Infektionsschutzgesetz Gesetzliche Corona-Notbremse – eine verheerende Idee

Die von der Bundesregierung angestrebte Änderung des Infektionsschutzgesetzes sieht ab einer Inzidenz von 100 Corona-Neuinfektionen je 100 000 Einwohner unter anderem verbindliche nächtliche Ausgangssperren für die Bürger vor.   Quelle: dpa

Die geplante Änderung des Infektionsschutzgesetzes ist eine Attacke auf die Freiheit und den Föderalismus. Der Bundestag sollte das Gesetz ablehnen.

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Nun also die Notbremse. Durch eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes will die Bundesregierung Landkreise und Städte zwingen, beim Überschreiten bestimmter Infektionsschwellenwerte einen für ganz Deutschland verbindlichen Kanon von Verboten und Regeln durchzusetzen, um die weitere Ausbreitung des Corona-Virus zu unterbinden. Darunter sind nächtliche Ausgangssperren und Ladenschließungen. 

Dabei hat sich gezeigt, dass der angedachte Schwellenwert von 100 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner (beziehungsweise 200 für Schulschließungen) stark von der Anzahl der durchgeführten Tests abhängt und zudem erheblichen kalendertäglichen Schwankungen unterliegt. Zudem beruht er nicht auf medizinischen Überlegungen, sondern ist das Ergebnis einer willkürlichen politischen Setzung, die unter dem Eindruck einer bürokratischen Überforderung beim Nachverfolgen von Kontakten erfolgt. Andere, für die Beurteilung des Ausmaßes und der Gefährlichkeit der Pandemie relevantere Indikatoren wie etwa die Schwere der Krankheitsverläufe oder die regionale Belegung der Intensivstationen, bleiben bei der avisierten Notbremsung völlig unbeachtet. 

Totalversagen der Regierung

Spätestens seit der jüngsten Kritik von Aerosolforschern an Ausgangssperren, Öffnungsverboten für Biergärten sowie dem Tragen von Masken in freier Flur sollte klar sein, dass derartige Eingriffe des Staates in die persönliche Freiheit nichts zum Kampf gegen das Virus beitragen. Vielmehr sind sie Ausdruck blinden Aktionismus, der Tatkraft demonstrieren und so vom Totalversagen der Regierung bei der Beschaffung von ausreichendem Impfstoff und dem bedarfsgerechten Ausbau der Intensivstationen ablenken soll. 



Mit der wenig zielführenden Änderung des Infektionsschutzgesetzes, der Bundestag und Bundesrat noch zustimmen müssen, greift die Regierung unverhältnismäßig in die Grundrechte der Bürger und Unternehmer ein. Denn Ausgangssperren und Ladenschließungen sind weder geeignet, noch erforderlich, noch angemessen, um die Pandemie einzudämmen. 

Mehr noch: Die Änderung des Infektionsschutzgesetzes entmachtet die Bundesländer und Kommunen und hebelt so den Föderalismus, das konstituierende Element des demokratischen Staatsaufbaus in Deutschland, aus. Nicht ohne Grund haben die Väter des Grundgesetzes dem föderalen Gedanken der Dezentralisierung von Macht hohe Bedeutung beigemessen. Gerade die deutsche Geschichte zeigt, wie zentralistische Machtkonzentration politisch und wirtschaftlich ins Verderben führt. 

Gefährliche Anmaßung von Macht und Wissen

In den vergangenen Jahrzehnten hat der Bund im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung durch den Erlass von Bundesgesetzen in immer mehr Sachgebieten die Regelungskompetenz an sich gezogen und so das verfassungsrechtlich angedachte Primat der Gesetzgebungskompetenz der Länder ausgehöhlt. Dieser Prozess darf durch die Änderung des Infektionsschutzgesetzes nicht weiter vorangetrieben werden. 

Deutschland braucht keinen Obrigkeitsstaat, auch nicht in der Pandemie. Nötig sind vielmehr Lösungsansätze, die die informierte Klugheit vor Ort nutzen, um der Ausbreitung des Virus Einhalt zu gebieten. Der Wirtschaftsnobelpreisträger Friedrich August von Hayek hat in seinen Arbeiten gezeigt, dass das Wissen in der Gesellschaft dezentral auf eine Vielzahl von Köpfen verteilt ist und deshalb vor der „Anmaßung von Wissen“ durch politische Entscheidungsträger gewarnt. 

Das spricht dafür, die Bürger und Unternehmer vor Ort entscheiden zu lassen, ob und welche Schutzmaßnahmen sie gegen eine Ansteckung mit dem Corona-Virus ergreifen wollen. Sollten die Abgeordneten geschichtsvergessen ihre Hand für das freiheitsbeschränkende Aushebeln des Subsidiaritätsprinzips heben, bleibt den Bürgern nur noch die Hoffnung auf die Gerichte.

Mehr zum Thema: Die Lockdown-Maßnahmen treffen die Bundesländer unterschiedlich hart – und verstärken das regionale Wachstumsgefälle. In diesen Bundesländern ist die wirtschaftliche Not am größten.
 

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