Johanna Wanka Die Baustellen der neuen Bildungsministerin

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Lehrerbildung und Hochschulfinanzierung

Wenn Politiker über Doktortitel stolpern
Gerd MüllerDie Universität Regensburg sieht in der Doktorarbeit von Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) keine Hinweise auf ein Plagiat. Dem Verdacht wissenschaftlichen Fehlverhaltens fehle die Grundlage, teilte die Hochschule mit. „Die Art und Weise, wie vom Autor benutzte Literatur und Quellen dokumentiert sind, ist nicht darauf angelegt, die eigentliche intellektuelle Autorschaft an Erkenntnissen, Ideen, Argumenten oder Thesen zu verschleiern.“ Nach Angaben der Universität fand der Ombudsmann für solche Fälle, Professor Christoph Meinel, keine Hinweise, dass die 1987 vorgelegte Dissertation gegen die Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis verstößt. Auch an den wenigen Stellen, wo Wortfolgen übernommen worden seien, ohne sie durch Anführungszeichen zu markieren, werde die Herkunft durch Anmerkungsziffern und Seitennachweis belegt. Mit den Vorwürfen war Anfang April der Nürnberger Plagiatsjäger Martin Heidingsfelder an die Öffentlichkeit getreten: Müller habe in seiner Doktorarbeit „Die Junge Union Bayern und ihr Beitrag zur politischen Jugend- und Erwachsenenbildung“ Texte aus Arbeiten des Politologen und späteren CDU-Politikers Wolfgang Hackel übernommen, ohne diese mit Anführungszeichen als Zitat zu kennzeichnen. Quelle: dpa
Silvana Koch-Mehrin Die FDP-Politikerin bekommt ihren Doktortitel nicht zurück. Knapp zwei Jahre nach Entzug des akademischen Grades lehnte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) den Antrag der 43-jährigen Europaabgeordneten auf Berufung gegen ein Urteil der Vorinstanz ab.Die Universität Heidelberg hatte Koch-Mehrin im Juni 2011 den akademischen Doktorgrad wegen Plagiaten entzogen. Die Politikerin wollte sich damit nicht abfinden und klagte gegen die Entscheidung. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe befand im März 2013, dass Koch-Mehrin den Titel zu Recht verloren habe, weil sie in ihrer Doktorarbeit teils mehrseitige Passagen samt Fußnoten aus fremden Texten nahezu wortgleich übernommen habe, ohne dies kenntlich zu machen. Dies lasse den Schluss zu, dass die Klägerin „wiederholt und planmäßig“ getäuscht habe. Der VGH in Mannheim entschied nun, es gebe keine „ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit“ dieses Urteils. Die Rügen der Klägerin zum Verfahren der Uni Heidelberg reichten nicht aus, befanden die Verwaltungsrichter. Koch-Mehrin hatte unter anderem beanstandet, dass der Heidelberger Promotionsausschuss „den denunziatorischen Charakter des Vorgehens gegen die Klägerin nicht berücksichtigt“ habe. Bei der Überprüfung der Doktorarbeit über die „Lateinische Münzunion 1865-1927“ hatte die Uni Heidelberg auf 80 Seiten 125 Plagiate gefunden. Sie bestätigte damit Recherchen von Internet-Nutzern, die Anfang April 2011 im „VroniPlag“-Wiki plagiatsverdächtige Stellen zusammengetragen hatten. Die Affäre hat jetzt ein Ende gefunden. Der VGH stellte fest: „Der Beschluss ist unanfechtbar.“ Quelle: dpa
Andreas ScheuerDer Wirbel um die Doktorarbeit von CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer hält an. Der Ombudsmann für die deutsche Wissenschaft, der Bonner Juraprofessor Wolfgang Löwer, sprach sich dafür aus, dass die Arbeit auf einen möglichen Plagiats-Tatbestand wissenschaftlich untersucht wird. Die bekanntgewordenen Stellen „sollten Anlass sein, genauer hinzusehen und zu prüfen, wie der Text entstanden ist“, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS). „Ich gehe davon aus, dass die Karlsuniversität in Prag dieser Aufgabe nachkommen wird.“ In der CSU-Landesleitung in München war am Samstag niemand für eine Stellungnahme erreichbar. In Prag hatte Scheuer sein „kleines Doktorat“ erworben, das ihn nur in Bayern und Berlin zum Tragen eines allgemeinen Doktortitels berechtigt. Nachdem er wegen der Verwendung auch anderswo kritisiert worden war, hatte Scheuer am Freitag ganz darauf verzichtet, einen akademischen Titel zu tragen. Der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer sagte der „Süddeutschen Zeitung“: „Die Entscheidung, dass er den Titel nicht weiter führt, ist richtig. Für mich ist das erledigt.