Justiz Wie Bußgelder gemeinnützige Organisationen finanzieren

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Nutzniesser der Gerechtigkeit

Die rechtliche Grundlage für die Vergabepraxis bilden das Strafgesetzbuch und das Jugendstrafrecht. Abhängig vom Vergehen kann der Richter das Verfahren gegen Auflagen einstellen oder der Staatsanwalt die Ermittlungen beenden. Die Staatsanwälte sind bei der Entscheidung über die Verteilung der Geldauflagen dann an die Weisungen ihrer Behördenleitung gebunden, die Richter entscheiden dagegen vollkommen unabhängig. Bei vielen Vergabeentscheidungen wird zumindest versucht, einen Bezug zur Tat herzustellen. Der Ehemann, der seine Frau geschlagen hat, wird dann etwa zu einer Zahlung an ein Frauenhaus verurteilt, wer mit Drogen im Straßenverkehr erwischt wird, überweist sein Bußgeld an die Verkehrswacht. „Damit versuchen wir, einen erzieherischen Effekt zu erreichen“, erklärt Monika Rudolph, Richterin am Amtsgericht Stuttgart.

Mit ihren Entscheidungen üben die Justizbeamten großen Einfluss aus. So konnte die Tierschutzstiftung WWF im vergangenen Jahr gut 800.000 Euro an Bußgeldzuweisungen verbuchen, beim Konkurrenten Greenpeace waren es nur knapp 160.000 Euro. Da liegt die Vermutung nahe, die eher konservative Richterschaft könne sich mit den Zielen und Methoden des WWF eher identifizieren als mit einer Organisation, die Ölbohrtürme mit Schlauchboten attackiert.

Hamburger Vergabekommission bietet Rechtssicherheit

Einen möglichen Umgang mit der problematischen Rechtssituation zeigt ein Konzept aus Hamburg. Dort werden die Gelder über einen Bußgeldfonds verteilt. Den verwaltet eine sechsköpfige Kommission, die die Verteilung der Bußgelder koordiniert und überwacht. So wurde 2008 etwa die Hälfte der rund 2,5 Millionen Euro zentral ausgeschüttet.

Doch solange solche Fonds nicht zur Regel werden, wird sich persönliches Bußgeldmarketing weiter lohnen. Und genauso lange wird zum Beispiel für die Unterstützung der deutschen Krebshilfe die Frage entscheidend sein, wie viele Amtsrichterehefrauen an Krebs leiden – und nicht die Frage, wie aussichtsreich die Erkenntnisse der jüngeren Grundlagenforschung sind.

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