„Das Aussteigerprogramm hat zudem einen zweiten Effekt“, erklärt Bertelsen. „Wenn junge Leute sehen, dass sie noch eine Chance haben, obwohl sie in Syrien waren, kehren manche heim, bevor sie verloren sind.“ Durch das Programm würde ihnen gezeigt, dass sie in der dänischen Gesellschaft willkommen seien – es sei ein Statement: „Wir sind nicht gegen Moslems.“
Die Vorteile hat auch die dänische Regierung erkannt. Im September verabschiedete sie ein Programm, das in großen Teilen dem Aarhus-Programm entspricht. In den nächsten Monaten soll es nach und nach in ganz Dänemark etabliert werden.





Bertelsen betrachtet ein solches Vorgehen in Anbetracht der 3000 jungen Europäer, die in Syrien kämpfen, als notwendig für ganz Europa. „Wenn der IS zerschlagen ist, was wollen wir dann mit den Europäern in Syrien machen? Wenn sie nirgends in der Welt willkommen sind, werden sie sich anderen Gruppen anschließen und sich weiter radikalisieren.“
Sie alle einzusperren, sei keine Lösung. Warum, sieht man derzeit in Frankreich. Dort rekrutieren inhaftierte IS-Anhänger Gefängnisinsassen für ihre Sache. „Wenn wir den Europäern in Syrien nicht helfen, haben wir ein riesiges Problem“, sagt Bertelsen.
Keine Strategie für den Umgang mit den Salafisten in Deutschland
„Die Bundesregierung hat verschlafen, ein Frühwarnsystem aufzubauen“, sagt Ceylan. „Jetzt versuchen wir verspätetet etwas aufzubauen.“ Und das, obwohl sich die aktuelle Entwicklung schon seit den Terroranschlägen vom 11. September abgezeichnet habe. Schon damals hätten sich erste salafistische Gruppen zu Wort gemeldet. „In Deutschland hat sich die Politik in puncto Prävention gegen Salafismus und Extremismus nicht gekümmert“, sagt Ceylan.
Zumindest macht sich mittlerweile ein Verantwortungsgefühl in den Reihen der Politik breit. „Die deutschen Kämpfer sind nun mal Teil des Konflikts, den wir zu lösen haben“, sagt Innenminister Thomas de Maizière (CDU). „Ein Großteil wurde hier geboren. Sie sind in unsere Schulen gegangen, in unsere Moscheen, in unsere Sportvereine. Wir tragen für ihre Radikalisierung Verantwortung.“
Für die Heimkehrer sieht Ceylan wie Innenminister de Maizière die Deutschen in der Verantwortung. Gäbe die Gesellschaft orientierungslosen Jugendlichen keinen Halt, vollzögen sich „Terror-Karrieren“ in der Regel sehr schnell, sagt Ceylan unter Verweis auf Erik B., der 2008 binnen drei Monaten vom Musterschüler zum Terroristen wurde und schließlich in Afghanistan fiel.
Solche Schicksale könnten in Zukunft seltener werden. Doch dafür müsste sich die Bundesregierung ein Vorbild an Dänemark nehmen und flächendeckende Extremismuspräventions- und Deradikalisierungsprogramme aufbauen.