Journalisten beim G20 Proteste gegen Entzug der Akkreditierung

Insgesamt 32 Journalisten ist die Akkreditierung zum G20 während des Gipfels entzogen worden. Das sehen viele in der Medienbranche kritisch. Den Ausschlag hätten Sicherheitsbedenken gegeben, sagt der Regierungssprecher.

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Beim Einlass ins Pressezentrum hatten Polizisten eine „Schwarze Liste“ in der Hand und ließen nur bestimmte Journalisten durch. Quelle: dpa

Berlin Politiker und Verbände haben gegen den Entzug der Akkreditierungen für eine Reihe von Journalisten auf dem G20-Treffen in Hamburg protestiert. Als eine „unerträgliche Stigmatisierung von Journalisten“ kritisierte das am Dienstag der Vorstandssprecher der Organisation Reporter ohne Grenzen, Michael Rediske. Insgesamt 32 von 5101 Journalisten war die bereits erteilte Akkreditierung zum G20 vergangene Woche wegen „Sicherheitsbedenken“ nachträglich entzogen worden, so Regierungssprecher Steffen Seibert.

Wie das Bundeskriminalamt (BKA) am Dienstagabend mitteilte, lagen zum Zeitpunkt der Akkreditierung für einige Journalisten Staatsschutzerkenntnisse deutscher Sicherheitsbehörden vor: BKA und Bundespresseamt hätten „in Abwägung zwischen dem hohen Gut der Pressefreiheit und der zu gewährleistenden Sicherheit der Gipfelteilnehmer“ entschieden, diesen Personen zunächst eine Akkreditierung zu erteilen. Doch „gewichtige zusätzliche sicherheitsrelevante Erkenntnisse und die Gesamtbeurteilung der aktuellen Entwicklungen der Gipfelsituation“ hätten dann zu einer Neubewertung geführt - mit dem Ergebnis, in 32 Fällen die Akkreditierung nachträglich zu entziehen.

Nach einem Bericht von „Tagesschau.de“ hatten Polizisten beim Einlass ins Pressezentrum eine zweiseitige „Schwarze Liste“ in der Hand und ließen nur Journalisten durch, deren Name nicht darauf stand. „Wenn sich bewahrheitet, dass mithilfe von Schwarzen Listen Journalisten während des G20-Gipfels die Akkreditierung entzogen wurde, wäre das ein unglaublicher Vorgang“, sagte Grünen-Chef Cem Özdemir. „Die Bundesregierung muss sofort Transparenz schaffen und erklären, wie es zu diesem inakzeptablen Eingriff in die Pressefreiheit kam, der auch noch massiv gegen den Datenschutz verstößt.“

Nach BKA-Angaben mussten die an den Kontrollstellen eingesetzten Kräfte die Namen der Betroffenen kennen, um die Entscheidung umzusetzen, die Akkreditierungen zu entziehen: „Ohne diese Kenntnis einschließlich der Möglichkeit, die Schreibweisen der Namen abgleichen zu können, hätte eine Zugangsverweigerung ohne Missverständnisse nicht gewährleistet werden können. Darum wurden Namensaufstellungen erstellt und an den Zugangskontrollstellen hinterlegt.“

Nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ haben 4 von den 32 Journalisten auf der „schwarzen Liste“ zuvor in Kurdengebieten im Südosten der Türkei gearbeitet. Zwei Fotografen etwa seien nach Angaben der Zeitung 2014 in der Kurdenhochburg Diyarbakir kurzzeitig in türkische Haft gekommen. Eine Anti-Terror-Einheit der türkischen Polizei habe sie verdächtigt, Spione oder Provokateure zu sein. Ähnliche Erlebnisse haben nach Informationen der Zeitung auch die anderen Journalisten gemeinsam, deren Namen beim G-20-Treffen auf der „schwarzen Liste“ standen.

Grünen-Chef Cem Özdemir sagte der „Frankfurter Rundschau“ (Online-Ausgabe), er erwarte von CDU/CSU und SPD, dass sie sich „schnell und vollumfänglich zu diesem unglaublichen Vorgang“ äußerten. „Sollte sich der Verdacht erhärten, dass ausländische Geheimdienste Einfluss auf diese Liste hatten, dann wäre das ein beispielloser Vorfall. Wenn die Bundesregierung Gastgeber für die Despoten dieser Welt wie Putin und Erdogan ist, bedeutet dies nicht, wie in ihren Heimatländern auch hier die Pressefreiheit einzuschränken.“

Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki forderte am Dienstag: „Der schlimme Verdacht, dass Interventionen des türkischen Geheimdienstes zum Entzug von Akkreditierungen beim G20-Gipfel geführt haben sollen, muss schnellstmöglich und umfänglich aufgeklärt werden.“ Das Bundespresseamt und der Bundesinnenminister seien in der Pflicht zu erklären, wie es plötzlich zu diesem seltsamen Sinneswandel gekommen sei, obwohl den Journalisten zuvor offenbar problemlos Pressezugang auch in sensible Bereiche gewährt worden sei.

Die Sicherheitsbedenken resultierten ausschließlich aus eigenen Erkenntnissen deutscher Behörden, betonte Regierungssprecher Seibert. „Diese Bedenken mussten vom Bundespresseamt ernstgenommen werden und hatten demnach Einfluss auf die bereits erteilten Akkreditierungen. Das Bundespresseamt entschied daher, auf Anraten und in Absprache mit dem Bundeskriminalamt, diesen Personen die Akkreditierung zu entziehen.“ Tatsächlich sei 9 Medienvertretern die Akkreditierung entzogen worden. Die übrigen 23 Medienvertreter seien nicht mehr am Medienzentrum erschienen.

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