Industriepolitik Gefahr für den Standort Deutschland

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Kann Deutschland noch Großprojekte?

2014 geht es los: Bis zu zehn Maschinen pro Tag; der Teilbetrieb des neuen Hauptstadtflughafens soll Abläufe testen, damit sich Mitarbeiter so auch „mental“ auf ihren neuen Arbeitsplatz einstellen können, sagt Chef Hartmut Mehdorn. BER bleibt eine Lachnummer.

Mein Flughafen, mein Bahnhof, meine Oper – das Begehren der Politik nach Prestigeprojekten endet allzu oft in teuren Scherbenhaufen – den Kehraus übernimmt der Steuerzahler. Mehr als vier Milliarden Euro wird der Airport BER kosten, ein Plus von 50 Prozent. Auch beim Bahnhof Stuttgart 21, der Elbphilharmonie in Hamburg, dem City-Tunnel in Leipzig und der Nord-Süd-Stadtbahn in Köln explodieren die Kosten. Nur diese fünf Projekte liegen rund sieben Milliarden Euro über Plan.

Deutschland ist dabei, sein Image als sorgfältiger Bauherr zu verbuddeln. Die Bauindustrie „wird langfristig darunter leiden“, sagt Klaus Grewe. Der Deutsche arbeitet für die Bauberatung Jacobs in London, die acht Milliarden Euro umsetzt. Grewe verantwortete den Bau der Olympischen Sportstätten in London 2012. Die wurden fünf Monate früher fertig und rund eine Milliarde Euro billiger als geplant. Warum geht so etwas bei uns im Lande nicht?

Deutschlands einstürzende Neubauten haben eines gemein: „die fehlende Planung“, so Grewe. Beim Bau von Londons Sportstätten kalkulierte sein Team 14.000 Risiken. Wenn eine Wasserleitung unter 50 denkmalgeschützten Gebäuden verläuft, seien dies 50 Risiken. „Da entstehen schnell hohe Gesamtkosten für ein Projekt.“ In Deutschland würden Risiken „nicht in dieser Tiefe“ errechnet.

Industriepolitik: die Pläne der SPD

So lassen sich politische Projekte wie S21 auch besser durchsetzen. Mit mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung wollen die Parteien weiteren Blamagen vorbeugen – die SPD will die Menschen an Großprojekten sogar finanziell beteiligen (siehe Kurztextgalerie). Aus Verzweiflung über den neu-deutschen Dilettantismus setzte Ramsauer eine Reformkommission Großprojekte ein, die bis 2014 Lösungen erarbeitet. Auch Grewe ist dabei. „In Deutschland wird künftig realistischer gebaut“, hofft er, nicht preiswerter, „aber den Steuerzahlern wird reiner Wein eingeschenkt“.

Das bedeutet auch Neuland für die Bürger. „Stellen Sie sich vor, die Stadt Hamburg will ein Gelände in Altona zu einem neuartigen Viertel umbauen“, so Grewe. Das Grundstück werde gekauft, Berater errechneten die Baukosten. Monatelang geschehe auf dem Grundstück nichts. „Im Extremfall fallen die prognostizierten Baukosten dann so hoch aus, dass die Stadt nicht baut.“ Die Beratung bekäme trotzdem „zig Millionen“. „Das erfordert einen Kulturwandel“, sagt Grewe.

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