Julia Klöckner Wahlkämpfende Ex-Weinkönigin in der Krise

Von pfälzischer Gelassenheit ist bei Julia Klöckner derzeit kaum etwas zu spüren. Die Ex-Weinkönigin will in Rheinland-Pfalz an die Macht. Dafür versucht sie, die Flüchtlingsdebatte zu nutzen. Das könnte schief gehen.

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Im Sommer 1996 besucht die heutige CDU-Landeschefin als Deutsche Weinkönigin den Frankfurter Lohrberg. Quelle: dpa - picture-alliance

Berlin Am Aschermittwoch geht es erst richtig los. Das Ende der Feierei markiert für die bekennende Karnevalistin Julia Klöckner den Startschuss für ihr großes Finale: Die CDU-Politikerin will am 13. März bei der Landtagswahl Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz werden.

Nun aber droht die Flüchtlingskrise die Chancen der 43-Jährigen zu schmälern. Lag sie vergangenes Jahr in den Umfragen noch bei 41 Prozent, so sind es derzeit nur noch 37, während die AfD zulegt. Wie blank die Nerven bei den etablierten Parteien liegen, zeigt sich in der Weigerung von Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), mit dem AfD-Kandidaten in einem TV-Duell aufzutreten – obwohl die Rechtspopulisten derzeit mit acht Prozent in den Landtag einziehen würden. Der Südwestrundfunk lud die AfD aus, gegen den Willen der CDU.

So ist auch ihr Vorstoß vom Wochenende zu verstehen: Die CDU-Spitzenkandidatin für die Landtagswahlen am 13. März hatte in ihrem sogenannten Plan A2 unter anderem gefordert, Flüchtlinge verstärkt bereits an der Grenze abzuweisen und deren Zuzug durch pro Tag flexibel festgesetzte Höchstwerte zu beschränken. Der unionsintern umstrittene Begriff „Obergrenzen“ wird vermieden, das Konzept läuft de facto aber auf Grenzwerte hinaus.

So soll sich laut Klöckner die Aufnahme von Flüchtlingen nicht mehr nach deren Andrang an den Grenzübergängen richten, sondern ausschließlich „nach den vorhandenen Kapazitäten der Länder und Kommunen". Die Bleibeberechtigung von Flüchtlingen will Klöckner direkt in „Grenzzentren" prüfen lassen, bei negativem Ergebnis soll eine „schnelle Rückführung" erfolgen.

Mit dem Vorschlag hat sich Klöckner ins Rampenlicht gebracht: Die SPD geißelt den Plan als „Anti-Merkel-Vorstoß“, Applaus kommt dagegen aus der eigenen Partei und der Schwesterpartei CSU.

Bislang verlief die politische Karriere der studierten Religionslehrerin Klöckner nahezu makellos. 2002 war sie in den Bundestag eingezogen; nur eine Legislaturperiode später stieg sie zur Staatssekretärin im Bundesverbraucherministerium auf, wo sie sich als junge, internetaffine Politikerin mit Bodenhaftung – sie war einst Weinkönigin – in Szene setzte.

Mit diesem Image übernahm sie 2009 die Macht in der zerstrittenen und durch Skandale aufgewühlten Landes-CDU, einte sie und griff den dienstältesten Ministerpräsidenten der Republik an: Kurt Beck (SPD). Bei der Wahl 2011 hielt der sich zwar noch an der Macht. Die Blessuren waren aber schmerzlich. Und Klöckner wechselte komplett in die Landespolitik.

Im Parlament stellte sie einen Misstrauensantrag gegen Beck wegen der Millionenpleite am Nürburgring. Das Instrument nutzte einst auch der Pfälzer Helmut Kohl, um an die Macht zu gelangen. Klöckner, die ein enges Verhältnis zum Altkanzler pflegt, hatte damit zwar keinen Erfolg. Kurz darauf aber zog sich Beck aus der Politik zurück, Dreyer übernahm.


Klöckner verliert in jüngsten Umfragen

Seither kam Klöckner ihrem Ziel immer näher – wäre da jetzt nicht der Knatsch in der eigenen Partei und der Großen Koalition in Berlin, den sich kein Karnevalist munterer und bunter hätte ausmalen können. Anfang der Woche platzte Klöckner der Kragen: „Einfach mal die Klappe halten und arbeiten“, sagte die Stellvertreterin von Angela Merkel in der Sitzung des CDU-Bundesvorstands. Zuvor hatte nicht etwa wieder die CSU gegen Merkel gestänkert, sondern die eigenen Abgeordneten hatten mit einer Briefaktion für Ärger gesorgt.

Klöckner stellte auch Finanzminister Wolfgang Schäuble in den Senkel, als dieser am Wochenende wieder einen „Benzin-Soli“ ins Gespräch brachte, um in Europa Milliarden für die Flüchtlingskrise zu besorgen. Es dauerte nur ein Telefonat mit der Kanzlerin, und Klöckner verbreitete Entwarnung. Der Vorschlag sei vom Tisch, verkündete sie.

Klöckner unterstützt Merkels Flüchtlingspolitik, hält aber auch einen zeitweilig regionalen Grenzschutz gemeinsam mit Slowenien und Österreich als „Koalition der Willigen“ für richtig. Die Gesellschaft dürfe nicht überfordert werden, sagt sie seit längerem und spricht von „Belastungsgrenzen“, nicht von Obergrenzen.

Nimmt sie Einfluss in der Partei auf die Flüchtlingspolitik, dann in enger Absprache mit Merkel. So hatte sie zum Bundesparteitag im Dezember ein Konzept für eine Integrationspflicht eingebracht. Ein Jahr zuvor hatte sie für ein Burkaverbot geworben.

In den jüngsten Umfragen verliert die CDU um Klöckner. Zwar liegt sie weiter vor der SPD. Aber mit der Linken, der FDP und vor allem der AfD sowie den Grünen drohen am Ende sechs Parteien im Parlament zu sitzen. Womöglich könnten dann SPD und Grüne eine weitere Partei mit an den Kabinettstisch locken und so doch noch weiterregieren.

Noch bleiben sieben Wochen, in denen Klöckner versuchen wird, als wertorientiert und modern zu punkten. In der Flüchtlingsfrage will sie „Gutes gut und Schlechtes schlecht nennen“. Sie sieht die Krise auch als Chance, sich des Wertesystems zu „vergewissern“. Bei den Konservativen in der Union kommt das gut an. Ob es am Ende reichen wird, zeigt sich am 13. März.

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