Innere Sicherheit Merkel will mehr

Beim „Tag der Inneren Sicherheit“ der Unionsfraktion spart die Bundekanzlerin nicht mit Vorwürfen an den Koalitionspartner. Das hat auch mit „Zonen unterschiedlicher Sicherheit“ in Deutschland zu tun.

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Die Bürger erwarten für ihre Sicherheit von der Politik „alles Menschenmögliche, alles Machbare“. Quelle: dpa

Berlin Die Bundeskanzlerin schaltet in den Wahlkampfmodus: „Wir werden nicht akzeptieren, dass wir 16 verschiedene Sicherheitsniveaus in 16 Bundesländern haben“, sagte Angela Merkel am Mittwochabend beim „Tag der Inneren Sicherheit“ der Unionsfraktion in Berlin. Die Bürger hätten kein Verständnis dafür, dass in Bayern die Schleierfahndung praktiziert werde, in Nordrhein-Westfalen aber nicht. Dass in Düsseldorf die SPD zusammen mit den Grünen regiert, erwähnte die CDU-Chefin zwar nicht explizit. Aber jeder Zuhörer auf der Fraktionsebene des Berliner Reichstags verstand die Botschaft auch so: Es sind vor allem CDU und CSU, die für Sicherheit im Land sorgen, wollte Merkel sagen.

Aber wo stehen wir wirklich im Bundestagswahljahr bei der Inneren Sicherheit? Anfang der Woche hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière die neue polizeiliche Kriminalstatistik vorgestellt und einen besorgniserregenden Anstieg der Gewalt vermeldet. Ermittelte die Bundesanwaltschaft 2013 noch in 68 Terrorverfahren, waren es im vergangenen Jahr schon rund 250. In diesem Jahr werde man schon Ende April 200 Verfahren verbuchen, sagte Generalbundesanwalt Peter Frank beim Unionskongress. Bis Ende des Jahres rechnet er mit 500 bis 600 Verfahren wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung oder Anschlagsvorhaben. Und 85 bis 90 Prozent der Fälle kämen aus dem islamistischen Spektrum.

Der Staat müsse deshalb weiter aufrüsten, betonte Merkel, denn die Menschen erwarteten zu Recht, dass er „alles Menschenmögliche, alles Machbare“ für ihre Sicherheit tue. Bei der Personalaufstockung von Polizei und Nachrichtendiensten „haben wir als Bund Maßstäbe gesetzt“, sagte Merkel. Einige Länder – natürlich vor allem die unionsgeführten – würden glücklicherweise nachziehen.

Zu oft werde die Sicherheitsfrage auf die Personalfrage verengt. Auch technisch müssten die Sicherheitsbehörden aber mindestens auf Augenhöhe mit Kriminellen und Terroristen bleiben. Man dürfe gedanklich nicht im Zeitalter der Festnetz-Telefonie stehen bleiben, mahnte die CDU-Chefin. Ein Seitenhieb auch auf den aktuellen Streit zwischen Union und SPD über die Nutzung von Handydaten zur Bekämpfung der Einbruchskriminalität. Die Koalition hat sich zwar auf härtere Strafen für Einbrecher verständigt, nicht aber über die technischen Möglichkeiten, ihnen auf die Schliche zu kommen. diese müssten aber stets weiterentwickelt werden, sagte Merkel. Allein um deutlich zu machen: „Der Rechtsstaat lässt sich nicht auf der Nase herumtanzen.“


Wohnungseinbrüche sind kein „Naturphänomen“

Viel zu lange sei die „psychologische Bedeutung“, die ein Einbruch für die Opfer habe, nicht ausreichend betrachtet worden, sagte Merkel. Die Politik dürfe sich aber nicht damit abfinden, dass Wohnungseinbrüche „quasi als aufkommendes Naturphänomen“ gesehen wurden. Die Täter müssten mit allen zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten verfolgt werden, betonte die Kanzlerin. „Hier kann man nicht den Datenschutz vorschieben.“

Ach ja, die SPD. Viel zu oft habe man den Koalitionspartner in der zu Ende gehenden Legislaturperiode erst „zum Jagen tragen müssen“, beklagte auch Innenminister de Maizière. Um dann die lange Liste all jener Gesetze aufzuzählen, die Schwarz-Rot bereits beschlossen hat oder die zur Entscheidung anstehen. So wird der Bundestag an diesem Donnerstag das neue BKA-Gesetz, härtere Strafen bei Angriffen auf Polizisten, den Austausch von Fluggastdaten oder ein Verschleierungsverbot im öffentlichen Dienst beschließen. Im Mai soll dann noch das Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht verabschiedet werden – eine Konsequenz aus dem Fall des Berlin-Attentäters Anis Amri.

