Jobwunder Deutschland Warum der Arbeitsmarkt wieder brummt

Der deutsche Arbeitsmarkt ist blendend durch die Krise gekommen. Dürfen wir im kommenden Aufschwung auf ein neues Jobwunder hoffen?

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Montage bei BMW Quelle: dpa

Es gibt unangenehmere Termine für Frank-Jürgen Weise als den am Mittwoch. Punkt zehn Uhr wird der Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit (BA) in Nürnberg die aktuellen Arbeitslosenzahlen für den Monat Juni präsentieren – und kaum jemand zweifelt noch daran, dass die Zahlenkolonnen erneut herzerfrischend positiv ausfallen werden. So war es schon in den Vormonaten. Auch wenn Weise auf die Euphoriebremse tritt und vor weiter bestehenden Jobrisiken warnt, führt an einem erstaunlichen Befund kein Weg mehr vorbei: Der früher häufig als unflexibel gescholtene deutsche Arbeitsmarkt hat die schlimmste Rezession der Nachkriegsgeschichte nahezu unbeschadet überstanden – und nimmt wieder Fahrt auf.

Deutschland ist derzeit das einzige Land der Europäischen Union, in dem die Arbeitslosenzahlen unter dem Vorjahreswert liegen. Im Mai suchten 3,24 Millionen Menschen einen Job, das sind 217 000 weniger als im Vorjahr – und die besten Mai-Zahlen seit 18 Jahren. Selbst wenn man statistische Tricksereien herausrechnet – seit 2009 fallen alle Erwerbslosen unter den Tisch, für die private Vermittler tätig werden –, ist das ein formidables Ergebnis. Schon im Herbst, erwartet Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP), könnte das „Jobwunder“ die Zahl der Arbeitslosen unter drei Millionen sinken lassen – es wäre das erste Mal seit November 2008.

Von der Massenarbeitslosigkeit Lichtjahre entfernt

Was hatten manche Auguren während der Krise nicht alles für Horrorszenarien entwickelt. „Die Arbeitslosenzahl wird im Winter 2010 über fünf Millionen steigen“, warnte der damalige Deutsche-Bank-Chefvolkswirt Norbert Walter vor einem Jahr. Auch die OECD sah in Deutschland eine neue Massenarbeitslosigkeit heraufziehen und forderte zusätzliche Konjunkturprogramme, um gebührenden Abstand zur Fünf-Millionen-Grenze halten zu können. Doch davon ist die deutsche Wirtschaft derzeit Lichtjahre entfernt. „Vier bis fünf Millionen Arbeitslose? Das wird nicht kommen“, sagt BA-Chef Weise.

2011 könne die Zahl sogar im Jahresschnitt unter die Drei-Millionen-Grenze rutschen, prophezeit das Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel. Dies war zuletzt im Jahr 1992 der Fall. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) untermauert den Optimismus: Erstmals seit zwei Jahren wollen wieder mehr Betriebe Stellen schaffen als streichen, ergab eine DIHK-Unternehmensumfrage. Neue Jobs könnten danach unter anderem in den Bereichen Hotellerie, Energie, Gesundheit, Großhandel, IT und Metallverarbeitung entstehen. Und natürlich in der Zeitarbeit: Dort liegen die Beschäftigtenzahlen schon jetzt rund elf Prozent über Vorjahr.

Agenda 2010

Eine Umfrage, die das Münchner ifo Institut exklusiv für die WirtschaftsWoche durchgeführt hat, kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Danach wollen elf Prozent der Unternehmen im zweiten Halbjahr Personal abbauen – aber mehr als doppelt so viele, 24 Prozent, neue Leute einstellen. Im Dienstleistungsbereich sind es sogar 28 Prozent.

Parallel dazu geht die Zahl der Kurzarbeiter zurück. Im ersten Quartal 2010 waren es zwar immer noch 933 000, doch das sind fast 40 Prozent weniger als zur Spitzenzeit im Frühjahr 2009. „Im Jahresschnitt 2010 dürfte die Zahl der Kurzarbeiter um weitere 200 000 sinken“, prognostiziert Eugen Spitznagel vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg.

