Jahr der Entscheidungen Auf diese Köpfe kommt es 2022 an

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Die Ampel will durchstarten, wichtige Landtagswahlen stehen an – und geopolitisch werden es unruhige Zeiten: Die WirtschaftsWoche stellt Politikerinnen, Macher und Entscheider vor, die das neue Jahr prägen dürften.

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Patrick Graichen, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium
„Rhetorischer Anspruch und gesetzgeberische Wirklichkeit passen in Berlin nicht zusammen.“ Oder: „Die Regierung ist stärker gefordert. Ich nehme da bislang viel zu wenig Ehrgeiz wahr.“ Mit Sätzen wie diesen aus einem WirtschaftsWoche-Interview von 2019 hat sich Patrick Graichen in der Vergangenheit als Advokat der ökologischen Transformation profiliert. Und als Chef der Denkfabrik Agora Energiewende war Graichen stets eine der vernehmbarsten und meistrespektierten Stimmen in der Debatte.

Nun muss, kann und darf der einst aus dem Umweltministerium zur Agora gewechselte Graichen seinen Worten Taten folgen lassen: als beamteter Staatssekretär soll er an der Seite Robert Habecks an zentraler Stelle die Energiewende vorantreiben. Diese werde „schlecht gemanagt und schlechtgeredet“, hat Graichen damals ebenfalls zu Protokoll gegeben. Nun denn, jetzt ist er dran.

Patrick Graichen Quelle: imago images

Verena Hubertz, SPD, Bundestagsfraktionsvize
Kurz nach der Bundestagswahl war viel und gerne vom neuen Jugendstil die Rede, von den zahlreichen Jungwählern, die insbesondere Grüne und FDP mit ihrer Stimme und ihrem Vertrauen ausgestattet hatten. Dass auch die SPD-Bundestagsfraktion ziemlich verjüngt daher kam, spielte eher am Rande eine Rolle – abgesehen von raunenden Prognosen, die vielen neu eingezogenen Jusos um ihren Star Kevin Kühnert würden sicher schon bald die Regierung blockieren.

Doch es gibt da auch noch Neugenossinnen wie Verena Hubertz, Unternehmerin aus Trier, die die erfolgreiche Kochrezept-Plattform „Kitchen Stories“ aufgebaut hat, und in deren Start-up-Küche sogar schon Apple-Chef Tim Cook stand. Hubertz schaffte sofort den Sprung in den SPD-Fraktionsvorstand und wird dort das Thema Wirtschaft vertreten. Dringend benötigte Digitalkompetenz bringt sie jedenfalls mit – jetzt müsste nur noch ein wenig davon auf die Ampelpolitik abfärben.

Plötzlich reich – wohin mit dem Geld? Die WiWo berichtete im vergangenen Jahr über Verena Hubertz und ihren Verkauf von „Kitchen Stories“.

Verena Hubertz Quelle: Presse

Hendrik Wüst, CDU, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen
Was für eine Bühne die Ministerpräsidentenkonferenz sein kann, weiß alle Welt spätestens, seit Markus Söder von dort fast die Kanzlerkandidatur der Union erobert hätte. Nun steht sie einem Mann zur Verfügung, den bis vor einigen Monaten außerhalb von Nordrhein-Westfalen kaum jemand auf dem Zettel hatte: Hendrik Wüst, 46 Jahre, Anwalt, seit der Amtsübernahme vom glücklosen Armin Laschet Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslandes.

Wüst gilt als wirtschaftsaffin und liberal – und als große Nachwuchshoffnung einer Partei, die sich und ihre Rolle erst wieder finden muss. Am 15. Mai wird in NRW gewählt. Für den noch jungen Landesvater ebenso wie für den neuen CDU-Parteichef Friedrich Merz wird die Landtagswahl der erste richtig große Stimmungstest (für die Ampel und SPD-Kanzler Olaf Scholz selbstverständlich auch…). Zuletzt lagen SPD und CDU in Umfragen an Rhein und Ruhr gleichauf. Es dürfte also spannend werden.

Hendrik Wüst Quelle: imago images

Jochen Homann, Chef der Bundesnetzagentur
Ob und wann über die umstrittene Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 Gas nach Deutschland geliefert werden kann, gehört zu den wichtigen geo- und energiepolitischen Fragen im neuen Jahr. Rein technisch wäre das seit September möglich, doch die Bundesnetzagentur, die von Jochen Homann geleitet wird, hatte das Zertifizierungsverfahren Mitte November vorläufig ausgesetzt. Die Nord Stream 2 AG mit Sitz im schweizerischen Zug muss nun eine unabhängige deutsche Tochterfirma gründen, damit das Verfahren wieder aufgenommen werden kann. Im ersten Halbjahr 2022 rechne er nicht mit einer Entscheidung, hatte Homann kürzlich angekündigt. Das Tempo bestimme die Nord Stream 2 AG, die ihre Unterlagen „prüffähig“ einreichen müsse.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte die Entscheidung über die Zulassung als „ganz unpolitisch“ bezeichnet. Geprüft wird zwar nach den Paragrafen des Energiewirtschaftsgesetzes – doch ob sich der Druck auf Homanns Behörde ausblenden lässt, ist fraglich, wenn an der Grenze zur Ukraine russische Soldaten stehen, die Gaspreise auf Rekordkursen pendeln und die USA im Januar über Sanktionen wegen der Pipeline entscheiden wollen.

