Jamaika Merkel setzt Deadline für Sondierungsgespräche

Die zweite Phase der Sondierungen ist vorbereitet. „Ich will das“, sagte Merkel zuvor mit Blick auf das angestrebte Jamaika-Bündnis. Bis zum 16. November sollen die Gespräche abgeschlossen sein.

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Jamaika: Angela Merkel setzt Deadline für Sondierungsgespräche Quelle: dpa

Berlin Die Spitzen von CDU, CSU, FDP und Grünen haben am Montagabend die entscheidende zweite Phase der Sondierungen für ein Jamaika-Bündnis vorbereitet. Bei dem gut viereinhalbstündigen Treffen im Berliner Kanzleramt wollten CDU-Chefin Angela Merkel, der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer, das Grünen-Spitzenduo Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir sowie FDP-Chef Christian Lindner und FDP-Vize Wolfgang Kubicki jene Schwerpunkte festlegen, die während der Sondierung noch geklärt werden müssen. Über Inhalte des Treffens wurde zunächst nichts bekannt.

Merkel hatte zuvor insbesondere an die Adresse der FDP davor gewarnt, für den Fall des Scheiterns der Verhandlungen immer wieder eine vorgezogene Neuwahl ins Spiel zu bringen. Lindner hatte am Wochenende wiederholt gesagt, seine Partei habe keine Angst vor Neuwahlen. „Wir wollen auch die Knackpunkte jetzt schon herausarbeiten“, erklärte Merkel vor dem Treffen via Facebook. Dies werde bis Ende dieser, Anfang nächster Woche geschehen. „Und dann geht es in die Endrunde, denn am Donnerstag, dem 16. November, wollen wir fertig sein mit allem. Und da steht noch viel Arbeit an.“

Kurz vor der Spitzenrunde erhöhte Merkel den Druck auf die Verhandler. „Ich will das“, sagte sie in der Unions-Bundestagsfraktion nach Teilnehmerangaben zu dem angestrebten Bündnis. Spitzenpolitiker der vier Parteien hatten sich zuvor gegenseitig zur Kompromissfähigkeit aufgerufen. Trotz der vor allem von der FDP forcierten Neuwahl-Debatte rechnen 64 Prozent der Bundesbürger laut einer Forsa-Umfrage mit der Bildung einer Jamaika-Regierung.

Am Wochenende hatten alle vier Parteien für sich entschieden, wo sie ihre zentralen Ziele setzen wollen. Am Dienstag stehen dann die Themen Europa, Außen, Bildung und Familie auf der Tagesordnung. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) forderte dabei eine Konzentration auf wesentliche Punkte. Wenn man sich darauf konzentriere, „dann reichen diese zwei Wochen, die wir jetzt noch haben, bequem aus, um noch zu einem erfolgreichen Abschluss zu kommen“.

FDP-Generalsekretärin Nicola Beer sagte, sie sei optimistisch, dass der Zeitplan bis zum 16. November gehalten werden könne. Die Grünen-Chefunterhändlerin Katrin Göring-Eckardt rechnet in dieser Woche allerdings nicht mit einem Durchbruch in der Frage, ob eine Jamaika-Koalition möglich ist.

Merkel betonte bei einer Sitzung des CDU-Präsidiums nach Teilnehmerangaben, dass auch die CDU nicht um jeden Preis einem Ergebnis zustimmen werde. Zugleich kritisierte sie die Neuwahl-Debatte. Statt sich mit einem Scheitern zu beschäftigen, sollten alle Seiten „staatspolitische Verantwortung“ zeigen. Auch Kauder mahnte, dass Deutschland in Europa und der Welt kein schlechtes Bild abgeben dürfe. FDP-Chef Lindner hatte am Wochenende die Option einer Neuwahl betont. Er kündigte an, seine Partei werde die Union in der zweiten Sondierungsrunde fragen, wie sie die Qualität der Bildung in Deutschland verbessern wolle, ohne den Bildungsföderalismus zu reformieren. Aus Sicht der Liberalen müsse es eine Verfassungsänderung und die Aufhebung des Kooperationsverbots zwischen Bund und Ländern geben.

