Interview Friedrich Merz "Ungesund ist unsozial"

Der Finanzexperte Friedrich Merz und CDU-Abgeordnete deckt Fehler im Gesundheitssystem auf und sucht nach Lösungen.

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Friedrich Merz (CDU) Quelle: AP

WirtschaftsWoche: Herr Merz, bereiten Sie Ihr Comeback als Gesundheitsminister vor? Schließlich heißt Ihr neues Buch „Wachstumsmarkt Gesundheit“.

Friedrich Merz: Nein, ich bin auch nur der Herausgeber. Aber Gesundheit ist eines der zentralen sozialen Themen, und der gesamte Sektor ein wichtiger Teil unserer Volkswirtschaft.

Warum ist es so schwer, den Menschen ein Thema wie die Gesundheitspolitik näherzubringen? Sie betrifft doch alle.

Die Politik hat den Fehler gemacht, Gesundheitspolitik immer nur unter Kostengesichtspunkten und den Einschränkungen für die Betroffenen zu diskutieren. Wir haben das Thema kaum ganzheitlich betrachtet: dass es ein Job-Motor sein kann; dass die Grenzen zwischen Wiederherstellung und Bewahrung der Gesundheit, Wellness und Sport fließend werden; dass die Bevölkerung bereit ist, dafür zunehmend etwas zu tun. Das wollen wir mit dem Buch nachholen.

Sie beklagen, dass der Anreiz fehlt, gesund zu leben und Kosten zu vermeiden. Wie wollen Sie kontrollieren, ob beispielsweise jemand raucht oder keinen Sport macht?

Noch einmal: Ich bin der Herausgeber eines Buches mit sehr vielen Autoren und sehr unterschiedlichen Auffassungen. Aber wir werden über die richtigen Anreizsysteme schon reden müssen. Ich will das am Beispiel der Diabetes deutlich machen. Die Zahl dieser Erkrankungen wird exponentiell steigen und zwar fast ausschließlich wegen falscher Ernährung und mangelnder Bewegung. Und spätestens in zehn Jahren werden sich die Gesunden fragen, ob sie bereit sind, für die Lebenshaltung eines Teils der Bevölkerung signifikant höhere Beiträge zu zahlen.

Setzt man sich da nicht dem Vorwurf aus, unsozial zu sein?

Unsozial verhalten sich diejenigen, die Raubbau mit ihrer Gesundheit treiben und sich darauf verlassen, dass die Solidargemeinschaft dafür aufkommt. Ich will keine Strafen, nur richtige Anreize. Ein Beispiel sind die Bonushefte beim Zahnarzt.

Eine weitere unbequeme Wahrheit ist die mangelnde Generationengerechtigkeit. Ihr Buch fragt: Ist es gerechtfertigt, sechsstellige Beträge auszugeben, um einen alten Patienten einige Wochen länger am Leben zu erhalten?

Diese Frage wird natürlich gestellt, auch von einigen Autoren des Buches. Das muss erlaubt sein. Die Antwort der Politik darauf erfordert eine breite gesellschaftspolitische Diskussion.

Apropos Generationengerechtigkeit: Wieso gibt es in der CDU keinen Aufschrei gegen die außerplanmäßige Rentenerhöhung?

Ich habe der Entscheidung in der Fraktion nicht zugestimmt. Aber für die CDU müssen andere sprechen.

Jede Verbesserung der Gesundheitsversorgung treibt die Arbeitskosten hoch und gefährdet so Arbeitsplätze. Wo ist der Ausweg?

Nicht die Verbesserung der Versorgung, sondern die steigenden Beiträge verteuern die Arbeit. Das wird so lange so bleiben, wie die Krankenversicherung an das sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis gekoppelt ist. Und über den neuen Gesundheitsfonds werden die Beiträge erneut steigen und zusätzlich noch Steuersubventionen in das System gepumpt. Allerdings kommen auch die Buchautoren bei diesem Thema nicht zu gleichen Lösungen.

Zu welchen?

Die sehr unterschiedlichen Autoren geben sehr unterschiedliche Antworten. Der SPD-Kollege Lauterbach etwa würde Krankenkassenbeiträge auf alle Einkommen einführen, also eine Art Gesundheitssteuer. Ich würde die Beiträge viel stärker versicherungsmathematisch berechnen, statt sie vom Einkommen abhängig zu machen, denn meine Gesundheit hat mit meinem Beschäftigungsverhältnis nichts zu tun!

Muss denn mehr Geld ins System?

Das ist unverzichtbar, Gesundheit wird teurer.

Und wo soll das herkommen?

Es gibt drei große Lebensbereiche, für die die Bevölkerung bereit sein muss, mehr aus dem verfügbaren Nettoeinkommen zur Verfügung zu stellen: für die Gesundheit, für die Altersvorsorge und für Bildung – allesamt Investitionen in die eigene Zukunft. Da aber die Einkommen schon heute kaum ausreichen, kann dies nur zulasten des Konsums gehen. Unsere Gesellschaft ist zu sehr auf Konsum und zu wenig auf Investitionen eingestellt.

Die Arbeitgeber würden von der Finanzierung befreit?

Der sogenannte Arbeitgeberbeitrag ist nur eine Verrechnungsgröße eines Einkommens, das der Arbeitnehmer allein in voller Höhe erwirtschaften muss.

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