Jamaika am Ende Die Erklärungen von Union, FDP und Grünen

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Seehofer dankt Merkel

CSU- und CDU-Vertreter bei ihrer Erklärung zum Scheitern der Jamaika-Sondierungsgespräche. Quelle: dpa

Angela Merkel (CDU):

„Meine Damen und Herren,

es ist ja schon der frühe Morgen, und ich möchte mich als erstes Mal bei unseren Gastgebern hier in der baden-württembergischen Landesvertretung bedanken, die an einem wirklich, ich würde fast sagen historischen Tag uns Gastfreundschaft gewährt haben. Hinter uns liegen vier Wochen intensivster Verhandlungen, und ich glaube, ich kann für CDU und CSU sagen, dass wir nichts unversucht gelassen haben, um doch eine Lösung zu finden.

Wir haben dabei vieles erlebt, sehr unterschiedliche Kulturen von Verhandlungsstilen, und bei den Grünen durchaus bei allen Sympathien manchmal etwas gewöhnungsbedürftig, bei der FDP sehr entschieden, aber wir glauben, dass wir auf einem Pfad waren, auf dem wir hätten eine Einigung erreichen können.

Natürlich mit Abstrichen, das beinhaltet eine Koalition, bei der Partner sich finden sollen, die sehr sehr große Wege zu gehen haben, und deshalb bedaure ich es auch, bei allem Respekt für die FDP, dass wir keine gemeinsame Lösung finden konnten.

Wir hatten aus unserer Perspektive der Union sehr vieles erreicht in diesen Verhandlungen, was die Stabilität des Landes gestärkt hätte, sowohl die Frage der wirtschaftlichen Entwicklung, bei den schweren Fragen der Erwartungen der Grünen an die Leistungen im Blick auf den Klimaschutz, aber vor allen Dingen auch was soziale Fragen anbelangt, die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in den ländlichen Räumen.

Wir haben interessanterweise die erste Einigung über die Landwirtschaftspolitik erzielt, das wäre und ist, weil es bleibt, ja auch ein interessanter Bestandteil, was vielleicht auch versöhnend auf unsere Gesellschaft hätte wirken können, und jetzt müssen wir trotzdem mit den Tatsachen umgehen. Tatsache heißt, dass wir keine Sondierungsgespräche erfolgreich abschließen konnten. Das bedeutet, dass ich morgen den Bundespräsidenten kontaktieren werde, ihn natürlich informieren werde über den Stand der Dinge, und dass wir dann schauen müssen, wie sich die Dinge weiter entwickeln.

Wir, CDU und CSU gemeinsam, ich sage das ausdrücklich, werden Verantwortung für dieses Land auch in schwierigen Stunden übernehmen und auch weiter sehr verantwortungsvoll handeln. Denn die Menschen in Deutschland haben sich heute mehrheitlich gewünscht, dass wir zusammenfinden. Und denen fühlen wir uns verpflichtet. Und wir werden dazu beitragen, mit unseren Kräften, die wir haben, zum Zusammenhalt dieses Landes auch einen Beitrag zu leisten.

Natürlich war ein ganz zentrales Thema das Thema der Migration, der Zuwanderung, hier gab es nicht die großen Unterschiede mit der FDP, aber hier so unsere Einschätzung hätten wir auch eine Lösung mit den Grünen finden können. Und wir wissen, dass wir dieses Land zusammenführen müssen und so werden wir in den nächsten Wochen in einem Weg, den wir nicht genau beschreiben können, natürlich unser verantwortliches Handeln auch weiter fortsetzen.

Es ist ein Tag mindestens des tiefen Nachdenkens, wie es weitergeht in Deutschland. Aber ich will Ihnen sagen, ich als Bundeskanzlerin, als geschäftsführende Bundeskanzlerin, werde alles tun, das dieses Land auch durch diese schwierigen Wochen gut geführt wird.“

"Müssen nun mit den Tatsachen umgehen"

Horst Seehofer (CSU):

"Meine Damen und Herren,

wir haben jetzt vier Wochen hart gearbeitet, um eine Regierung für die Bundesrepublik Deutschland zu bilden. Es waren intensive Gespräche, die auch für mich eine inhaltliche und auch persönliche Bereicherung waren - bei den Verhandlungspartnern, mit denen wir uns beinahe täglich getroffen haben.

Die FDP ist heute ausgestiegen, hat die Verhandlungen abgebrochen. Das ist schade. Das bedeutet gleichzeitig eine Belastung für die Bundesrepublik Deutschland insgesamt, weil wir trotz großer politischer Herausforderungen national und weltweit im Moment eben nicht zu einer neuen Regierungsbildung kommen konnten.

In allen Themenbereichen, in denen wir unterwegs waren, hatten wir entweder schon Verständigungen, zum Beispiel in der schon angesprochenen Landwirtschaft. Das war ja zwischen Union und Grüne ein besonders schwieriges Feld. Aber die Akzeptanz, dass wir eine Landwirtschaft, die auch verstärkt mit den Bauern der ökologischen Förderung zugeführt wird, war das schon ein sehr bemerkenswertes Ergebnis. Auch in vielen anderen Bereichen, wenn es um den Wohnungsbau, um soziale Fragen, um wirtschaftliche Fragen ging, waren die Ergebnisse zum Greifen nahe.

Ich bin über weite Stecken des heutigen Tages davon ausgegangen, dass es am Ende dieses Tages auch zur Regierungsbildung oder zur Koalitionsbildung kommen kann im Sinne von Sondierungsergebnissen, die wir unseren Parteigremien vorlegen können. Ich sage ausdrücklich, auch in der ganzen schwierigen Frage der Zuwanderung, eines Regelwerks für die Zuwanderung, das alle Aspekte umfasst, von der Bekämpfung der Fluchtursachen bis zur Begrenzung der Zuwanderung, wäre eine Einigung möglich gewesen.

Das hätte uns ermöglicht, eine Antwort auf das Wahlergebnis zu geben, nämlich die Polarisierung in der Bundesrepublik Deutschland zu überwinden und politisch radikale Kräfte zurückzudrängen. Das wäre die erste Voraussetzung gewesen. Deshalb sage ich, es ist schade, dass es nicht gelungen ist, dies zum Ende zu führen, was zum Greifen nahe war.

Ich habe heute vor den beiden Delegationen der CDU und der CSU der Bundeskanzlerin gedankt. Gedankt für diese Verhandlungsführung, die sie ohne Unterbrechung in diesen vier Wochen persönlich durchgeführt hat. Das erfordert höchsten Einsatz, höchste Konzentration, höchste Kompetenz. Und die Delegationen von CDU und CSU haben dies mit einem lang anhaltenden Beifall zum Ausdruck gebracht. Danke, Angela Merkel, für diese vier Wochen.“

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