Viele Unternehmen drücken den Job-Hebel nun wieder in die entgegengesetzte Richtung. Beispiel Automobilindustrie: Hier fahren Daimler, Audi und BMW bereits Sonderschichten, um die weltweit anziehende Nachfrage bedienen zu können; in vielen Werken fällt die traditionelle Sommerpause aus. BMW hat 5000 Zeitarbeiter eingestellt, Daimler 1800.

Arbeitslose und Kurzarbeiter

Solche Meldungen stabilisieren nicht nur die Laune der Belegschaften, sondern auch die immer noch labile Konjunktur. Die Arbeitslosigkeit ist die größte Sorge der Deutschen und hat in den vergangenen Monaten dazu geführt, dass die Bundesbürger ihre Portemonnaies eng am Körper hielten. Nach einer Umfrage des Forschungsinstituts GfK fürchten sich 66 Prozent der Bundesbürger vor einem Jobverlust – das ist mit großem Abstand Rang eins auf der ökonomischen Sorgenskala. Sinkt nun die Angst um den Arbeitsplatz, könnte auch der zuletzt lahmende Konsum wieder anziehen.

Redet da noch jemand von Krise? Wie kann das alles sein in Zeiten von Schuldendesaster und Inflationsgefahr, von Euro-Siechtum und konjunktureller Unsicherheit? Warum schnellt die Arbeitslosenquote im Nachbarland Frankreich auf über 10 Prozent nach oben, in Spanien gar auf 20 Prozent, während wir bei nur 7,1 Prozent liegen? Ökonomen machen dafür ein ganzes Bündel von Gründen verantwortlich.

„Deutschland fährt jetzt die Ernte der rot-grünen Sozialreformen ein“, lobt der Arbeitsmarktforscher Hilmar Schneider, Direktor beim Institut für die Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn. Die Agenda 2010 der Regierung Gerhard Schröder habe ein neues Anreizsystem installiert, das die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit deutlich verkürzte. Hinzu kam eine – von einigen Ausreißern abgesehen – moderate Lohnpolitik der Gewerkschaften, die sich auch in diesem Jahr fortsetzt. Die IG Metall etwa ging 2010 erstmals in ihrer Geschichte ohne Lohnforderung in eine Tarifrunde. Am Ende akzeptierte sie einen bis April 2012 laufenden Tarifvertrag, der für 2010 nur eine Einmalzahlung vorsieht – und erst ab April 2011 ein Lohnplus von 2,7 Prozent, das auf Betriebsebene noch um zwei Monate verschoben werden kann.

Luft für die Betriebe

Die Folge der Lohnmäßigung: Die Lohnstückkosten in Deutschland blieben seit Mitte der Neunzigerjahre nahezu stabil, während sie in vielen anderen Industriestaaten nach oben schossen. „Das schaffte Luft für die Betriebe, in der aktuellen Krise eine Durststrecke mit hochschießenden Lohnstückkosten und sinkender Produktivität zu überstehen“, sagt IZA-Experte Schneider. In früheren Rezessionsphasen, etwa Anfang der Achtziger- und Neunzigerjahre, verschwanden jedes Mal über eine Million Jobs. Selbst während des relativ harmlosen Konjunktureinbruchs 2001 bis 2003 verloren rund 600.000 Menschen ihre Arbeit.

Fachkräftemangel: Demografisch bedingt drängen in diesem Jahr rund 150.000 Menschen weniger auf den Arbeitsmarkt als in den Vorjahren, und in den kommenden Jahren dürfte dieser Effekt weiter anwachsen. Das verbessert die Statistik, ohne dass ein einziger neuer Job entsteht. Das Entscheidende aber: Den drohenden Fachkräftemangel vor Augen, haben viele Firmenchefs nicht den Fehler der Vergangenheit wiederholt, in der Krise zu schnell zu viele Leute auf die Straße zu setzen – Personal, das im nächsten Aufschwung dann mit hohen Such- und Einarbeitungskosten neu rekrutiert werden muss. In der Metall- und Elektroindustrie, Deutschlands wichtigster Branche, gingen 2009 zwar 125.000 Jobs verloren. Die dramatisch einbrechende Jahresproduktion hätten die Betriebe allerdings locker mit 940.000 Mitarbeitern weniger stemmen können, heißt es beim Arbeitgeberverband Gesamtmetall. Hauptgeschäftsführer Ulrich Brocker: „Die M+E-Industrie hat trotz drastischer Unterauslastung 815.000 Mitarbeiter über das erste Krisenjahr gerettet.“ Dies sei „eine herausragende Leistung der Betriebe“.