“ Bayerns SPD-Landesvorsitzender Florian Pronold hatte dagegen betont: „Mit dem Verzicht auf den Doktortitel ist es noch nicht getan. Im Raum steht schließlich der Vorwurf des Plagiats.“ Und die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, hatte getwittert: „Wie heißt es nochmal bei der CSU: „Wer betrügt, der fliegt.“ Und was heißt das dann für Herrn Scheuer?“ Löwer stufte Passagen in Scheuers Promotionsarbeit, die offenbar aus einer Publikation der Bundeszentrale für politische Bildung übernommen wurden, als „klassisches Plagiat“ ein. Es könne sich jedoch auch um ein Versehen handeln. Ob der Verfasser eine systematische Täuschungsabsicht verfolgt habe, sei erst durch eine gründliche Prüfung der gesamten Arbeit festzustellen, erläuterte der Ombudsmann, der für gute wissenschaftliche Praxis und Verstöße dagegen zuständig ist. Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete von Hinweisen, dass Scheuer zum Thema Volksentscheide in Bayern auch von einer Publikation der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildung abgeschrieben haben könnte. „Das ist eindeutig abgeschrieben“, sagte der Münchner Jura-Professor Volker Rieble dem Blatt. Allerdings sei die Zahl der Fundstellen und der Umfang der übernommenen Texte gering. „Das reicht nicht, um von einer plagiatorischen Arbeitsweise zu sprechen.“ Dass mal an wenigen Stellen die Fußnote fehle, könne durchaus passieren. Aber Rieble fügte auch hinzu: „Acht bis zehn Stellen von dieser Qualität, dann ist er geliefert.“ Quelle: dpa
Norbert LammertDie Universität Bochum wird kein Verfahren zur Aberkennung des Doktorgrades von Bundestagspräsident Norbert Lammert eröffnen. Das beschloss das Rektorat der Hochschule auf der Grundlage einer eingehenden Prüfung, wie die Ruhr-Universität am Mittwoch mitteilte. „In der Dissertation finden sich zwar vermeidbare Schwächen in den Zitationen, die aber den Verdacht des Plagiats oder der Täuschung keineswegs rechtfertigen“, heißt es in der Mitteilung. Ein anonymer Blogger mit dem Pseudonym „Robert Schmidt“ hatte Lammert Ende Juli vorgeworfen, dass sich auf 42 Seiten seiner Arbeit Unregelmäßigkeiten fänden. Quelle: dpa
Frank-Walter SteinmeierDie Universität Gießen geht Plagiatsvorwürfen gegen den SPD-Fraktionschef nach. Es sei ein Schreiben eingegangen, in dem die Überprüfung von Steinmeiers Doktorarbeit angeregt werde, teilte die mittelhessische Hochschule am Sonntag mit. Voraussichtlich an diesem Montag (30.9.) werde entschieden, wie man weiter vorgehen wolle. Zuvor hatte das Magazin „Focus“ unter Berufung auf den Wirtschaftswissenschaftler Uwe Kamenz gemeldet, Steinmeiers 1991 in Gießen eingereichte Promotion weise „umfangreiche Plagiatsindizien“ auf. Steinmeier sprach auf „Focus“-Anfrage von einem „absurden Vorwurf“. „Sollte sich die Uni Gießen zu einer Überprüfung entschließen, sehe ich dem Ergebnis mit großer Gelassenheit entgegen.“ Professor Kamenz hatte Steinmeiers Arbeit „Tradition und Perspektiven staatlicher Intervention zur Verhinderung und Beseitigung von Obdachlosigkeit“ per Computersoftware mit 50 in der Arbeit genannten Quellen verglichen, wie er am Sonntag der dpa sagte. An mehr als 400 Stellen seien problematische Übereinstimmungen registriert worden. „Wenn man 400-mal die Anführungszeichen vergisst, kann das kein Versehen sein“, urteilte Kamenz. Der Berliner Jura-Professor Gerhard Dannemann, der eine Zwischenversion des Prüfberichts von Kamenz ansehen konnte, wertete nach „Focus“-Angaben einen Großteil der Indizien als „lässliche Sünden“. Mindestens drei Passagen seien aber kritisch: „Wenn der Prüfungsbericht hier die Quellen richtig wiedergibt, wären das Verstöße gegen die Zitierregeln, die den Bereich des Tolerierbaren klar überschreiten würden.“ Quelle: dpa
Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) Quelle: dapd
German Defence Minister Karl-Theodor zu Guttenberg Quelle: dapd

