Jamaika-Aus und die Folgen Die AfD und das Neuwahl-Risiko

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Neuwahlen? „Schlechter Zeitpunkt für die SPD“

Das ist die Lesart der AfD. In der Union scheint Merkel derzeit unangefochtener denn je. Am Montagabend stellte sich die Unionsfraktion hinter die Ankündigung der CDU-Bundesvorsitzenden, im Falle einer vorgezogenen Neuwahl erneut für das Kanzleramt zu kandidieren. Die Abgeordneten von CDU und CSU hätten die Bereitschaft Merkels „mit tosendem Applaus“ begrüßt, sagte Fraktionschef Volker Kauder (CDU) nach einer Sitzung der Unions-Parlamentarier in Berlin.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt betonte, es sei wichtig, dass die Schwesterparteien nun eng zusammenblieben. Die vergangenen Wochen hätten nach dem Streit über die Flüchtlingspolitik gezeigt, dass das Vertrauen zueinander wieder gewachsen sei und dass CDU und CSU auch in schwierigen Situationen eng zusammenhalten würden. Er gehe davon aus, dass es Neuwahlen geben werde, nachdem die SPD erneut gezeigt habe, dass sie nicht regierungsfähig sei.

Wenn CDU/CSU die richtigen Lehren aus den zurückliegenden Wochen ziehen, könnten sie womöglich AfD-Wähler wieder zurückgewinnen. „Allerdings müsste die Union ihren Wahlkampf dazu anders anlegen und stärker auf die Bedürfnisse dieser Wähler eingehen“, sagte der Bremer Politik-Professor Probst. „Das betrifft vor allem die Angst vor Kontrollverlust im Zusammenhang mit der Zuwanderung und Ängste, die mit den kulturellen und ökonomischen Veränderungen durch die Globalisierung verbunden sind.“

"Unser Land verträgt keinen Stillstand"
Matthias Müller, Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG"Unser Land verträgt keinen Stillstand", erklärt VW-Chef Matthias Müller. Es müssten wichtige Entscheidungen für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands getroffen und deshalb schnell klare Verhältnisse geschaffen werden. "Eine Hängepartie können wir uns nicht erlauben." Quelle: dpa
Christoph Schmidt, Vorsitzender des Sachverständigenrats ("Die fünf Wirtschaftsweisen")Der Chef der Wirtschaftsweisen, Christoph Schmidt, hat angesichts des Scheiterns der Jamaika-Sondierungen vor einem Regierungsbündnis aus ständig miteinander streitenden Parteien gewarnt. "Ein Bündnis, deren Partner sich in den kommenden Jahren vor allem gegenseitig blockieren würden, wäre wohl noch schlechter als eine schleppende Regierungsbildung", sagte Schmidt am Montag. Auch habe der Abbruch der Gespräche für eine Koalition aus Union, FDP und Grünen die Ausgangslage für die deutsche Wirtschaft derzeit kaum verändert. "In jedem Fall sind die negativen Auswirkungen der gescheiterten Jamaika-Sondierungen eher langfristiger als konjunktureller Natur", sagte der Ökonom. Nach wie vor sei die konjunkturelle Lage in Deutschland sehr gut, betonte Schmidt. Die Wirtschaft erlebe einen langen und robusten Aufschwung. Allerdings gebe es mittel- und langfristig große Herausforderungen, wie der demografische Wandel, die Digitalisierung oder die Fortentwicklung der Europäischen Union. Darauf müsse eine neue Regierung Antworten finden. Quelle: dpa
Clemens Fuest, Präsident des ifo-Instituts Quelle: dpa
Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer Quelle: REUTERS
Thilo Brodtmann, VDMA-Hauptgeschäftsführer Quelle: VDMA
Gertrud Traud, Chefvolkswirtin der Landesbank Hessen-Thüringen Quelle: Presse
Matthias Wahl, Präsident des Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) Quelle: PR

Für die Sozialdemokraten könnten Neuwahlen ein nicht kalkulierbares Risiko bedeuten, schätzt Probst. Die SPD habe zwar die Chance, ihren Wahlkampf anders anzulegen und sich offensiver von der Union zu unterscheiden. „Allerdings ist sie gerade in einem Prozess der strategischen Neuorientierung, und dieser Prozess ist nicht abgeschlossen – mehr Richtung links oder mehr Richtung Mitte“, erläutert er.

Auch SPD-Chef Martin Schulz, der seine Position soweit gesichert habe, dass ihm das Recht auf erneute Kanzlerkandidatur zusteht, sei nicht unumstritten. „Insofern erwischen Neuwahlen die SPD zu einem schlechten Zeitpunkt“, sagte Probst.

Gleichwohl ist er überzeugt, dass die Verweigerung, doch noch eine erneute Große Koalition zu bilden, den Sozialdemokraten nicht schaden werde, „denn die Mehrheit der Partei ist froh, endlich aus der Großen Koalition raus zu sein und befreit Oppositionswahlkampf betreiben zu können“.

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