Wer hat Schuld an der Pleite? Wer ist verantwortlich für die Insolvenz der MV Werften im nordöstlichen Bundesland Mecklenburg-Vorpommern? Zu dieser Frage geht es am Montag hoch her. Das Unternehmen mit asiatischen Eignern auf der einen und die Bundes- und Landesregierung auf der anderen Seite wollen jeweils nicht dastehen, als seien ihnen 1900 Arbeitsplätze im Schiffsbau und 1500 in Zulieferbetrieben egal. So viele Jobs hängen in der eher strukturschwachen Region von der Werft ab.
Doch beide Seiten wollen auch keine größere Summe ins Unternehmen stecken, die wohl notwendig wäre, um Aufträge zu erfüllen und das Unternehmen mittelfristig am Laufen zu halten. Das ist kein gutes Zeichen.
Der Präsident des Eigentümers Genting Hongkong, Colin Au, hatte soziale Argumente in Richtung Regierung vorgebracht und appelliert: „Es geht um Tausende Familien.“ Zusätzlich sei eine ganze Branche samt Zulieferern im In- und Ausland bedroht.
In Kreisen der Bundesregierung wird für den Weg in die Insolvenz dagegen Genting als Verantwortlicher angesehen, daraus haben Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und die neue Koordinatorin der Bundesregierung für Maritime Wirtschaft und Tourismus Claudia Müller keinen Hehl gemacht. Ihrerseits werden die wirtschaftlichen Argumente betont: Warum wolle der Eigner im Hongkonger Konzern kein eigenes Geld mit in die Rettung einbringen, obwohl keine übermäßige Summe dafür vom Staat als Sicherheit verlangt werde?
Jetzt geht es ins Insolvenzverfahren. Das muss nicht das endgültige Aus bedeuten. Aber die Erfolgsaussichten für diese Art von Schiffsbau – große Schiffe etwa für Kreuzfahrten – und speziell das Unternehmen sind derzeit gering. Zum einen ist da die Coronapandemie, die das Geschäft mit Kreuzfahrten hat einbrechen lassen. Genau dafür gedachte Schiffe werden in Mecklenburg-Vorpommern gebaut. Zum anderen spielt wohl auch die chinesische Immobilienkrise eine Rolle, die vielleicht den chinesischen und malaysischen Eignern die Liquidität hat zusammenschrumpfen lassen, wie in Berlin kolportiert wird.
Und dann ist da noch die vage Hoffnung auf ein neues Geschäftsmodell: Das heißt einmal mehr Klimaschutz und erneuerbare Energien. Beides klingt zwar nach innovativen Geschäften und wird im neuerdings grün geführten Bundeswirtschaftsministerium auch gerne vermittelt. Doch der Weg ist womöglich länger, als die Werften durchhalten können, der Preis vielleicht höher, als staatliche Subventionen reichen. Die Ideen dazu sind anderswo schon wesentlich konkreter.
Die drei Standorte der MV Werften in Wismar, Rostock und Stralsund sollen umsatteln, heißt es auch aus der FDP-Fraktion. Know-how, die Energiewende voranzutreiben, sei vorhanden, sagt der Fraktionsexperte und lokale Abgeordnete Hagen Reinhold. Das Zauberwort heißt Offshore-Windenergie.
Zur Errichtung solcher Anlagen im Meer und auch vor Mecklenburg-Vorpommerns Küste braucht es Schiffe zur Errichtung und zum Betrieb der Windparks. Spezialschiffe dafür sollen neu gebaut oder ältere Schiffe nachgerüstet werden.
Doch noch bauen die Werften Kreuzfahrtriesen statt Offshore-Pendelschiffe. Energie- und Klimawende wird das wirtschaftspolitische Großprojekt dieser Bundesregierung sein. Nur sind die erwartbaren Margen in dem Bereich nicht so hoch wie für Kreuzfahrtschiffe. Und einen richtigen Plan hat bei den beteiligten Regierungen in Berlin und Schwerin noch niemand in der Schublade.
Warum eigentlich nicht? Würde ein gut durchdachter Plan doch die Zweifel am wirtschaftspolitischen Sachverstand ausräumen – und das soziale Interesse an der betroffenen Region bekräftigen.
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