einbindung der Bürger bei Stromtrassen vor Ort. Bürger sollen Anteile am Stromnetz erwerben und „Bürgerdividende“ erhalten.
Keine wesentlichen Änderungen geplant. Einführung von Vermögensteuer wird abgelehnt.
Anteil am BIP steigern, etwa über steuerliche Forschungsförderung. Wagniskapital für Startups. Nein zu Embryonenforschung.
Union stellt sich vor Konzerne und Großindustrie. Moralische Bedenken bremsen Forschungsfreiheit.
Dass die Infrastruktur mehr Geld braucht, darüber sind sich die politischen Parteien weitgehend einig. Doch das allein reicht nicht. Es geht auch darum, die Mittel effizient einzusetzen. Mühsam setzt sich die Erkenntnis durch, dass Erhalt vor Neubau geht. Noch immer werden Ortsumgehungen mit einer anfänglichen Investition von vielleicht nur einigen Millionen Euro auf den Weg gebracht, deren Weiterbau in den Folgejahren aber ein Vielfaches an Mitteln bindet.
Die Chance für einen radikalen Schwenk in der Investitionsstrategie stehen gut. Das Bundesverkehrsministerium entschlackt derzeit den Bundesverkehrswegeplan, der ab 2015 den alten Investitionsplan ersetzt. In ihm befinden sich sämtliche Verkehrsprojekte, die der Bund bis 2030 finanziert. Der Bund priorisiert die Projekte, die die Länder anmelden. Bayern und Sachsen-Anhalt etwa kippen alle Landesvorhaben hinein, Hamburg und Baden-Württemberg treffen eine Vorauswahl. Eine Wünsch-dir-was-Liste der Länder soll es künftig nicht mehr geben.