Die Grünen zeigen sich kompromissbereit bei den Themen Steuern und Flüchtlinge. „Uns ist bewusst, dass die FDP einen Kompromiss und ein Ergebnis braucht im Bereich der Steuererleichterungen“, sagte der Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter.

Belastet werden die Gespräche auch vom CSU-internen Machtkampf und von Rückzugsforderungen der Jungen Union Bayerns an die Adresse von Parteichef Horst Seehofer, der in Berlin die Verhandlungen für seine Partei führt. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) rief die Seehofer-Kritiker auf, sich bis zur Klärung der Jamaika-Koalitionsfrage zurückzuhalten. „Das ist in der Tat nicht hilfreich, was da geschieht“, sagte der CSU-Politiker im ZDF-Morgenmagazin.

FDP-Chefunterhändler Wolfgang Kubicki sagte, wegen des Streits um Seehofer werde sich die CSU nun noch härter in den Sondierungen geben. Grünen-Chefin Simone Peter mahnte die CSU zur Geschlossenheit und Verlässlichkeit - was ihr umgehend den Vorwurf von CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer eintrug, dass sie nun von internen Machtkämpfen innerhalb der Grünen ablenken wolle.

Während FDP-Politiker erneut die nationalen Klimaschutzziele 2020 infrage stellten, bekannte sich Unions-Fraktionschef Kauder klar dazu. „Ich kann mir nun beim besten Willen nicht vorstellen, dass wir in einer Koalition mit den Grünen hinter den Zielen zurückbleiben können, die wir in der großen Koalition schon formuliert haben“, sagte er. Auch Merkel betonte in ihrer Botschaft, dass die Klimaschutzziele für 2020 in ihrer Kanzlerschaft beschlossen worden seien. Klima, Migration und Haushalt würden die schwierigsten Punkte bei der Sondierung werden.

Grünen-Chef Cem Özdemir signalisierte Kompromissbereitschaft sowohl bei Verbrennungsmotoren als auch in der Kohlepolitik. "Mir ist klar, dass wir alleine nicht das Enddatum 2030 für die Zulassung von fossilen Verbrennungsmotoren durchsetzen werden können", sagte Özdemir der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten". Nötig sei aber "ein klares Bekenntnis, dass wir alles dafür tun, um die Fahrzeuge der Zukunft – vernetzt, automatisiert und emissionsfrei – zu bekommen", sagte der Grünen-Chefunterhändler. "Konkrete Schritte" könnten ökologische Anreize beim Dienstwagenprivileg, ein Bonus-Malus-System zugunsten von Elektroautos bei der Kraftfahrzeugsteuer und die Erwartung sein, dass "die Gerichtsurteile zu den Stickoxidemissionen umgesetzt werden, damit wir die Städte sauberer bekommen".

Özdemir twitterte zudem am Montagabend den Satz: "Jetzt schrittweisen Kohleausstieg sorgfältig planen, damit wir ihn zukünftig sozialverträglich umsetzen & Klimaschutzziele erreichen." Die Grünen fordern einen schrittweisen Ausstieg aus der Kohle und die Abschaltung einer Reihe von Kohle-Kraftwerksblöcken bis 2020. Die Ministerpräsidenten der Bundesländer mit Kohleabbau und Kohleverstromung pochen auf einen sozialverträglichen Ausstieg.

In dieser Woche wollen die Jamaika-Sondierer nach der Steuerschätzung auch den finanziellen Spielraum für Reformen klären. Das Bundesfinanzministerium sieht in der nächsten Steuerschätzung nur einen begrenzten zusätzlichen Finanzspielraum für neue Vorhaben der nächsten Bundesregierung. Die Vorlage des Ministeriums für die am Dienstag beginnende Runde der amtlichen Steuerschätzer sehe für die Jahre 2018 bis 2021 insgesamt 16 Milliarden Euro mehr an Steuereinnahmen für den Bund vor als bisher erwartet wurden.

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