Industriestrompreis Bayern will die deutsche energieintensive Industrie mit zehn Milliarden Euro entlasten

Sorge vor hohen Energiekosten: „Wir brauchen einen günstigen Industriestrompreis, um die Abwanderung wichtiger Unternehmen zu verhindern“, sagt Bayern Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger. Quelle: imago images

Robert Habeck will ihn, die Wirtschaft will ihn auch: einen gedeckelten Industriestrompreis. Nun macht der bayrische Wirtschaftsminister einen ersten konkreten Vorschlag – auch zur Finanzierung.

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Als Robert Habeck jüngst im WirtschaftsWoche-Interview nach einem verbilligten Industriestrompreis gefragt wurde, antwortete der Bundeswirtschaftsminister kämpferisch und verhalten zu gleich. In seinem Haus werde „intensiv“ an einem Dekarbonisierungsstrompreis gearbeitet, gab Habeck zu Protokoll. Und ja, dieser solle der Industrie „günstigen Strom aus erneuerbaren Quellen zugänglich“ machen. 

Dabei, so der Grüne weiter, müssten allerdings viele Zahnräder ineinandergreifen. Man werde wohl „noch ein paar Jahre“ zu überbrücken haben, bis hierfür genug preiswerte Energie verfügbar sei. „Bis dahin wäre es gut, die finanziellen Spitzen zu glätten – ähnlich wie bei der Strompreisbremse.“ Als Wirtschaftsminister halte er das für richtig, aber über das nötige Geld entscheide er eben nicht allein. Schöne Grüße an meinen Freund Christian Lindner, sollte das wohl heißen.

Sehr gute Idee, wird aber leider noch dauern – so ließ sich die Botschaft Habecks also deuten. Rund drei Wochen ist das nun her. Doch seitdem gibt es neue Bewegung. Sein Energiestaatssekretär Patrick Graichen traf sich zuletzt mit den Wirtschafts- und Energieministern der Länder, um die Idee eines Industriestrompreises zu beraten und voranzutreiben. Bis Ostern soll es in der Sache Fortschritte geben. Ein solcher Preis würde eine massive Subventionierung der deutschen Wirtschaft bedeuten – wird aber gerade deshalb von vielen energieintensiven Branchen wie Stahl oder Chemie und auch vom Bundesverband der deutschen Industrie sehr vehement gefordert.

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Trotz mancher Warnung, gerade von Ökonomen: Für einige wäre ein solcher Rabatt die entscheidende Maßnahme, um den Standort Deutschland wieder konkurrenzfähig zu machen – und den milliardenschweren Verlockungen, etwa aus den USA, ein deutsches Pfund entgegenzusetzen.

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Aus Bayern – und damit interessanterweise nicht aus dem grünen Lager – kommt nun ein erster Vorstoß, wie dieser Industriestrompreis konkret aufgesetzt werden könnte, mit konkreten Zahlen und Kosten. Das Eckpunktepapier hat der bayrische Wirtschaftsminister nach Berlin geschickt. Es liegt der WirtschaftsWoche vor.

Aufgabe des Industriestrompreises müsse es sein, die Wirtschaft „bei der Transformation zu unterstützen, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der in Deutschland ansässigen Unternehmen wiederherzustellen und damit Arbeitsplätze und Wertschöpfung zu erhalten“, heißt es in den bayrischen Eckpunkten. Die Unternehmen sollten so finanziell in die Lage versetzt werden, in klimaneutrale Produktionsverfahren und Technologien zu investieren.

Bayern wünscht den Start der Maßnahme schon ab 2024. Und eine Höhe nennt das Papier auch: Vier Cent je Kilowattstunde – ein Bruchteil der heutigen Preise. Als Zugangsbedingung müssten die Unternehmen – egal welcher Größe, also auch Mittelständler – nachweisen, dass „sich die Energie- und Strombeschaffungskosten auf mindestens 3,0 Prozent des Produktionswertes belaufen“, heißt es in den Eckpunkten. Diese Definition stünde im Einklang mit der EU-Energiesteuerrichtlinie.

„Wir brauchen einen günstigen Industriestrompreis, um die Abwanderung wichtiger Unternehmen zu verhindern“, wirbt Bayern Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler). Mit dem Inflation Reduction Act hätten die USA ein gigantisches Subventionspaket beschlossen. „Am Ende geht es für uns um eine drohende Deindustrialisierung“, fügt Aiwanger in der WirtschaftsWoche hinzu. „Endlich hat das jetzt offenbar auch die Ampel verstanden.“

Besagte Koalition in Berlin fällt in diesen Tagen jedoch eher durch Harmoniemangel und Konfliktüberschuss auf. Einerseits, weil bei den Energie-, Wärme- und Verkehrswenden überall Wunsch und Wirklichkeit aufeinanderprallen – andererseits, weil an vielen Stellen schlicht das Geld fehlt, wo wenigstens gemeinsamer Wille vorhanden ist. Habecks Interviewverweis auf seinen limitierten finanziellen Handlungsspielraum kam schließlich nicht von ungefähr.

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Allerdings: Auch hierzu gibt es einen Vorschlag in den Eckpunkten aus Bayern. Zunächst einmal kalkuliert Aiwangers Haus mit Kosten von rund zehn Milliarden Euro jährlich. Die energieintensiven Industrien in Deutschland verbrauchten rund 100 Terrawattstunden Strom pro Jahr. Je Cent Vergünstigung pro Kilowattstunde würde ein Industriestrompreis also Entlastungen in Höhe von rund einer Milliarde Euro pro Jahr nach sich ziehen. Bei einem Nettoeinkaufpreis von 14 Cent pro Kilowattstunde käme man dann auf zehn Milliarden, die der Staat beisteuern müsste.

Aber woher nehmen? Nun, laut bayrischem Wirtschaftsministerium ist bei der Strompreisbremse des Bundes „aufgrund der inzwischen niedrigeren Preise für Strom (und Erdgas) mit einem bedeutend geringeren Finanzbedarf zu rechnen“. Sprich: Die im Bundeshaushalt dafür eingeplanten 43 Milliarden Euro würden kaum aufgebraucht werden. „Die freien Mittel könnten für die Finanzierung des Industriestrompreises verwendet werden“, heißt es in den Eckpunkten. Diesen Weg könnte vielleicht sogar FDP-Finanzminister Christian Lindner mittragen.

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