Um das Problem zu verstehen, genügt die Lektüre eine aktuelle Ankündigung: Bayern, Niedersachsen und Sachsen wollen ihre Lehrer-Abschlüsse per Staatsvertrag gegenseitig anerkennen. Was klingt wie eine Selbstverständlichkeit ist das glatte Gegenteil. Bayern setzt weiter auf das Staatsexamen, Baden-Württemberg pflegt pädagogische Hochschulen, fast alle anderen setzen auf Bachelor- und Masterabschlüsse. Wechsel zwischen den Ländern sind schwierig, die Standards und Ansprüche im föderalen Flickenteppich höchst verschieden. Was ein guter Lehrer lernen und können soll, darüber herrscht zwischen Nord- und Bodensee noch immer keine Einigkeit.
Annette Schavan hatte die Ländern bereits zu mehr Kooperation überreden wollen: mittels einer „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“, dotiert mit 500 Millionen Euro. Passiert ist bisher noch nichts. Einige Länder sträuben sich vehement gegen inhaltliche Einmischung aus Berlin. Dabei hat der Stifterverband für die deutsche Wissenschaft die Lehrerbildung in einer Studie gerade erst als „größte Baustelle“ im Bildungswesen gerügt. Nun muss Wanka vermitteln.
Hochschulfinanzierung
Immer Studienanfänger strömen an die Hochschulen, die Zahl der Studenten hat mit rund 2,5 Millionen einen Rekordwert erreicht. Nun müsse dringend der Hochschulpakt aufgestockt werden, fordern die Länder. Im Pakt werden zusätzliche Plätze von Bund und Ländern gemeinsam finanziert, um die Wucht der Welle in Seminaren und Hörsälen aufzufangen. Weil der Run aber noch größer sei, als prognostiziert, müssten allein bis 2015 noch einmal sieben Milliarden Euro mehr investiert werden – vier davon vom Bund. So jedenfalls wollen es die Bundesländer. Johanna Wanka kennt als ehemalige Landesministerin die Nöte. Aber der Bund steckt schon jetzt rund 4,7 Milliarden in den Pakt. Weitere vier dürften niemals zu stemmen sein.

Ein gewisses finanzielles Update des Hochschulpaktes könnte jedoch als Faustpfand für parallel laufende Verhandlungen zwischen Bund und Land herhalten: der Reform des Kooperationsverbotes im Grundgesetz. Denn in der Frage, ob der Bund dauerhaft in die Finanzierung der Unis einsteigen kann, scheiden sich noch immer die Geister. Auch hier geht es vor allem um das Geld und die Mitbestimmung des Bundes. Schavan hatte die Gespräche vor zwei Wochen ergebnislos vertagt. Nun darf die Nachfolgerin ran.

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