Innovationspolitik Deutschland muss im neuen Systemwettbewerb besser mithalten

Wie können wir trotz angespannter Budgets und stotternder Konjunktur Kurs halten auf langfristige Zukunftssicherung? Quelle: imago images

KI, Quantencomputing, Biotechnologie: Die Bundesrepublik droht noch weiter hinter China und den USA zurückzufallen. Mit diesen sechs Punkten kann der Regierung trotz Krise kluge Innovationspolitik gelingen. Ein Gastbeitrag.

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Ann-Kristin Achleitner ist Professorin und Expertin für Unternehmensfinanzierung, Investorin sowie Multi-Aufsichtsrätin. Thomas Lange ist promovierter Volkswirt und Senior Advisor bei Achleitner Ventures.

Die Politik befindet sich im Dauerkrisenmodus. Sie muss täglich auf immer neue Entwicklungen reagieren und sieht gleichzeitig ihre haushaltspolitischen Spielräume schwinden. Droht sie darüber die längerfristige Zukunft aus dem Blick zu verlieren? Angesichts der Besonderheit der gegenwärtigen Krisen wäre das fatal.

Die Energie- und Klimakrise, die Coronakrise und die aktuellen geopolitischen Krisen – sie alle erfordern nicht nur akutes Handeln, sondern auch Weitblick zur Förderung von Innovationen: ohne innovative Erzeugungs- und Speichertechnologien keine nachhaltige Energiewende; ohne moderne Impfstoffe und Medikamente kein Ende der Pandemie; und ohne technologische Souveränität keine Chance im neuen Systemwettbewerb.

Für die Innovationspolitik stellt sich nun die Frage: Wie können wir trotz angespannter Budgets und stotternder Konjunktur Kurs halten auf langfristige Zukunftssicherung? Sechs Punkte erscheinen uns besonders relevant.

Erstens: Staatliche Investitionen in Bildung, Forschung und Wissenstransfer sind zum Erhalt der Infrastruktur für Innovationen unerlässlich. Sie sollten auch in Krisenzeiten stabil bleiben. Gleichzeitig müssen wir Wege finden, wie wir mehr privates Kapital für Innovationen mobilisieren können. Dazu gehört insbesondere die Finanzierung junger Wachstumsunternehmen. Diskutiert werden in diesem Zusammenhang nicht nur gezielte Anreize für Kapitalsammelstellen wie Versicherungen und Pensionskassen, sondern auch Maßnahmen zur Stärkung des heimischen Kapitalmarkts. Die Einführung einer teilweise kapitalgedeckten Altersversorgung könnte hier einen wichtigen Beitrag leisten – im Sinne eines willkommenen Nebeneffekts des vorrangig rentenpolitisch motivierten Vorhabens.

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Zweitens: Gute Innovationspolitik zeichnet sich nicht nur durch Investitionen aus, sondern auch durch eine hohe Umsetzungsgeschwindigkeit der eigenen Agenda. Hängepartien wie bei der steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung sind ein warnendes Beispiel. Damals vergingen zehn Jahre zwischen politischer Willensbekundung im Koalitionsvertrag der Bundesregierung und der Einführung der Förderung. Diese Zeit haben wir mit Blick auf zukünftige Themen nicht: Geschwindigkeit spielt vor allem bei Schlüsseltechnologien wie künstlicher Intelligenz, Quantentechnologien, Weltraum und Biotechnologie eine entscheidende Rolle im internationalen Wettbewerb. Die Gefahr ist groß, dass wir hier den Anschluss an die USA und China verlieren.

Drittens: Wir müssen neuen Instrumenten der Innovationspolitik eine echte Chance geben, allen voran der Agentur für Sprunginnovationen, die nach dem Vorbild der amerikanischen Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) zur Förderung disruptiver Innovationen gegründet wurde. Sie kann ihr volles Potenzial erst entfalten, wenn sie von bürokratischen Fesseln befreit wird und unternehmerischer agieren kann. Dieser Befreiungsschlag kostet kein Geld, hätte aber große Wirkung.

Viertens: Dort, wo der Staat gezielte Investitionen als Reaktion auf die Krise tätigt, sollte er mögliche Innovationspotenziale gleich mit ausloten. Ein gutes Beispiel ist das 100-Milliarden-Euro-Paket für die Bundeswehr. Diese Investitionsoffensive ist eine gute Gelegenheit, nicht nur die Truppe besser auszustatten, sondern auch den öffentlichen Beschaffungsprozess zu modernisieren. Der Bund sollte dabei auch zivile Spillover-Effekte im Blick haben und als Katalysator für privatwirtschaftliche Innovationen nutzen. Investitionen in Cybersicherheit entfalten in dieser Hinsicht ein größeres Potenzial als ein neuer Fuhrpark.

Fünftens: Wir sollten Universitäten und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen noch gezielter zu Brutkästen für Deep-Tech-Ökosysteme weiterentwickeln. Dazu gehören unter anderem gründerfreundlichere, schnellere und einheitlichere Prozesse im Umgang mit geistigem Eigentum bei Ausgründungen. Wir sollten Wissenschaftlern außerdem mehr Freiraum bieten, in beiden Welten gleichzeitig erfolgreich zu sein: in der akademischen und der unternehmerischen. Die Stärke der Technikwissenschaften in Deutschland bietet große Chancen, bei den technologiegetriebenen Zukunftsthemen unserer Zeit ganz vorne mit dabei zu sein. In den Ökosystemen spielt auch die klassische Industrie eine wichtige Rolle, um technische Innovationen schnell skalieren zu können.

Sechstens: Der Staat muss den Wettbewerb als Funktionsprinzip der Marktwirtschaft schützen. Kriseninterventionen etwa dürfen nicht einseitig etablierte Großunternehmen begünstigen, die sich dadurch dem Wettbewerb durch junge Unternehmen und neue Marktteilnehmer noch weiter entziehen. Die heimische Industrie muss zudem auch dem ausländischen Wettbewerb ausgesetzt bleiben, solange er fair ist. Wettbewerbsfähigkeit beweist sich am besten am Weltmarkt.

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