IW-Studie Wenn Neubau in Kleinstädten zum Problem wird

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Wohnungsbau: Die kleine Stadt Ochtrup macht es besser

Auch in Ochtrup geschieht das. Der Definition nach ist Ochtrup mit etwa 20.000 Einwohnern so gerade noch eine Kleinstadt auf der Schwelle zur Mittelstadt. In manchen solcher Städte wird der IW-Studie nach zu viel gebaut. Ochtrup liegt im Münsterland, im Norden befindet sich die Grenze zu Niedersachsen, im Westen die zu den Niederlanden. Zwar werde in Ochtrup laut Bürgermeister Kai Hutzenlaub von der SPD auch „sehr viel“ gebaut. Doch einen Leerstand von Wohnhäusern oder Wohnungen gibt es in der Stadt fast nicht, die Bevölkerung wächst.

Bürgermeister Hutzenlaub ist darauf bedacht, die Stadt beieinander zu halten. „Sobald wir Bauland ausweisen, finden wir meist sofort Bauwillige. Dabei nutzen wir nicht einmal alle Flächen aus, die vorhanden sind.“ Zwar werden auch in Wohnbaugebieten neue Einfamilienhäuser gebaut. „Diese sind allerdings in unmittelbarer Nähe der Innenstadt – so halten wir Ochtrup kompakt und die Fuß- oder Fahrradwege kurz. Gerade hier im Münsterland sind die Leute ja gerne mit Fahrrad unterwegs“, sagt Hutzenlaub.

Doch vor allem in der Innenstadt, vor deren Verlust an Bedeutung die Forscher vom Institut der deutschen Wirtschaft warnen, wird verdichtet: „Flächen, die noch bis vor wenigen Jahren komplett frei waren, werden derzeit von privaten Bauunternehmen bebaut“, erläutert Hutzenlaub. „Im ursprünglichen und historischen Ochtruper Stadtkern sind in den letzten Jahren viele Grundstücke von Investoren aufgekauft worden, um diese zu sanieren.“ In den unteren Etagen sollen neue Gastronomie und Dienstleistungen errichtet werden und darüber neue Wohnungen entstehen. Das ist auch bitter nötig, eine Mietwohnung in Ochtrup zu finden, sei laut dem Bürgermeister „durchaus problematisch“.

Durch diesen Geschosswohnungsbau „hoffen wir auch alleinwohnende Personen aus großen Häusern zum Umzug in eine Wohnung zu bewegen. So soll mehr Fläche frei werden“, sagt Karin Korten, Leiterin des Fachbereichs Planen, Bauen und Umwelt in der Ochtruper Stadtverwaltung. Der einzige Leerstand, den Ochtrup zurzeit zu verzeichnen hat, ist gewerblicher Natur. Doch dieser sei notwendig: „Die Leerstände befinden sich vor allem derzeit im nördlichen Bereich der Fußgängerzone. Ein großer Teil dieser Leerstände gehört zu der über 1500 Quadratmeter großen Fläche, auf der ein ortsansässiger Investor die Gebäude sanieren will. Dass Gebäude nun leer stehen, ist also notwendig, um eine Entwicklung zu ermöglichen. Die anderen Teile der Fußgängerzone erneuern wir Zug um Zug, sodass diese zukunftstauglich sind.“

Zwar wird in Ochtrup also nicht zu viel gebaut und auch die Innenstadt soll lebendig bleiben. Doch es darf zumindest hinterfragt werden, wie gesund diese Wohnungsbaupolitik in der Stadt, die im Wahlkreis von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn liegt, ist: „Fünf Prozent Leerstand sind angemessen. Eine Stadt braucht einfach einen gewissen Anteil an freien Wohnflächen, um flexibel zu sein. Sei es für Zu- oder Umzüge – das ist die sogenannte Fluktuationsreserve“, erklärt Planungs- und Baurechtsprofessor Dehne. „Meiner Meinung nach ist auch eine Leerstandsquote von sieben Prozent noch moderat.“

Outlet-Center als Aushängeschild

Mittlerweile ist das aber auch in der Umgebung von Dehnes Hochschule in Neubrandenburg nicht immer der Fall: „Hier in Mecklenburg-Vorpommern stellen wir fest, dass auch die Preise in Mittelstädten wie Rostock und Greifswald anziehen.“ Selbst in einer Kleinstadt wie Waren sei der Wohnungsmarkt angespannt.

Und auch Ochtrup ist weit von fünf Prozent Leerstand entfernt. Warum der Wohnbedarf hier so hoch ist? Das Outlet-Center Ochtrup der Londoner McArthurGlen Group samt Marken wie Adidas, Lacoste oder Nike lockt Besucher aus entfernten Städten und den Niederlanden. Und die Beschäftigten des Outlets „müssen schließlich irgendwo unterkommen“, sagt Bürgermeister Hutzenlaub. „Demnächst steht die nächste Erweiterung des Outlets an, dadurch sollen 400 neue Arbeitsplätze entstehen.“ Außerdem verlaufen die A31 und 30 in der Nähe der Stadt, eine Regionalbahn fährt Münster oder Enschede ohne Umstieg an.

Das macht die Stadt attraktiv. Und damit die wachsende Ochtruper Bevölkerung nicht nur außerhalb des Stadtzentrums in neugebauten Einfamilienhäusern wohnt, wurde 2017 die Förderinitiative „Jung kauft Alt“ auf den Weg gebracht. Wer sich für den Kauf eines Altbaus – von denen es im historischen Ortskern mehr als genug gibt – entscheidet, wird von der Stadt durch Beratung und finanzielle Zuschüsse dabei unterstützt. So soll auch die Innenstadt lebhaft gehalten werden. Und Ochtrup käme dem Wunsch nach einer kompakten Stadt nach.

Eine solche Initiative nutzen auch andere kleine Städte schon länger. Etwa Hiddenhausen, Bad Bentheim oder Heek. In Ochtrup scheint sie zu fruchten. „Erfreulicherweise stellen wir mittlerweile mehr Nachfrage für die Altbauten fest“, sagt Kai Hutzenlaub. Wenn das in Ochtrup so weitergeht, dann muss hier hoffentlich nicht wie anderswo gegen die Wohnungspolitik in der Stadt protestiert werden.

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