Wie schnell aus legitimem Austausch fragwürdige Nähe werden kann, zeigt auch das Beispiel der Bankrechtlichen Vereinigung. Sie will ebenfalls die wissenschaftliche Beschäftigung mit ihrem Rechtsgebiet fördern – Kritiker sehen in ihr allerdings eine verkappte Lobbyvereinigung der deutschen Großbanken. In ihr treffen BGH-Richter mit Professoren, aber auch führenden Juristen von Deutscher Bank, Commerzbank, DekaBank und anderer Institute aufeinander. Mitgliedertreffen oder Bankrechtstage finden schon mal in den Räumen der Deutschen Bank statt, die Verwaltungsarbeit übernimmt der Verlag Wertpapier-Mitteilungen, der zu 50 Prozent der Interessengemeinschaft der Frankfurter Kreditinstitute gehört. Der Vorstand betont, dass man „entsprechend unserem Selbstverständnis den wissenschaftlichen Dialog über das Bankrecht unter Beteiligung aller Interessierten“ fördern wolle, deshalb seien auch Anlegeranwälte in den Gremien der Vereinigung vertreten.
Gerd Nobbe hatte jedenfalls kein Problem damit, als Vorsitzender des Elften Zivilsenats am Bundesgerichtshof, der für Bankenrecht zuständig ist, auch in der Bankrechtlichen Vereinigung mitzuarbeiten. Mittlerweile ist Nobbe im Ruhestand, sein Nachfolger im Vorstand der Vereinigung wurde Christian Grüneberg, wieder ein Richter aus dem Bankensenat des BGH.
Außergewöhnliche Freiheiten
Solche Erbhöfe repräsentieren vieles, aber sicher nicht die richterliche Unabhängigkeit, das höchste Gut der Richter. Auf diese im Grundgesetz abgesicherte Garantie stützen sie ihr besonderes Ansehen in der Gesellschaft. Anders als Staatsanwälte sind sie frei von jeglicher Staatsräson und in keine Hierarchie eingebunden. Aus ihrer Unabhängigkeit leiten sie zum Teil abstruse Sonderrechte ab, die für jeden anderen Beamten unvorstellbar sind. So hat das Dienstgericht des Bundes Richtern zugebilligt, dass sie nicht an festgesetzte Dienstzeiten gebunden werden können. Zudem dürfen Richter nicht dazu verpflichtet werden, ihre Arbeit am Dienstort Gericht zu erledigen, Sitzungen und Beratungen ausgenommen. Schließlich sollen sie frei bleiben „von äußeren Zwängen, seien sie auch nur atmosphärischer Art“.
Aus solch außergewöhnlichen Freiheiten leitet sich aber auch die besondere Pflicht ab, schon den Anschein von Interessenkonflikten zu vermeiden. „Die Unabhängigkeit ist kein Privileg und Selbstzweck. Sie ist dem Richter gewährt, um eine gerechte, von sachfremden Einflüssen freie Rechtsprechung zu ermöglichen“, formulierte einmal der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier. Nebentätigkeiten jedoch seien Richtern grundsätzlich zu gewähren, solange sie dadurch nicht gehindert sind, sich „mit voller Hingabe“ ihrem Beruf zu widmen. Ob das der Fall ist, entscheiden zumeist sie selbst. Zwar kann der Gerichtspräsident sein Veto einlegen, doch das passiert selten. Viel hängt vom Bauchgefühl des einzelnen Richters ab.
Finanzrichter Gosch zum Beispiel kann sich furchtbar über die Interessenkonflikte mancher Kollegen aufregen. Serienvorträge, bei denen ein Richter an wechselnden Orten immer wieder das Gleiche referiert? „Geht gar nicht, das würde ich verbieten.“ Aus einem Gerichtssenat direkt als Anwalt in eine Kanzlei wechseln? „Schlimm!“ Schiedsverfahren leiten? „Lehne ich immer ab.“