Jochen Homann Quelle: dpa

Thomas Sattelberger, FDP, Parlamentarischer Staatssekretär im Forschungsministerium
Für die ehemalige Bildungs- und Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) fand Thomas Sattelberger selten freundliche Worte. Sie sollte sich schämen, stänkerte er, als der Haushalt ihres Ministeriums 2020 um 500 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr sinken sollte, und stellte Karliczek ein „Armutszeugnis“ aus. Nun muss der FDP-Politiker beweisen, dass er dazu beitragen kann, es besser zu machen: Die neue liberale Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger hat ihren Parteikollegen als Parlamentarischen Staatssekretär berufen.

Sattelberger, 72, war in seinem früheren Leben Personalvorstand bei der Deutschen Telekom und Continental und ist im September zum zweiten Mal in den Bundestag eingezogen. Er fordert und beschwört leidenschaftlich, Deutschland müsse endlich in Sachen künstliche Intelligenz, Biotech- und Plattformökonomie aufholen, an die digitale Weltspitze aufsteigen und Forschungserkenntnisse besser in die deutsche Wirtschaft tragen. Die ist seiner Meinung nach bei bahnbrechenden Neuerungen zu schwach. Er wird sich daran messen lassen müssen, wie gut das in den kommenden vier Jahren gelingt.

Thomas Sattelberger Quelle: Presse

Anja Hajduk, Grüne, Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium
Für den grünen Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck könnte die gebürtige Duisburgerin im besten Fall das werden, was einst Beate Baumann für Angela Merkel war: Die stille, effiziente, zutiefst loyale und alles überschauende Kraft im Hintergrund. Hajduk, ehemalige grüne Bundestagsabgeordnete und Hamburger Stadtentwicklungssenatorin, soll für Habeck die grüne Regierungspolitik orchestrieren. Genügend exekutive und parlamentarische Erfahrung bringt sie dafür jedenfalls mit, sie gilt als klug und umsichtig.

Im Bundestag hatte sich die 59-Jährige in den vergangenen Jahren zudem auf Haushalts- und Finanzthemen spezialisiert. Auch diese Expertise dürfte angesichts der vielen milliardenschweren Klimaprojekte der Ampel nicht schaden.

Anja Haduk Quelle: imago images

Jens Spahn, CDU, Unions-Fraktionsvize im Bundestag
Es gibt nicht gerade wenige in Berlin, die den Ex-Bundesgesundheitsminister für einen verglühten Stern am politischen Firmament halten. Zu durchwachsen, mit zu vielen Fehlern, Kommunikationspannen und Skandalen durchsetzt, war seine Amtszeit. Die Pandemie stellte für den ehrgeizigen Jens Spahn den ultimativen Stresstest dar.

Doch Spahn wäre nicht Spahn, wenn er einfach aufgeben würde. Er macht weiter – und dürfte schon bald zahlreiche Gelegenheiten bekommen, sich als neuer Gegenspieler von Robert Habeck zu inszenieren. Als zuständiger Fraktionsvize wird er jede sich bietende Chance nutzen, die Energie- und Klimapolitik der Ampel zu attackieren. Die neue Freiheit der fordernden Opposition dürfte der exzellente Redner Spahn sicher auszuspielen wissen. Wer weiß, wohin das noch führt.

Jens Spahn Quelle: imago images

Johannes Vogel, FDP, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer
Viel Zeit für die Arbeit im Ausschuss für Arbeit und Soziales wird dem FDP-Rentenexperten Vogel nach seiner Wahl zum Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der FDP-Fraktion nicht bleiben. Doch Johannes Vogel wird es sich kaum nehmen lassen, seine Partei – und deren Interessen – auch in den weiteren Verhandlungsrunden mit den Koalitionspartnern zum Thema Rente zu vertreten.

Im Wahlkampf hat vor allem Vogel dafür gesorgt, dass überhaupt über Rente gesprochen wurde – vor allem über die Frage, wie diese künftig finanziert werden soll, wenn die geburtenstarken Jahrgänge den Arbeitsmarkt verlassen und immer weniger Berufstätige für immer mehr Rentner aufkommen müssen. Man darf davon ausgehen, dass Vogel gegenüber SPD und Grünen darauf pochen wird, den Kapitalstock für den neu geplanten Aktienfonds innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung über die ersten zehn Milliarden Euro hinaus rasch auszuweiten und die Frage des Kapitalaufbaus langfristig zu klären. Das Konzept seiner Partei sieht vor, zwei Prozent der Rentenbeiträge in diese gesetzliche Aktienrente umzulenken. Ob sie – und mit ihr Vogel – sich damit durchsetzen kann, wird sich dann zeigen.

Johannes Vogel Quelle: Presse

Mehr zum Thema: Verkehrs- und Digitalminister Volker Wissing und SPD-Chef Lars Klingbeil über Impfpflicht und Planungsturbo, das Vorbild Biontech und den Standort Deutschland.

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