Interview mit Volker Beck „In der CDU und in der CSU sind ja keine Unmenschen“

Seit heute gilt die „Ehe für alle“. Damit geht ein Kampf zu Ende, der Jahrzehnte gedauert hat. Gekämpft wie kein anderer hat ihn Volker Beck. Im Interview sagt der Grünen-Politiker, wie es nun weitergehen sollte.

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Volker Beck bejubelt mit seinen Fraktionsmitgliedern der Grünen das Ergebnis der Abstimmung im Bundestag. Quelle: dpa

Der Grünen-Politiker Volker Beck wird nicht im neuen Bundestag sitzen. Nach über 20 Jahren als Abgeordneter endet der Job des 55-Jährigen in Berlin. Einen sowohl persönlichen als auch politischen Sieg konnte Beck kurz vor Ende der Legislaturperiode noch einfahren: Eines seiner wichtigsten Projekte, die „Ehe für alle“ wurde Gesetz. An diesem Sonntag tritt es in Kraft.

Herr Beck, seit heute können alle Menschen heiraten. Sind Sie damit am Ziel?
Mit der Beendigung der rechtlichen Diskriminierung und der vollständigen Gleichstellung beenden wir die Episode der Toleranz: Die Epoche der Akzeptanz beginnt. Das war ein Kampf, der lange gedauert hat: Ich habe noch dafür gekämpft, dass wir die Kriminalisierung der Homosexualität 1994 aus dem Strafgesetzbuch streichen. Die Gleichberechtigung wurde nun erreicht. Das Ziel einer Gesellschaft mit gleicher Würde und gleichen Rechten für alle sind wir damit einen Schritt näher.

Warum hat die Entscheidung zur „Ehe für alle“ so lange gedauert?
Die Antwort hat einen Namen: Angela Merkel. Nach zwölf Jahren Kanzlerschaft hat sie entdeckt, dass es eine Gewissensfrage ist. Da haben wir ihr aber erst auf die Sprünge helfen müssen. Davor hat sie die „Ehe für alle“ über 3 Wahlperioden einfach blockiert.

Wie lange haben Sie persönlich für die „Ehe für alle“ gekämpft?
Ich habe das erste Papier dazu 1989 geschrieben. Für ein einzelnes Leben ist das eine lange Zeit, historisch betrachtet aber eher nicht. Daran gemessen, wie lange Homosexualität strafbar war und wie lange es gedauert hat, die letzten Reste dieser strafrechtlichen Sonderbehandlung zu streichen – dann ist die Zeit für den Beschluss zur „Ehe für alle“ doch überschaubar. Die Ehe für alle ist eine Erfolgsgeschichte der Demokratie, des Siegs der Gerechtigkeit über das Vorurteil: Diese Debatte zeigt, wie man durch Argumente und politischen Aktivismus Meinungen der Gesellschaft und schließlich auch das Recht in einer Demokratie verändern kann. Von wegen, man kann ja doch nichts ändern. Stimmt nicht. Das haben wir bewiesen.

Der Lesben- und Schwulenverband nennt Argentinien und Malta als Vorbilder. Was können wir noch lernen?
Wir haben zwar die Öffnung der Ehe erreicht, hinken beim Recht für Transsexuelle aber ziemlich weit hinterher. Argentinien, das Mutterland des Papstes, ist ein gutes Beispiel, weil das Land eine sehr fortschrittliche Gesetzgebung im Bereich Geschlechtsidentität hat: Das argentinische Gesetz legt fest, dass nur der Mensch selbst über seine persönliche Geschlechtsidentität umfassend, kompetent und korrekt ohne entwürdigende, bürokratische Prozeduren Auskunft geben kann. Kein Richter, kein Gutachter und kein Verwaltungsbeamter kann das besser als der Mensch selbst.
Daran sollte sich jeder freiheitliche Gesetzgeber ein Beispiel nehmen.

Was wären in Deutschland die nächsten Schritte in Richtung Gleichberechtigung?
Ich hoffe, dass mein Vorschlag, das Transsexuellengesetz durch ein Selbstbestimmungsgesetz zu ersetzen, in der nächsten Legislaturperiode von welcher Koalition auch immer aufgegriffen wird. Trotz dieser Rechtssetzung gibt es noch viel Homo- und Transphobie in unserer Gesellschaft, bis hin zu Gewalttaten. Wir brauchen einen nationalen Aktionsplan. Ein weiterer Schritt in Richtung Akzeptanz wäre, ganz unten anzufangen und zu erklären, was es bedeutet in allen Bereichen, in jeder Verwaltung und Einrichtung, anderen Leuten Respekt zu zollen. Das betrifft nicht nur Homophobie, auch Antisemitismus, Antiziganismus oder Rassismus.

Haben Sie Hoffnungen, dass das in einer Koalition mit der CSU möglich ist?
In der CSU und der CDU sind ja auch keine Unmenschen. Aufklärung und Demokratisierung haben auch in der Union Spuren hinterlassen. Der CSU-Abgeordnete Bernd Fabritius zum Beispiel lebt offen schwul und ist Präsident des Bundes der Vertriebenen. Das hätte man von einem CSU-Abgeordneten früher nicht erwartet. Es hat sich was verändert in unserer Gesellschaft und das ist auch gut so und aus diesem Grund kann man nicht einfach alle CDU/CSU-Abgeordneten in eine Ecke stellen, da muss man schon genauer hinschauen. Ich hoffe, dass die Widerstände beim Bekämpfen von Menschenfeindlichkeit nicht so groß sind, wie bei der Ehe, bei der manche Konservative ein erstarrtes Bild von der Institution verbinden.

Sie sind im nächsten Bundestag nicht vertreten. Wer wird diese Debatten jetzt an Ihrer Stelle führen?
Da gibt es sicher mehrere. Ich will mich da bei den Personalfragen nicht mehr einmischen. Das muss die neue Fraktion selbst mit sich ausmachen. Trotzdem habe ich keine Sorge, dass es an geeignetem Personal fehlt, das sich um diese Fragen kümmern möchte.

Was werden Sie in den letzten Tag im Bundestag noch erledigen?
Ich warte noch auf ein paar Antworten auf Anfragen an die Bundesregierung und sitze noch an der Finalisierung von ein paar Aufsätzen und dann muss ich auch das Büro aufräumen, Kisten packen und abschließen.

Was kommt in der Zeit danach? Wofür werden Sie sich einsetzen?
Ich werde mich als Bürger für ähnliche Dinge einsetzen wie als Politiker: für Freiheit und für eine Kultur und Politik des Respekts gegenüber allen Menschen. Welche konkreten Formen das annehmen wird, weiß ich noch nicht. Ich nehme mir jetzt erst mal Zeit, in mich zu gehen und dieser neuen Rolle nachzuspüren. Ich werde lesen, nachdenken, lernen und auch lehren, vielleicht etwas schreiben. Ich freue mich auch auf die geistige Freiheit jenseits des parteipolitischen Alltags.

Herr Beck, vielen Dank für das Gespräch.

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