Industriepolitik Gefahr für den Standort Deutschland

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Verschenkt Deutschland seine Chancen in der IT?

Eigentlich war die elektronische Gesundheitskarte beschlossene Sache. Doch seit elf Jahren torpedieren Ärzte erfolgreich das Versichertenkärtchen, das neben Personalien auch Diagnosen, Befunde, Röntgenbilder und Verschreibungen speichern würde. Diagnosen könnten so erleichtert, Doppeluntersuchungen begrenzt werden. Doch die Mediziner fürchten den Wettbewerb.

Träge und mutlos beugt sich die Politik dem Lobbydruck. In Dänemark, Österreich und Frankreich funktioniert die elektronische Gesundheitskarte hervorragend – und geräuschlos. „Deutschland hinkt gegenüber diesen Vorreiterländern um zehn Jahre hinterher“, sagt Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des IT-Branchenverbandes Bitkom. Auch IT-Projekte wie der elektronische Entgeltnachweis (Elena), der digitale Behördenfunk und E-Government kommen nicht voran. „Deutschland verschenkt ein enormes Potenzial.“

Allein die Wirtschaft kostet der behäbige Ausbau digitaler Anwendungen einen hohen einstelligen Milliardenbetrag pro Jahr, schätzen Experten, weil Behördengänge noch immer nicht in ausreichender Anzahl per Mausklick abgewickelt werden können. Die De-Mail, Deutschlands Antwort auf das Briefgeheimnis im Internet, ist zwar Gesetz. Doch die kommunalen Verwaltungen beginnen jetzt erst mit der Umsetzung.

Industriepolitik: Die Pläne der Linken

Immerhin: Bei der technischen Infrastruktur ist Deutschland auf gutem Weg. Nahezu alle bundesweiten Haushalte verfügen über einen Breitbandzugang mit schnellem Internet wie DSL, UMTS, LTE oder Kabel. Mit dem neuen Mobilfunkstandard LTE konnten Ende 2012 „so gut wie alle weißen Flecken in der Breitbandversorgung ländlicher Regionen geschlossen werden“, sagt Rohleder. Konzerne wie Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica haben sich für die nächsten Jahre Frequenzen gesichert und stecken rund zehn Milliarden Euro in den Ausbau – auf politischen Druck zunächst auf dem Land.

Allerdings hakt der Ausbau des noch schnelleren Internet-Zugangs. „Deutschland, die führende Wirtschaftsmacht in Europa, hinkt bei der Zukunftstechnologie Glasfaser im europaweiten Vergleich noch erheblich hinterher“, heißt es in einer Studie des Netzausrüster-Branchenverbands FTTH Council Europe. Weil nicht einmal ein Prozent der Haushalte via Glasfaser verbunden ist, führt der Verband Deutschland nicht einmal im europaweiten Ranking auf. 80 Milliarden Euro wären nötig für eine flächendeckende Versorgung. Doch der Preiskampf um Internet-Kunden macht die Finanzierung für die Unternehmen wenig lukrativ – an politischen Initiativen mangelt es.

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