Teuer erkaufter Erfolg

Kurzarbeit: Die massiv ausgeweitete und staatlich subventionierte Kurzarbeit in den Betrieben hat nach Ansicht von Ökonomen zwischen 300.000 und 500.000 Jobs gerettet. Sie ermöglichte es vielen Betrieben, Arbeitskräfte zu halten, für die schlicht keine Arbeit mehr da war. Dieser Erfolg ist freilich teuer erkauft: Allein 2009 kostete die Kurzarbeit die Bundesagentur für Arbeit mehr als 4,5 Milliarden Euro. Unter dem Schock der Rezession hatte die damalige schwarz-rote Bundesregierung dieses Instrument, das im Ausland nahezu unbekannt ist, zur Krisenwaffe Nummer eins ausgebaut. Die große Koalition verlängerte die maximale Zahldauer von 6 auf 24 Monate, vereinfachte die Zugangsvoraussetzungen und erhöhte die staatlichen Zuschüsse. Seither erstattet die BA den Betrieben die Sozialbeiträge, die auf Kurzarbeit entfallen, ab dem ersten Monat zur Hälfte und vom siebten Monat an in voller Höhe. Die neue Bundesregierung verlängerte diese Subvention bis Ende März 2012, was die Steuer- und Beitragszahler weitere 800 Millionen Euro kostet.

Flexibilisierung: Die robuste Konstitution des Arbeitsmarkts allein auf die Kurzarbeit zurückzuführen greift aber zu kurz. Im Krisenjahr 2009 sank das gesamtwirtschaftliche Arbeitsvolumen in Deutschland um 1,6 Milliarden Stunden – und nur ein Drittel davon ging auf das Konto der Kurzarbeit. Noch stärker federten betriebliche Arbeitszeitmodelle die Krise ab.

Am deutschen Arbeitsmarkt habe sich „eine eigentümliche und weltweit einmalige Mischung aus Flexibilität und Sicherheit herausgebildet“, sagt Ökonom Schneider. Der Kündigungsschutz ist unverändert rigide und das Regelwerk für befristete Arbeitsverträge bürokratisch, dafür aber hat sich die Arbeitsorganisation in den vergangenen zehn Jahren radikal verändert. Schneider: „Der Arbeitsmarkt ist in vielen Bereichen flexibler als in anderen Staaten. Bei der Arbeitszeit geht mittlerweile fast alles.“ 40 bis 50 Prozent aller Arbeitnehmer haben bereits individuelle Arbeitszeitkonten in ihrem Betrieb. Vor allem in der Industrie arbeiten die Belegschaften vielerorts nach ausgeklügelten und anpassungsfähigen Schichtmodellen. Sind die Auftragsbücher voll, arbeiten die Beschäftigten (unbezahlt) mehr und bauen Zeitguthaben auf. In Krisenzeiten feiern sie überzählige Stunden wieder ab.

Vollzeit- und Teilzeitarbeiter

Hinzu kommen in vielen Branchen spürbar flexibilisierte Tarifverträge. Wegweisend ist vor allem der im Juli 2008 in Kraft getretene „Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung und zum Beschäftigungsaufbau“ in der Metall- und Elektroindustrie. Nach diesem Paragrafenwerk, das vorerst bis Ende 2011 gilt, kann so ziemlich jede tarifvertragliche Norm außer Kraft gesetzt werden, wenn es die wirtschaftliche Lage erfordert – und sich die Tarifparteien darüber einig sind. „Der deutsche Arbeitsmarkt ist auch für kommende Krisen gut gerüstet“, glaubt daher Ökonom Schneider. „Eine neue Phase der Massenarbeitslosigkeit werden wir kaum erleben.“

Trotzdem ist Vorsicht geboten, wenn Verbandsfunktionäre wie DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben nun gleich 100.000 neue Jobs versprechen. Selbst wenn die Wirtschaft 2010 um stolze 2,1 Prozent wächst, wie es das Kieler IfW und das Münchner ifo Institut prognostizieren, könnte es auf dem Arbeitsmarkt nur einen Aufschwung mit angezogener Handbremse geben. Denn Jobs durch die Krise zu retten ist die eine Sache, viele neue Arbeitsplätze im Aufschwung zu schaffen, eine andere.

