Integrationsdebatte Thomas de Maizières Fehler

Der Innenminister setzt in seinem Integrationskonzept auf harsche Erziehung und Vorschriften. Doch das widerspricht unserer Kultur und dem liberalen Gedanken – und fördert Ausgrenzung. Eine Analyse.

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Thomas de Maizières Gesetzesentwurf sieht auch eine Wohnsitzauflage vor. Quelle: AFP

Düsseldorf Wer sich nicht an Regeln hält, wird bestraft: Das ist das Motto des Lehrers, damit der Schüler den Unterricht nicht stört; der Eltern, damit das Kind sein Kinderzimmer aufräumt – und das von Thomas de Maizière (CDU), damit Flüchtlinge auch Deutschkurse besuchen und Arbeitsangebote annehmen. Doch das sind Erziehungsmethoden von gestern.

Der Bundesinnenminister möchte ein neues Integrationsgesetz vorlegen: Wenn sich Flüchtlinge nicht bemühen, Deutsch zu lernen, und angebotene Arbeit nicht annehmen, dürfen sie nicht dauerhaft in Deutschland bleiben. Einfach ausgedrückt: Wer nicht Deutsch lernt und arbeitet, muss gehen. Wer kein gewünschtes Verhalten zeigt, wird bestraft.

Doch klar ist: Angst ist kein guter Motivator. Wer Dinge von sich aus erledigt, weil es ihm ein Anliegen ist, weil es Spaß macht oder das Leben bereichert, erzielt bessere Ergebnisse. Die Arbeitswelt hat das längst verstanden, doch de Maizière bleibt bei den alten Erziehungsmethoden: Er schreibt das Thema Bestrafung wieder groß. Er geht davon aus, dass man Menschen zur Integration zwingen muss.

De Maizière macht noch einen Fehler: Geht es nach ihm, soll die Bestrafung nach drei Jahren eintreten. Dabei ist aus der Entscheidungspsychologie bekannt, dass negative Konsequenzen, die in weiter Zukunft auftreten, kaum abschreckend wirken. Und: Strafen für das Verweigern von Integrationskursen gibt es bereits: Wer einen solchen Kurs besuchen muss und nicht erscheint, dem können die Bezüge gekürzt oder ein Bußgeld aufgebrummt werden.

Das eigentliche Problem ist doch ein anderes: Seit November vergangenen Jahres dürfen Asylbewerber freiwillig an den Kursen teilnehmen – sofern es genügend Plätze gibt. Doch das ist nirgendwo der Fall. Und damit ist de Maizières Vorstoß bloße Beschwichtigungspolitik, um Skeptiker, die gegen die scheinbar integrationsunwilligen Flüchtlingen meutern, ruhig zu stellen. Eine weitere Wirkung wird die Gesetzesvorlage nicht haben.

Doch nicht nur Sprachkurs-Pflicht ist Bestandteil von de Maizières geplanter Gesetzesvorlage, die er zusammen mit Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) entwickelt hat. Der Gesetzesentwurf sieht auch eine Wohnsitzauflage vor. Dadurch dürfen Flüchtlinge ohne Arbeit nicht mehr frei wählen, wo sie hinziehen. Ein weiterer Fehler.

Laut de Maizière gehe es darum, Ghettobildung zu verhindern und die Großstädte zu entlasten. In Zeiten des Wohnraummangels ist das zwar nachvollziehbar: In den Städten schießen die Mieten in die Höhe, für Familien und Normalverdiener wird das Leben in der Stadt unbezahlbar, hingegen sterben Dörfer, insbesondere im Osten, aus. Da ist es naheliegend, die Flüchtlinge dorthin zu schicken, wo Platz ist. Nur: Arbeit findet man auf dem Land nur schwer. Und Arbeit ist zur Integration notwendig. Außerdem: Menschen wählen ihren Wohnort nicht nur aufgrund ihrer Arbeitsstelle. Der Städteboom hängt mit so viel mehr zusammen: Es geht um kulturelle Angebote. Vielfalt. Sozialisation. Es geht ums Dazugehören.

Wir leben in einer liberalen Gesellschaft. Jeder Mensch ist gleich, egal, welchen Geschlechts, welcher Religion, welcher Herkunft, welcher Sprache. Jeder darf seinen Beruf selbst wählen. Jeder Mensch darf entscheiden, ob er in der Stadt lebt oder auf dem Land.

Wir sind alle frei. Das ist unsere Kultur. Die Kultur, in die sich Flüchtlinge integrieren sollen. Wenn wir ihnen vorschreiben, wo sie zu wohnen haben, schließen wir sie aus genau der Kultur aus, die wir ihnen vermitteln wollen.

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