Inside BND Ein Blick hinter die Mauern

Jahrzehntelang war die Zentrale des Bundesnachrichtendienstes bei München geheimnisumwoben. BND-Chef Schindler zeigt jetzt einen ungewöhnlich großen Teil des Allerheiligsten.

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Gerhard Schindler, der Präsident des BND, in der Ausstellung „Unheimlich – der Bundesnachrichtendienst 1956 - 2016“ vor einem Foto eines Mitarbeiterzimmers aus der BND-Zentrale in Pullach. Quelle: dpa

Pullach Wenn Gerhard Schindler in seinem Büro in der alten BND-Zentrale im Münchner Vorort Pullach sitzt, dürfte er sich wie im Freilichtmuseum fühlen. Der Chef des Bundesnachrichtendienstes residiert in der „Präsidentenvilla“, die in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts der Hitler-Vertraute und NSDAP-Leiter Martin Bormann gebaut hat. Seit gut 68 Jahren haben die Chefs des deutschen Auslandsgeheimdienstes hier ein Büro, abgeschottet von der Öffentlichkeit, hinter blickdichten Mauern mit messerscharfem Stacheldraht gesichert. Tarnname: „Camp Nikolaus“, benannt nach dem Einzugsdatum der BND-Vorgänger am 6. Dezember 1947.

60 Jahre nach seiner Gründung am 1. April 1956 hat der BND das geheimnisumwobene Gelände am Isarhochufer nun erstmals einer Handvoll Journalisten gezeigt. Schon zuvor hatte der BND dem Fotografen Martin Lukas Kim erlaubt, auf dem Pullacher Areal für eine Fotodokumentation zu fotografieren. Das Gelände war als „Siedlung Sonnenwinkel“ für die Mitarbeiter der Nazi-Partei NSDAP und deren Familien gebaut worden. Auch eines von Hitlers 16 Hauptquartieren lag hier.

Eigentlich wollte der BND das Gelände schon 2008 verlassen und in den Neubau in Berlins Mitte einziehen. Doch der Umzug verzögerte sich, jetzt ist er bis 2017 geplant. Nach einem von der CSU-Landesregierung ausgehandelten „Bayern-Konzept“ sollen im südlichen Teil auf 17 Hektar auch danach mehr als 1000 Mitarbeiter der Technischen Aufklärung weiterarbeiten. Nicht alle sind damit zufrieden: Manche wollen unbedingt in Pullach bleiben, den anderen dauert es mit dem Umzug schon jetzt viel zu lange. Den Rest des Geländes will der Eigentümer, die Bundesrepublik, verkaufen. In der „Präsidentenvilla“ könnte ein Museum entstehen.

Ein Streifzug durch das 68-Hektar-Areal mit 93 Gebäuden und mehr als 2500 Mitarbeitern:

Die Präsidentenvilla

Seit Ex-Wehrmachtsgeneral Reinhard Gehlen mit seiner berüchtigten BND-Vorläuferorganisation 1947 unter CIA-Aufsicht einzog, haben hier alle Präsidenten der deutschen Auslandsspione ihr Arbeitszimmer gehabt. Wo Schindlers Büro ist, war früher Bormanns Schlafzimmer. Wie viele Gebäude in der damaligen NS-Siedlung ist die Villa im Stil dem Weimarer Gästehaus Goethes nachempfunden. Sie hatte allen damaligen Komfort - und einen großen, mit dicken Teppichen ausgestatteten Bunker. Der steht heute unter Wasser.

Vom Holz der Fenster und Türen blättert der weiße Lack, ansonsten hat die Einrichtung die vergangenen 80 Jahre ziemlich originalgetreu überstanden. Im Krieg wurde das Gelände nie von alliierten Bombern angegriffen. Das frühere Musikzimmer dient nun als düsterer Besprechungsraum, an der holzvertäfelten Wand hängt ein Porträt Friedrichs des Großen – der Preußenkönig war Hitlers großes Vorbild.

Im Kaminsaal sind ein Foto von Bundespräsident Joachim Gauck und die Bilder aller bisherigen BND-Präsidenten zu sehen. Der Garten davor ist so belassen, wie er in der NS-Zeit angelegt worden war. Um den Springbrunnen stehen Bronze-Plastiken nackter Frauen, geschaffen von NS-nahen Künstlern. Fast ist es, als könne man noch die Gläser klingen hören aus jener Zeit, als Hitler 1940 mit Bormann auf der Terrasse den Frankreich-Feldzug feierte. Mancher BND-ler dürfte sich in dieser Umgebung beinahe wie im Schattenreich gefühlt haben. Ob es daher kommt, dass der Dienst bei manchen immer noch ein bizarres Image hat und lange gegen Verschwörungstheorien kämpfen musste?

