Inklusion Behörden müssen Barrieren für Behinderte abbauen

Leichte Sprache, weniger Stufen, Angebote in Blindenschrift: Der Bundestag hat den Abbau von Barrieren für Behinderte in öffentlichen Einrichtungen beschlossen. Dennoch protestierten Betroffene heftig.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Vor dem Reichstagsufer protestieren Betroffene mit Sprüchen wie „Barrierefrei bis Hawaii“. Quelle: dpa

Berlin Ungeachtet heftiger Kritik hat der Bundestag den Abbau von Barrieren in Bundesbehörden beschlossen. Mit der am Donnerstag verabschiedeten Novelle des Gleichstellungsgesetzes werden Behörden wie die Deutsche Rentenversicherung verpflichtet, ihre Texte künftig für Behinderte verständlicher in spezieller leichter Sprache zur Verfügung zu stehen.

Leichte Sprache – unter anderem mit kurzen Sätzen – soll Menschen das Verstehen erleichtern. Insgesamt sollen körperlich und geistig Behinderte in Behörden auch auf weniger Stufen, Treppen, Angebote ohne Blindenschrift und andere Barrieren stoßen.

Die Opposition, Behinderten- und Sozialverbände kritisierten die Novelle als völlig unzureichend. „Das Leben spielt sich nicht in den Bundesbehörden ab“, sagte die Linke-Politikerin Katrin Werner. Es sei ein Skandal, dass die Koalition keine Barrierefreiheit in Restaurants, Arztpraxen, Theatern oder Läden schaffe.

Vor dem Reichstagsgebäude hatten sich bereits am Vortag mehrere Rollstuhlfahrer angekettet, um gegen die Behindertenpolitik der Regierung zu protestieren. Sie harrten dort über Nacht aus. Auch am Donnerstag blieben sie zunächst vor Ort, mittlerweile ohne Ketten.

Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) sagte im Plenum: „Mit diesem Gesetz gehen wir voran.“ Schon bald würden weitere Schritte folgen. „2016 wird ein Jahr wesentlicher und wichtiger Fortschritte auf dem Weg zur Inklusion.“

Damit spielte Nahles auch auf ein umfassenderes Gesetz an, das derzeit in der Ressortabstimmung der Bundesregierung ist. Dieses Bundesteilhabegesetz soll regeln, dass Menschen mit Behinderung, die Eingliederungshilfe bekommen, deutlich mehr Vermögen als heute behalten dürfen. Heute sind es nur 2600 Euro. Die Leistungen für Betroffene sollen verbessert, die Bereitstellung weniger kompliziert werden.

Behinderte, die in speziellen Werkstätten arbeiten, sollen leichter auf den regulären Arbeitsmarkt kommen. Auch gegen dieses Vorhaben richtete sich die Protestaktion am Reichstag, denn Betroffene fürchten, dass sich dahinter auch viele Verschlechterungen aus Kostengründen verbergen.

In Deutschland leben mehr als zehn Millionen Menschen mit Behinderung, davon sind 7,5 Millionen Schwerbehinderte. Mit dem nun beschlossenen Gleichstellungsgesetz ist auch die Einrichtung einer Schlichtungsstelle bei der Bundesbehindertenbeauftragten vorgesehen. Es wurde mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Grünen bei Enthaltung der Linken verabschiedet.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%