
Bundeskanzlerin Angela Merkel will bei deutsch- indischen Regierungskonsultationen am Montag in Neu Delhi die Beziehungen zu Premierminister Narendra Modi festigen. Schwerpunkte des Treffens, an dem auch vier Bundesminister teilnehmen, sind die Klima-, Wirtschafts- und Bildungspolitik. Geplant ist eine Vereinbarung zu einem gemeinsamen Solarenergie-Projekt mit einem Investitionsvolumen von einer Milliarde Euro. Merkel will ferner die Atommacht Indien zu weiteren Rüstungskontrollmaßnahmen drängen. Es sei wichtig, dass es hier Fortschritte gebe, hieß es in Berlin.
Indien hat nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds ein Wirtschaftswachstum von über sieben Prozent - und liegt damit über China. Merkels Verhältnis zu Modi, der 2014 an die Macht kam und eine national-hinduistische Regierung führt, gilt im Vergleich zu seinem Amtsvorgänger Manmohan Singh als eher distanziert.
Indien in Zahlen
Indien gehört mit einem BIP von 1,877 Milliarden US-Dollar neben Russland und China zu den drei größten und am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften. Das Pro-Kopf-Einkommen lag 2013/2014 laut Auswärtigem Amt bei 1.229 US-Dollar.
Die Wirtschaft ist weitgehend liberalisiert und das Wachstum seit Jahren auf recht hohem Niveau. 2014 waren es 6,8 Prozent. Der Export stieg im Jahr 2012 um 20 Prozent.
Die Bundesrepublik ist mit einem Volumen von 16,1 Milliarden Euro der wichtigste Handelspartner Indiens innerhalb der EU. Der deutsche Handelsüberschuss lag 2012/13 bei 3,4 Milliarden Euro. Der Warenwert der Exporte nach Deutschland lag bei gut 9 Milliarden.
Eine Milliarde Euro Kredit kamen im Jahr 2013 allein aus Deutschland. Vorgesehen sind sie für Investitionen in erneuerbare Energien und andere nachhaltige Projekte der Energieeffizienz.
Laut Auswärtigem Amt sind ca. 3.000 Deutsche in Indien ansässig, arbeiten in der Wirtschaft, im Bildungswesen, in Kultur und Missionen. Deutlich mehr Inder zieht es nach Deutschland; rund 45.000 leben in der BRD.
1,2 Milliarden Menschen leben in Indien. Die Gesellschaft ist dabei höchst gegensätzlich: fortschrittsorientiert und traditionell, arm und reich.
820 Millionen Inder leben in Armut. Davon gelten laut Weltbank fast 35 Prozent als absolut arm. Armuts- und Wirtschaftswachstum scheinen in Indien Hand in Hand zu gehen. In keinem anderen Land leben mehr Menschen in absoluter Armut, es sind mehr als in ganz Afrika. Sozialprogramme der Regierung greifen nur bedingt.
Mit 3.287.000 Quadratkilometern ist Indien flächenmäßig rund neunmal so groß wie Deutschland.
Begleitet wird Merkel von den Ministern Frank-Walter Steinmeier (Außen, SPD), Johanna Wanka (Wissenschaft, CDU), Christian Schmidt (Agrar, CSU) und Gerd Müller (Entwicklung, CSU) sowie Staatssekretären aus weiteren Ministerien. Ferner ist eine zwanzigköpfige Unternehmerdelegation aus den Branchen Maschinen- und Anlagenbau, Finanzen, Logistik, Chemie, Pharma und Energie dabei.
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) flog entgegen der ursprünglichen Planung nicht mit, weil sein indischer Amtskollege verhindert ist, wie es aus Kreisen des deutschen Protokolls hieß. Wegen eines Defekts an der Regierungsmaschine vom Typ Airbus A340 wurde für die Reise kurzfristig ein Truppentransporter der Luftwaffe bereitgestellt. Mit der Maschine vom Typ A310 werden normalerweise Bundeswehrsoldaten transportiert, auch in Einsätze.
Fakten und Hintergründe zu Indien
Mit einem jährlichen Wirtschaftswachstum von zehn Prozent im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre und mehr als sieben Prozent im laufenden wie voraussichtlich auch im kommenden Jahr gehört Indien zu den am stärksten wachsenden Volkswirtschaften der Welt.
Quelle: DIHK
Infrastrukturausbau sowie Auf- und Ausbau von industriellen Strukturen sind zwei Bereiche von vielen, die für den gewaltigen Entwicklungsprozess in Indien stehen. Weitere Bereiche: Erneuerbare Energien, Automobil und Zulieferer, Dienstleistungen (Logistik, Finanzen)
Für Deutschland ist Indien das 25. wichtigste Handelspartnerland. Hinsichtlich der im Ausland getätigten deutschen Direktinvestitionen liegt Indien auf dem 10. Platz außerhalb der EU.
Der deutschen Ausfuhren nach Indien in Höhe von 8,92 Milliarden Euro (2014) zeugen von der hohen indischen Nachfrage insbesondere nach Investitionsgütern. In erster Linie nach Maschinen (vor allem nicht-elektronische), die etwa ein Drittel der Gesamtexporte nach Indien ausmachen (danach folgen chemische Erzeugnisse und Elektronik). Angesichts der Größe und Dynamik des indischen Marktes ist das Potenzial des deutsch-indischen Handels längst nicht ausgeschöpft.
Deutsche Hauptimportprodukte aus Indien (3,59 Milliarden Euro in 2014) sind chemische Erzeugnisse, Bekleidung und Maschinen.
Über 1.000 deutsche Firmen sind in Indien registriert, darunter über 40 Prozent in der industriestarken Region Mumbai/Pune. Etwa 20 Prozent der deutschen Unternehmen sind als Joint Ventures mit indischen Partnern organisiert. Zu den größten deutschen Investoren in Indien gehören Siemens, Bharat-Benz, Volkswagen und Allianz.
Deutschland will mit Blick auf die Weltklimakonferenz im Dezember in Paris die Zusammenarbeit im Bereich der erneuerbaren Energien auch mit Indien vertiefen, um das Ziel zu erreichen, die Erderwärmung unter zwei Grad zu halten. Ferner will Merkel für das ins Stocken geratene Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Indien werben. Dabei geht es auch um Zölle für die Automobilindustrie. Probleme sieht die Bundesregierung bei den von Modi angekündigten, aber schleppenden Reformen im Bereich Rechtssicherheit für Investoren und Einführung einer einheitlichen Mehrwertsteuer.
Es sind die dritten deutsch-indischen Regierungskonsultationen seit 2011. Es ist auch der dritte Besuch der Kanzlerin in Indien nach 2007 und 2011. Am Dienstag reist sie nach Bangalore - mit mehr als 8,4 Millionen Einwohnern eine der größten Städten Indiens und IT-Zentrum.