„Historie pur“ sehen andere, wenn sie über das Areal streifen, auch von „morbidem Charme“ und „Sanatoriumscharakter“ ist die Rede.

Die Schulungsbaracke - Tarnname „Waldhaus“

Generationen von Spionen wurden hier durchgeschleust. Vor 1945 diente der Holzbau als Besprechungsraum der Wehrmacht. Später nutzte der BND ihn für Schulungen. Neu angeworbene Spione wurden meist in München abgeholt und nach Pullach gefahren. Durch eine Hintertür ging es hinein, mit dem obligatorischen Tarnnamen und einem Zutrittsausweis ging es später vorne auf das geheime BND-Gelände hinaus. Beim dreitägigen „Waldhauslehrgang“ wurden den Neulingen Sicherheitsthemen eingebläut.


Das Clubhaus

Ursprünglich als Kindergarten gebaut, feierten die Amerikaner – nach dem Krieg zensierte und überwachte die US-Army auf dem Gelände deutschen Briefverkehr – mit Gehlen und seinen Leuten rauschende Feste. „Hier gab's damals Cola und Torten, während draußen in den ausgebombten deutschen Städten noch gehungert wurde“, erinnert man sich beim BND. Fünf Meter unter dem Clubhaus liegt ein gut erhaltener Bunker, in manchen seiner Räume sind noch Küchenzeilen von damals zu sehen. BND-Mitarbeiter, die in dem Haus untergebracht waren und zu stark schnarchten, mussten hier schlafen, geht eine Anekdote.

Haus 110

Im 1996 fertiggestellten Hauptgebäude wird ausgewertet, was die Spione bei der Überwachung der Telekommunikation aufgefangen oder weltweit sonst wie zusammengetragen haben. Hier gibt es Räume für Besprechungen und Videokonferenzen, Verbindungen in alle Welt sind möglich. Es wird über einen Neubau nach dem Umzug nachgedacht, aus Kostengründen dürfte es aber auf eine Sanierung hinauslaufen. „Vieles in Pullach ist marode, da muss etwas geschehen“, heißt es.

IT-Rechenzentrum

Das Technikgebäude gilt quasi als „Anachronismus“, es ist das modernste Haus auf dem Gelände. Die futuristische Aluminiumverkleidung dient als Blitzschutz. Es gilt höchste Sicherheitsstufe – hier dürften große Teile der Internet-Spionage elektronisch verarbeitet werden. Herein kommt nur, wer den Check in der biometrischen Schleuse besteht. Für Technikfreaks: Die Kühlung mit Außenluft funktioniert bis zu einer Außentemperatur von 20 Grad – so lange wird kein Strom für die Kälteaggregate verbraucht.

Bunker „Hagen“

Sechs Meter unter der Erde ist im ehemaligen „Führerbunker“ eine Schießbahn eingerichtet. Die Geheimagenten üben hier vor Kriseneinsätzen an der Pistole, genauso wie Personenschützer oder Wachleute. Batteriegespeiste Notlampen sind ein Indiz dafür, dass hinter den drei Meter dicken Außenwänden gelegentlich der Strom und damit das Licht ausfällt. Zielscheiben mit Einschusslöchern stehen in den Abstellräumen. Eine von ihnen zeigt einen rothaarigen Mann in grünem Jackett und grüner Hose, die Pistole in der Hand. Ob man sich hier so den feindlichen Agenten vorgestellt hat? In einem Waffenkasten hängen eine Walther PPK – der Klassiker der Agenten-Pistolen – und eine russische Kalaschnikow an der Wand. Der BND wollte schon immer gerne wissen, wie der Gegner ausgerüstet ist.

Tierische Spione

Dass selbst das hochgesicherte BND-Gelände nicht hermetisch abgeriegelt werden kann, zeigen Fotos von neugierig guckenden Siebenschläfern. Die possierlichen Tiere haben es sich auf Rohren und Versorgungsleitungen gemütlich gemacht. Immer wieder knabbern die mausähnlichen Nager Kabel an. Kürzlich hat es selbst die Präsidentenvilla erwischt - Stromausfall. Gut 150 der Tiere leben auf dem Areal. Scheu sind sie nicht: „Die schauen uns bei der Arbeit zu“, erzählt ein Geheimdienstmann. Zunächst habe man noch versucht, die unter Naturschutz stehenden Siebenschläfer mit Riechsalz zu vertreiben. Heute gibt es Lebendfallen: „Die Tiere werden eingefangen und auf die andere Seite der Isar gefahren. Wir hoffen, dass sie nicht zurückfinden.“

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