IWF und Griechenland „Bedingungen wie ein zahnloser Papiertiger“

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat einer weiteren Milliardenzahlung für Griechenland unter Auflagen zugestimmt. Doch die sind relativ wirkungslos, sagt DIW-Forschungsdirektor Alexander Kritikos. Ein Gastbeitrag.

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Mit seinem Griechenland-Pessimismus erschwert der IWF die Rückkehr des Landes an die Kapitalmärkte, meint das DIW. Quelle: dpa

Der Internationale Währungsfonds (IWF) ist nun scheinbar wieder Teil des dritten Rettungspakets für Griechenland. Denn letzte Woche billigte der Fonds „grundsätzlich“ einen Bereitschaftskredit in Höhe von 1,6 Milliarden Euro mit einer Laufzeit von rund einem Jahr, den Griechenland weder benötigt noch abrufen wird. Zumindest ist so die Form gewahrt, schließlich sind laut Beschluss des deutschen Bundestags Zahlungen aus dem dritten Hilfspaket an eine solche Beteiligung des IWF geknüpft.

Interessanter sind die Bedingungen, die der IWF an eine Auszahlung stellt. Griechenland soll seinen Reformkurs fortsetzen. Und die europäischen Gläubiger sollen Griechenland weitere Schuldenerleichterungen gewähren und den von Griechenland eingeforderten Primärüberschuss, das ist die Differenz zwischen Staatseinnahmen und –ausgaben, von derzeit 3,5 auf 1,5 Prozent reduzieren.

Angesichts der Tatsache, dass der IWF-Kredit nicht benötigt wird, kommen die Bedingungen wie ein zahnloser Papiertiger daher. Dennoch lohnt ein Blick auf sie.

Punkt 1: Zweifelsohne braucht Griechenland weitere Reformen, aber welche? Der IWF fordert, Griechenland solle Güter- und Dienstleistungsmärkte für die Konkurrenz öffnen. Ein Evergreen, der wenig bewirkt, solange nicht tiefgreifendere Reformen angegangen werden.

Denn eine solche Öffnung von Märkten setzt erst dann Marktkräfte frei, wenn diese Öffnung begleitet wird von Strukturreformen, etwa von einer effizienteren Ausgestaltung der Verwaltungsstrukturen, also einem Abbau von Bürokratie und der Überregulierung des unternehmerischen Alltags, etwa von einem verlässlicheren Steuersystem mit akzeptablen Steuersätzen, oder von einer Beschleunigung von Zivilprozessen zur gerichtlichen Durchsetzung von Vertragsansprüchen.

Leider gibt es bei diesen zentralen Reformvorhaben seit inzwischen sieben Jahren keine Fortschritte. Und man kann nicht nachvollziehen, warum die europäischen Gläubiger wie auch der IWF diese Reformen kaum mehr ansprechen.

Punkt 2: Weitere Schuldenerleichterungen. Ob Griechenland die benötigt, hängt vom Szenario über die zukünftige Wirtschafts- und Inflationsentwicklung ab. Bei guter Wirtschaftsentwicklung in Griechenland und etwas höheren Inflationsraten dürfte der Kapitalwert der griechischen Staatsschuld angesichts der bereits erhaltenen Erleichterungen bei unter 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegen, also viel niedriger als der derzeitige Wert von 180 Prozent.

Schuldenerleichterungen wären dann wohl nicht mehr nötig. Aber der IWF sieht das anders. Er hat in den vergangenen Jahren viel zu positive Prognosen über das griechische BIP gemacht. Meist klaffte eine Lücke von 5 Prozentpunkten zwischen IWF-Prognose und tatsächlicher Entwicklung. Nun hat man im IWF die „Lektion“ gelernt, und prognostiziert dauerhaft niedrige Wachstumsraten für die nächsten 20 Jahre. Der Pessimismus wird nicht näher begründet, führt aber dazu, dass die vollständige Rückkehr Griechenlands an die Kapitalmärkte unter Umständen erschwert wird.

Punkt 3: Absenken des von Griechenland geforderten Primärüberschusses. Hier trifft der IWF einen wichtigen Punkt, auch wenn es noch besser wäre, die Vorgaben für den Primärüberschuss mit einer wachstumsabhängigen Komponente zu versehen. Denn die griechische Wirtschaft braucht nicht Steuererhöhungen, wie im Rahmen des dritten Rettungspakets zuletzt durchgeführt, sondern Steuersenkungen.

Die Belastung etwa für griechische Selbständige aus Steuern und Sozialabgaben beträgt mittlerweile 70 Prozent, die Unternehmenssteuern sind höher als in den angrenzenden Nachbarstaaten und die hohe Umsatzsteuer tut ein Übriges. Steuersenkungen bei verbesserter Durchsetzung der Steuergesetze wäre derzeit das Gebot der Stunde, um ein besseres Investitionsklima zu schaffen. Derzeit werden die Unternehmen eher vergrault.

Dennoch wird der IWF mit dem Wunsch nach einem maßvolleren Primärüberschuss, der solche Steuersenkungen möglich macht, in Europa weiter auf taube Ohren stoßen. Da ist es kein Wunder, dass der deutsche Finanzminister kürzlich verkündet hat, der IWF würde zukünftig in kein weiteres europäisches Programm einbezogen. Die Begründung: der Ansatz des IWF ist geeignet für Länder mit eigener Währung aber nicht für Länder in einer Währungsunion.

Nur: Solange die europäischen Gläubiger weiterhin auf diesem hohen Primärüberschuss beharren, werden sie Mitverantwortung für die verlangsamte Rekonvaleszenz des griechischen Dauerpatienten tragen.

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