Die Kapazitätsauslastung der Metall-und Elektroindustrie etwa liegt immer noch unter 80 Prozent – vor der Krise waren es über 90 Prozent. „Ich warne daher vor übertriebenem Optimismus“, sagt IAB-Ökonom Spitznagel. Dass viele Unternehmen ihre Leute trotz wegbrechender Aufträge hielten, hat seinen Preis – eine dramatisch gesunkene Produktivität. „Bevor viele Unternehmen neue Leute einstellen, werden sie erst einmal das Arbeitsvolumen der bestehenden Belegschaft hochfahren, um die Stundenproduktivität zu erhöhen.“ Die viel gelobte Flexibilität wirke eben in beide Richtungen, so der IAB-Experte.

Atmende Arbeitszeit

Erste Indizien dafür gibt es bereits: Die Zahl der Überstunden, 2009 auf ein historisch niedriges Niveau von 0,65 Stunden pro Kopf und Woche gesunken, ist im ersten Quartal 2010 wieder auf 0,8 Stunden angestiegen. Und da ist noch viel Luft drin: In Normalzeiten leistet jeder Beschäftigte im Schnitt zwischen 1,0 und 1,5 Stunden Mehrarbeit.

Wie die atmende Arbeitszeit funktionieren kann, zeigt zum Beispiel die Zwick-Roell-Gruppe in Ulm. Im Krisenjahr 2009 brach die Nachfrage nach den Prüfapparaten des baden-württembergischen Maschinenbauers dramatisch ein. Firmenchef Jan Stefan Roell schickte daraufhin 45 Zeitarbeiter nach Hause und ließ 15 befristete Verträge auslaufen – doch die Stammbelegschaft blieb zusammen. Um das zu erreichen, fuhr das Unternehmen die dank des vorangegangenen Booms prall gefüllten Arbeitszeitkonten der Mitarbeiter herunter, teilweise sogar ins Minus. Gleichzeitig senkte Roell die Wochenarbeitszeit ab, die Mitarbeiter verzichteten auf einen Teil ihres Lohns.

Zusätzlicher Personalbedarf wird mit Zeitarbeitern abgedeckt

Jetzt ist der Aufschwung da, und die Flexibilität wirkt wieder – nur diesmal in die andere Richtung. Obwohl die Aufträge um 25 Prozent über Vorjahr liegen, denkt Roell noch nicht über zusätzliche Stellen nach. Seit Januar arbeiten seine Mitarbeiter wieder regulär 35 Stunden. Wenn die Auftragsbücher noch voller werden, will der Unternehmer „auf bis zu 40 Stunden hochgehen“, denn auch das erlaubt der Tarifvertrag. „Haben wir dann noch Arbeitsbedarf“, so Roell, „holen wir uns wieder Zeitarbeiter.“ Und schließlich gibt es da auch noch 65 Mitarbeiter mit befristeten Verträgen. Die könnte Roell einfach – abermals befristet – verlängern. Eine Sondervereinbarung der Metall-Tarifpartner in Baden-Württemberg lässt dies bis zu sechs Mal in vier Jahren zu.

Manche Unternehmen trauen dem Aufschwung so wenig, dass sie zusätzlichen Personalbedarf lieber mit externen Arbeitskräften decken. Der Kugellagerhersteller Myonic aus Leutkirch etwa will seine Stellenzahl 2010 zwar um fünf Prozent hochfahren – aber fast ausschließlich mit Zeitarbeitern. Immerhin: Wer sich bewährt, darf später auf einen festen Job im Unternehmen hoffen, verspricht Geschäftsführer Bernhard Böck.

