Junge Wissenschaftler „Noch in der Trotzphase“

Die schwarz-rote Regierung hat die Lage von Nachwuchswissenschaftlern per Gesetz verbessert. Doch zum ersten Jahrestag der Reform zeigt sich die Gewerkschaft ernüchtert: Viele Uni-Arbeitgeber suchten nach Hintertürchen.

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Durch das Wissenschaftszeitvertragsgesetz haben sich noch nicht die erwarteten Erfolge eingestellt. Quelle: dpa

Berlin Ein Jahr nach der Gesetzreform für verlässlichere Uni-Karrierewege haben sich nach Ansicht der Bildungsgewerkschaft GEW viele Hoffnungen nicht erfüllt. „Das Gesetz bleibt an manchen Stellen zu abstrakt oder arbeitet mit unbestimmten Rechtsbegriffen“, sagte der stellvertretende GEW-Chef und Hochschulexperte Andreas Keller der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Es wird daher wohl zu Klagen betroffener Uni-Mitarbeiter vor Arbeitsgerichten kommen.“ Die GEW bereite sich darauf vor, diese Klagen zu begleiten. Noch gebe es aber keine Urteile zur neuen Rechtslage, sondern „nur Momentaufnahmen“.

Am 17. März 2016 war das neue Wissenschaftszeitvertragsgesetz in Kraft getreten. Nach der schwarz-roten Reform haben jüngere Uni-Beschäftigte zumindest auf dem Papier mehr Planungssicherheit. Das alte Gesetz von 2007 hatte oft prekäre Verhältnisse zur Folge. Laut GEW mussten neun von zehn wissenschaftlichen Mitarbeitern mit Zeitverträgen über die Runden kommen. Gegen Fehlentwicklungen wie Kurzzeit-Kettenverträge soll sich der Befristungsrahmen nun an „angemessenen“ Projektlaufzeiten und Qualifizierungszielen der Mitarbeiter orientieren – in der Regel über mehrere Jahre.

GEW-Vize Keller beklagte Unschärfen im Gesetz: „Es darf nur noch zur Qualifizierung des Uni-Mitarbeiters befristet werden. Aber was genau ist eine Qualifizierung – das bleibt offen. Oder auch die Frage der angemessenen Laufzeit von Befristungen für eine Qualifizierung – was heißt angemessen?“ Er beobachte bei Hochschulen als Arbeitgeber zwei Strategien: Es werde „nach Schlupfwinkeln gesucht“, um den Begriff der Qualifizierung stark auszudehnen. „Oder die Arbeitgeber befinden sich noch in der Trotzphase und blockieren alles, was mit dem neuen Wissenschaftszeitvertragsgesetz zu tun hat.“

Manche Hochschulen verhalten sich nach GEW-Eindruck unprofessionell, indem sie mit dem neuen Gesetz nicht vernünftig umgehen, wie Keller betonte. „Mit den unternehmerischen Elementen einer Personalplanung tun sich einige dieser Arbeitgeber schwer.“ Auf der anderen Seite gebe es Hochschulen, die etwa mit einem „Kodex Gute Arbeit“ auf gutem Wege seien. Der Gewerkschafter wies darauf hin, dass das Gesetz 2020 evaluiert werden soll. Der GEW gehe es dabei nicht um eine erneute Novellierung, „sondern um eine konsequente Umsetzung“.

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