Erledigt sind die Hausaufgaben aus Sicht des CDU-Innenministers damit aber noch lange nicht. Die Stellen, die bei der Bundespolizei, beim Bundeskriminalamt und bei den Nachrichtendiensten geschaffen worden seien, müssten jetzt erst einmal vernünftig besetzt werden, sagte de Maizière. Und bei der Gefahrenabwehr könne Deutschland noch besser werden. Das Umweltrecht, Sicherheitsstandards in der Industrie oder auch die Finanzmarktkontrolle seien so verschärft worden, dass es möglichst gar nicht erst zu Unfällen oder Krisen komme. Danach müsse man bei der Kriminalitäts- oder Terrorbekämpfung auch streben. Der Staat greife auch nicht zu sehr in die Freiheitsrechte der Bürger ein, wenn er präventiv arbeite, sagte de Maizière: Die eigentliche Freiheitseinschränkung sei, wenn man sich nicht mehr in die U-Bahn traue – aus Angst, die Treppe hinuntergestoßen zu werden. Und nicht die Videokamera, die die Station überwacht.

Mehr Zentralisierung oder zumindest Koordinierung der Sicherheitsbehörden forderte der Minister: „Wenn wir große und überregionale Gefahren haben, brauchen wir auch eine große und überregionale Antwort.“ Es könne nicht sein, dass die Gefährlichkeit eines Anis Amri von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich beurteilt werde. Oder dass zwei Länder bei der Schleierfahndung nicht mitmachten. Die Abwehr groß angelegter Cyberangriffe sei so kompliziert und aufwendig, „da müssen wir eine zentrale Zuständigkeit schaffen“, forderte de Maizière. Schon allein, weil es gar nicht so viele qualifizierte IT-Spezialisten gebe, dass jedes Bundesland ein eigenes Team aufstellen könne.


Verfassungsschützer fordern mehr Kompetenzen

Unterstützung für seinen schon früher geäußerten Vorstoß, die Aufgaben des Inlandsgeheimdienstes stärker beim Bund zu konzentrieren, erhielt der Innenminister von Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen. Man könne sich schon fragen, ob es sinnvoll sei, dass der bremische Landesverfassungsschutz für Bremen und Bremerhaven zuständig sei, nicht aber für Bremervörde und Delmenhorst.  „Wir sollten uns nicht Denkverbote auferlegen“, sondern nachdenken, ob man hier nicht nachjustiert, sagte Maaßen.

Für seine eigene Behörde wünscht sich der oberste Verfassungsschützer dabei durchaus mehr Spielraum. So wäre doch zur Terrorprävention interessant zu sehen, wer sich von seinem Rechner aus gerade Enthauptungsvideos in Malaysia anschaue. Mit einem Abgleich der IP-Adresse ließe sich so auch ein Name feststellen. Aber da fehlten zum Teil noch die rechtlichen Grundlagen. Auch dass die Verfassungsschützer bundesweit auf Vorratsdaten zugreifen können, so wie es in Bayern bereits möglich ist, wünscht sich der Behördenchef.

Innenminister de Maizière warnte aber davor, die Sorge der Bürger nun im Wahlkampf zu instrumentalisieren. „Sicherheitspolitik kann nicht die Verstärkung von Angst sein, auch nicht zur Organisierung politischer Mehrheiten.“ Ganz so wollte Unionsfraktionschef Volker Kauder dann aber doch nicht stehen lassen. Die schwarz-rote Regierung habe als Gesetzgeber im Bund ihre Aufgaben weitgehend erfüllt. Es gebe aber „Luft nach oben beim Vollzug“. Und zwar je nach Bundesland unterschiedlich viel Luft.

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