Maschinenbaubetrieb Zwick Roell

Vielerorts drohen zudem noch Spätfolgen der Krise in Unternehmen, deren Markt enger geworden ist und die nun, Kurzarbeit hin oder her, ihre Kapazitäten anpassen müssen. Allein 800 Arbeitsplätze will etwa der Kolbenbauer Mahle streichen, beim Klimaanlagenhersteller Behr stehen mehr als 400 Jobs zur Disposition.

Dass es zu früh ist, rosige Zeiten für Arbeitnehmer auszurufen, zeigt auch der Blick ins Kleingedruckte der Jobstatistik. Die Zahl der Vollzeitbeschäftigten ging im ersten Quartal 2010 um 1,4 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zurück – die Zahl der Teilzeitjobs hingegen kletterte um 1,7 Prozent auf über 12,3 Millionen. Viele neue Jobs tragen überdies ein Verfallsdatum. Rund 50 Prozent aller neuen Arbeitsverträge werden mittlerweile befristet, berichtet IAB-Experte Spitznagel. Auch die ifo-Umfrage für die WirtschaftsWoche zeigt: Nur 37 Prozent der neu geplanten oder jüngst geschaffenen Stellen sind unbefristete Vollzeitjobs.

Verträge oft nur befristet

Auch wenn die Betriebe viele befristete Verträge später in Vollzeitstellen umwandeln, spiegelt diese Praxis die Unsicherheit über den weiteren Konjunkturverlauf wider. „Neue Stellen werden wir zunächst generell befristen“, sagt etwa Stefan Wolf, Vorstandsvorsitzender von ElringKlinger in Dettingen. Seitdem die Aufträge aus Asien und Nordamerika wieder kräftig anziehen, hat der Automobilzulieferer bereits 30 neue Mitarbeiter befristet eingestellt. Weitere sollen folgen. Und wenn es wieder schlechter läuft, nun gut, dann laufen diese Verträge eben einfach aus.

Diese Personalstrategie ist kein temporäres Krisenphänomen – sondern ein genereller Trend in der Arbeitswelt. Viele Ökonomen sagen voraus, dass wir uns künftig auf ein weit schnelleres und hektischeres Auf und Ab der Wirtschaft einstellen müssen als in der Vergangenheit. Eine höhere Volatilität der Konjunktur könnte dabei nicht nur die Risikofreude und Investitionslust der Unternehmen bremsen, sondern auch die Personalpolitik in den Betrieben umkrempeln: Die Chance, einen festen Job mit geregelten Arbeitszeiten zu bekommen, droht weiter zu sinken – selbst wenn die Wirtschaft brummt. Welcher Unternehmer stellt schon neue Leute ein, wenn ständig hinter der nächsten Ecke der Abschwung lauert? Stattdessen dürfte das zunehmen, was Experten „atypische Beschäftigungsverhältnisse“ nennen: Teilzeitjobs, Mini-Jobs, befristete Stellen.

Auslaufmodell Vollzeitjob?

Schon jetzt sind Beschäftigungsformen jenseits des Vollzeitjobs fester Bestandteil des Arbeitsmarkts. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts ist der Anteil der Normalarbeitsverhältnisse in Deutschland zwischen 1998 und 2008 von 72,6 auf 66 Prozent gefallen. Der Anteil atypischer Jobs kletterte dagegen von 16,2 auf 22,2 Prozent. Dass sich dieser Trend während der Rezession umgekehrt hat, ist wenig wahrscheinlich.

Das muss nicht unbedingt schlecht sein. Teilzeitverträge können die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessern. Und so mancher Langzeitarbeitslose hätte ohne den Umweg über die Zeitarbeit nie einen Job gefunden. Die zunehmende Segmentierung wird aber ein ökonomisches Problem, wenn Vollzeitstellen massenweise in Mini- und Midi-Jobs aufgesplittet werden und Arbeitnehmer ihre Lebens- und Berufsplanung nur noch in Zwei-Jahres-Rhythmen machen können.

Und dann dürften auch die monatlichen Pressekonferenzen von BA-Chef Frank-Jürgen Weise wieder weniger entspannt ablaufen als am kommenden Mittwoch.

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