Jamaika ist gescheitert Wie geht es jetzt weiter?

Die FDP hat die Gespräche für beendet erklärt: Deutschland bekommt keine Jamaika-Koalition. Welche Optionen hat Kanzlerin Angela Merkel und wie geht es jetzt weiter? Drei Szenarien sind denkbar.

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Die Bundeskanzlerin ist weiter geschäftsführend im Amt – und muss sich jetzt nach Alternativen zu Jamaika umschauen. Quelle: dpa

Düsseldorf Acht Wochen nach der Bundestagswahl ist klar: Deutschland wird keine Regierung aus CDU, CSU, FDP und Grünen bekommen. FDP-Chef Christian Lindner hat einer Jamaika-Koalition in der Nacht von Sonntag auf Montag den sprichwörtlichen Laufpass gegeben. Für Kanzlerin Angela Merkel ist dieser von einigen schon als „historisch“ bezeichnete Tag , „mindestens ein Tag des tiefen Nachdenkens“. Aber auch der Rest der Republik fragt sich: Was nun?

Für eine Antwort auf diese Frage sollte sich die Politik nicht allzu lange Zeit lassen. Momentan ist die alte Bundesregierung, bestehend aus Union und SPD noch kommissarisch im Amt. Auf Dauer kann sich Deutschland eine rein verwaltende Regierung allerdings nicht leisten. Auch die Wirtschaft fürchtet eine Periode der Ungewissheit. Und die dauert so lange, bis Berlin klare Verhältnisse schafft.

Am Montag will Angela Merkel mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier über die weiteren Schritte sprechen. Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer reist nach einer Sitzung der Landesgruppe im Laufe des Tages von Berlin nach München zurück. Die Christsozialen planen eine Telefonschalte des Präsidiums. Die Grünen haben für 10.30 Uhr eine Beratung des Parteirats angesetzt. Bei der FDP kommen ab 10 Uhr zunächst Präsidium und Fraktionsvorstand zusammen – bevor ab 12 Uhr Bundesvorstand und Fraktion beraten.

Die Sozialdemokraten stehen nach dem Platzen der Sondierungsgespräche wieder unter Druck, ihre Absage an eine Neuauflage der großen Koalition noch einmal zu überdenken. SPD-Vize Ralf Stegner erteilte der großen Koalition allerdings schon am frühen Montagmorgen eine erneute Absage. Am Nachmittag tritt SPD-Chef Martin Schulz vor die Presse – dann will er eigentlich seine Ideen für eine neue Neuaufstellung der Sozialdemokraten präsentieren, wird aber nun wohl auch andere Fragen beantworten müssen.

Wie geht es jetzt weiter für Deutschland? Drei Szenarien.

Große Koalition: Eine Neuauflage der jetzigen Regierungskonstellation wäre zwar rechnerisch möglich, wird aber von der SPD kategorisch abgelehnt. Eine Fortsetzung der „GroKo“ ist damit nahezu ausgeschlossen. Für SPD-Vize Ralf Stegner ist klar, dass das Wählervotum bei der Bundestagswahl kein Auftrag für ein Regierungsbündnis zwischen Sozialdemokraten und Union sei – egal, wer Kanzler in einer solchen Konstellation wäre.

Über das weitere Vorgehen werde die SPD mit allen Parteien sprechen. Er wolle aber nicht öffentlich darüber spekulieren, ob es nun zu Neuwahlen oder einer Minderheitsregierung kommen soll, sagte Stegner. Am vergangenen Freitag schloss auch die SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles eine Große Koalition abermals aus, genauso wie SPD-Chef Martin Schulz, der seine Partei nur in der Opposition sieht.

Minderheitsregierung: Angela Merkel könnte auch eine Minderheitsregierung anführen, etwa mit der FDP oder den Grünen. Sie braucht dann aber bei Abstimmungen einige Dutzend Stimmen aus anderen Fraktionen. Es gilt als so gut wie ausgeschlossen, dass sich Merkel darauf einlässt. Die Kanzlerin hatte diese Option bereits am Abend der Bundestagswahl ausgeschlagen: „Ich habe die Absicht, dass wir zu einer stabilen Regierung in Deutschland kommen.“

Auch die SPD schloss ihrerseits bereits aus, eine Minderheitsregierung von Merkel zu tolerieren. Und in den politisch unruhigen Zeiten wäre es misslich für Bundeskanzlerin Merkel, wenn sie sich bei jedem Gesetz Unterstützung von einer Oppositionsfraktion holen müsste. Einer Minderheitsregierung mit den Grünen erteilte CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer wiederum prompt eine Absage. Er sieht Chancen für die CSU eher in jetzt möglichen Neuwahlen.

Neuwahlen: Eine Neuwahl ist erst nach einer Kanzlerwahl möglich. Verfehlt die Kanzlerin die erforderliche Mehrheit aller Abgeordneten, kann die Wahl innerhalb von 14 Tagen wiederholt werden. Bringt Merkel auch im zweiten Durchgang nicht die Mehrheit der Abgeordneten hinter sich, reicht es im dritten Durchgang, wenn sie die relative Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigt. Das dürfte ihr problemlos gelingen, schließlich ist nicht einmal ein Gegenkandidat zu erwarten.

In diesem Fall hat Steinmeier zwei Möglichkeiten. Er kann Merkel zur Kanzlerin ernennen oder den Bundestag auflösen. Für diese Entscheidung hat er sieben Tage Zeit. Entscheidet er sich für die Parlamentsauflösung, muss innerhalb von 60 Tagen neu gewählt werden.

Nach derzeitigem Stand ist aber keineswegs zu erwarten, dass Neuwahlen die politischen Verhältnisse im Lande klären: Nach den aktuellen Meinungsumfragen würde sich nämlich nicht viel verändern. Die Union steht immer noch zwischen 31 und 33 Prozent, die SPD schwankt zwischen 20 und 21 Prozent, die Grünen kämpfen in der neuesten Allensbach-Umfrage mit 9,5 Prozent und auch die FDP kommt wieder auf höchstens 12 Prozent. Es würde rechnerisch wohl wieder nur für Jamaika oder die große Koalition reichen.

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