Justiz Die fragwürdigen Nebenverdienste der Richter

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Krösus unter den Richtern

Topmanager vor Gericht
Schon vor Weihnachten 2007 soll Georg Funke von Problemen der Hypo Real Estate gewusst haben – und sie erst einen Monat später in einer Pflichtmitteilung bekanntgegeben haben. Dadurch brach der Kurs der Bank innerhalb eines Tages um 30 Prozent ein. Schon damals reichten Aktionäre Schadensersatzklagen gegen den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden ein. Nachdem der Bund die Bank verstaatlich hatte, bekamen die Aktionäre zwar eine geringfügige Abfindung. Doch nun wird ein Prozess vor dem Landgericht München geführt, der Vorbild für die vielen verbliebenen Einzelklagen sein soll. Quelle: dpa
Die Bayerische Landesbank an den Rand des Zusammenbruchs gebracht, den Freistaat Bayern um Milliarden geschädigt – die Vorwürfe gegen sieben frühere Top-Manager der BayernLB wiegen schwer. Seit vergangener Woche muss sich unter anderem der Ex-Vorstandschef der Bank, Werner Schmidt (Foto), vor dem Münchner Landesgericht verantworten. In dem Prozess geht es um den Kauf der österreichischen Hypo Group Alpe Adria (HGAA), bei dem die Manager 550 Millionen Euro zu viel bezahlt haben sollen. Nach Milliardenverlusten, die die BayernLB fast in die Pleite geführt hätten, wurde die Bank für einen symbolischen Euro wieder zurück an Österreich verkauft. Quelle: dpa
Ferdinand Piëch (links) und Wolfgang Porsche müssen womöglich tief in die Taschen greifen - 1,8 Milliarden Euro fordern sieben Kläger von den beiden Managern. Anfang Februar 2014 war bekannt geworden, dass mehrere Hedgefonds, unter anderem Elliott Associates LP des US-Investors Paul E. Singer, eine Schadensersatzklage beim Landgericht Frankfurt eingereicht haben. Piëch und Porsche sollen die Übernahme durch VW heimlich vorbereitet und dadurch die übrigen Aktionäre getäuscht haben. In der Vergangenheit wurden die Autokonzerne bereits auf Schadensersatz in Höhe von 5,7 Milliarden Euro verklagt. Quelle: dpa
Es ist diese eine Äußerung in einem TV-Interview, die so hohe Wellen schlug wie nur wenige: Nachdem Rolf-Ernst Breuer 2002 die Kirch-Gruppe öffentlich für nicht kreditfähig erklärt hatte, brach das Unternehmen zusammen und verklagte den damaligen Chef der Deutschen Bank auf Schadensersatz. Daraufhin entbrannte ein Prozessmarathon, der bis heute anhält. Nachdem die Deutsche Bank 2002 einen Vergleich über eine Zahlung von 800 Millionen Euro abgelehnt hatte, sagten Anfang 2014 gleich drei ihrer Topmanager aus. Quelle: dpa
Eigentlich waren für die vier ehemaligen Gesellschafter und den einen Geschäftspartner der Privatbank Sal. Oppenheim nur 78 Prozesstermine anberaumt worden – doch läuft das Verfahren nun schon fast ein Jahr. Weil sie Sal. Oppenheim zum eigenen Vorteil bei Immobiliengeschäften um 145 Millionen Euro geschädigt haben sollen, stehen Banker wegen schwerer Untreue und Beihilfe vor Gericht. Außerdem sollen sie riskante Kredite an die Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz vergeben haben, wodurch die Bank weitere 460 Millionen Euro verlor. Quelle: dpa
Schon im Sommer 2009 soll Teldafax zahlungsunfähig gewesen sein – und doch stellte die Unternehmensleitung erst knapp zwei Jahre später den Antrag auf Insolvenz. Daraufhin durchsuchten Polizei und Staatsanwaltschaft die Büroräume des Energieanbieters. Wegen gewerbsmäßigen Betrugs, Bankrott und Insolvenzverschleppung müssen sich nun drei Teldafax-Manager vor Gericht verantworten. Weil von der Pleite mehr als 700.000 Kunden betroffen sind, gilt der Prozess als eines der größten Insolvenzverfahren in der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Quelle: dpa
Ende April wird Bernie Ecclestone in München erwartet – vor Gericht. Der Brite muss sich für seine Rolle beim Verkauf der Formel-1-Anteile der BayernLB im Jahr 2006 verantworten. Ecclestone soll damals 66 Millionen Dollar Provision bekommen und danach wieder 44 Millionen Dollar heimlich abgegeben haben. Mit dem Geld sollte der Bankvorstand Gerhard Gribkowsky den Verkauf der Anteile im Sinne des Formel-1-Chefs regeln. Der Banker war deshalb schon 2012 zu achteinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden. Quelle: REUTERS

