Schon der Begriff ist sperrig. Für standardessentielle Patente interessieren sich bisher vor allem Experten. Dabei sind die zentral für die künftige Wettbewerbsfähigkeit von ganzen Volkswirtschaften: Ohne bestimmte Mobilfunkpatente kann das Internet der Dinge allerdings nicht funktionieren. Betroffen ist die Automobilbranche, wenn es um autonomes Fahren geht - aber auch alle anderen Hersteller von vernetzten Gütern.
„Die Bundesregierung geht ihrer Verantwortung beim Thema standardessentielle Patente aus dem Weg“, kritisiert der FDP-Bundestagsabgeordnete Oliver Luksic. In der Antwort auf eine kleine Anfrage von ihm und Fraktionskollegen bestätigt die Bundesregierung zwar, dass standardessentielle Patente „von zentraler industriepolitischer Bedeutung für die künftige 5G Entwicklung“ seien. Wie genau ihr Engagement dafür aussieht, bleibt vage in dem Papier, das der WirtschaftsWoche vorliegt. „Die Bundesregierung wird die Arbeiten auf europäischer Ebene in diesem Bereich weiter konstruktiv unterstützen und begleiten“, heißt es. Unter anderem habe die Bundesregierung die EU-Kommission gebeten, eine kohärente Gesamtstrategie zum Schutz geistigen Eigentums vorzulegen.
Vor allem teilt die Bundesregierung nicht die Einschätzung, dass die deutsche Patentrechtsreform, die noch in dieser Legislaturperiode beschlossen werden soll, zu einer Welle an Unterlassungsklagen führen könnte. Dies wird vor allem in der Autoindustrie befürchtet.
Deutschland schützt Patentinhaber im weltweiten Vergleich ungewöhnlich stark. Sie genießen einen quasi automatischen Unterlassungsanspruch, was dazu führt, dass viele ausländische Unternehmen in Deutschland vor Gericht ziehen - darunter auch Patentverwerter, denen es darum geht, möglichst viel Geld aus ihren Schutzrechten zu holen.
Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass standardessentielle Patente, also Mobilfunkpatente an Schlüsselstellen, die für Anwendungen wichtig sind, zu fairen Bedingungen lizenziert werden müssen. Patentinhaber wie Nokia sehen darin aber eine wichtige Einnahmequelle. Nokia hat den Premiumhersteller Daimler in Deutschland mit einer Serie von Klagen überzogen, bei denen teure Produktionsstopps drohen.
Die Automobilhersteller hatte gehofft, dass die Patentreform diese Praxis beenden würde. Justizministerin Christine Lambrecht hat jedoch nur eine minimale Änderung vorgesehen, die an den Patentkriegen wenig ändern würden. Ihre Position scheint im Bundestag mehrheitsfähig zu sein, wie die jüngste Debatte zum Thema zeigte.
Im Bundestag fand am heutigen Mittwoch eine Anhörung statt, zu der mit Ausnahme des Vertreters der Automobilindustrie ausschließlich Gegner von großen Änderungen geladen waren.
Die wirklich wichtige Entscheidung könnte nun der Europäische Gerichtshof fällen, an den zwei der Fälle von Nokia gegen Daimler verwiesen wurden. Die EU-Kommission hat bisher Beschwerden von Daimler und Zulieferern nicht mit Nachdruck behandelt, weil sie Technologieunternehmen wie Nokia und Ericsson nicht schwächen will. Interessant wird es sein, wie sich die Mitgliedsländer zu dem Thema aufstellen, die alle Stellungnahmen an den EuGH abgeben. Bei Schweden und Finnland ist klar zu erwarten, dass sie sich hinter ihre Mobilfunkausrüster stellen werden. Offen ist dagegen, wie sich die Bundesregierung positionieren wird.
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