Krösus unter den Richtern sind Gosch und seine Kollegen. Mehr als 28.200 Euro Zusatzeinnahmen erzielten die BFH-Richter 2012 durchschnittlich pro Kopf. Die Erlöse der Top-Verdiener liegen noch weitaus höher, wie das Gericht gegenüber der WirtschaftsWoche bestätigt. „Bei den durchschnittlichen Einnahmen aus anzeigepflichtigen Nebentätigkeiten ist zu berücksichtigen, dass einige wenige Richter an sehr erfolgreichen Steuergesetzgebungskommentaren mitwirken, die einen außerordentlich hohen Ertrag abwerfen“, schreibt der BFH. Auf weitere Nachfragen will er freilich nicht genauer beziffern, wie hoch der Betrag ist, den der Top-Verdiener einstreicht.

Das juristische Prekariat sitzt hingegen am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, wo Richter sich mit durchschnittlich 3.500 Euro Zusatzeinnahmen pro Jahr begnügen müssen. Lukrativer sind da schon die durchschnittlichen Nebenverdienste am Bundessozialgericht (10 100 Euro), Bundesgerichtshof (10.500 Euro) oder am Bundesarbeitsgericht (16.400 Euro).

Ein einträgliches Team

In Hamburg taut Gosch langsam auf. Er leitet beim BFH den Ersten Senat, alle Fragen zur internationalen Besteuerung gehen über seinen Tisch – genau die Fragen, die deutsche Weltkonzerne und ihre Berater besonders brennend interessieren. „Herr Professor Gosch, wie beurteilen Sie den Kampf der OECD gegen Steuerhinterziehung?“ Man dürfe „nicht aus populistischem Eifer über das Ziel hinausschießen und gewöhnliche Geschäftsvorgänge als missbräuchlich kennzeichnen“, setzt er an. Insgesamt mache es ihm Sorge, dass „Steuerrecht nur noch als Ordnungsrecht gesehen wird“, denn: „Es ist auch Teil eines internationalen Wettbewerbs, den wir nicht verlieren dürfen.“ Applaus. Den Konzernjuristen gefällt, was sie da hören.

Nebentätigkeiten der deutschen Bundesrichter

Den Moderator dürften die Ausführungen nicht überraschen. Jürgen Lüdicke ist Partner der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) und Professor an der Universität Hamburg. Vor allem aber: Die privat bekannten Gosch und Lüdicke bilden beruflich ein ziemlich einträgliches Team. Gosch ist Stammgast bei Veranstaltungen von PwC, mehrmals hat er laut Programm für die Weiterbildungsakademie des Konzerns in Wien Seminare gehalten, ist auf einer Tagung in Paris aufgetreten. Neuerdings geben sie zusammen die Schriftenreihe „PwC-Studien zum Unternehmens- und Internationalen Steuerrecht“ heraus. Dem einen verhilft das zu mehr Renommee, dem anderen zu ein paar leicht verdienten Euro. Über seine Honorare für die Vorträge will Gosch zwar nicht reden, doch im Fall Hamburg macht er eine Ausnahme. „Das war so gering, das kann ich Ihnen sogar verraten“, erklärt er, „zwischen 500 und 1.000 Euro“ habe er bekommen.

Ein Richter am Landgericht gibt an, für einen 20-minütigen Vortrag eines Kollegen seiner Kragenweite seien „bis zu 2.000 Euro drin“ – und Bundesrichter sind noch weit begehrter als die Kollegen von den Landgerichten. Für besonders einträglich hält er Podiumsdiskussionen, gerade wenn es um die eigene Rechtsprechung geht: „Da geht der Vorbereitungsaufwand gegen null.“

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