60 Strafverfahren laufen Paketboten sollen besser vor Ausbeutung geschützt werden

Paketboten: Neue Gesetze sollen besser vor Ausbeutung schützen Quelle: imago images

Eine Razzia löste im Februar eine Debatte über Ausbeutung bei Paketdiensten aus. Nun haben Union und SPD ein Gesetz beschlossen, das Boten besser schützen soll. Wie nötig der Schritt ist, zeigen Ergebnisse der Razzia.

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Paketboten sollen künftig per Gesetz besser vor Ausbeutung geschützt werden. Darauf haben sich die Spitzen der großen Koalition geeinigt. Es ist die dringend nötige Konsequenz aus der Debatte, die einer bundesweiten Razzia im Februar folgte. Union und SPD haben wochenlang um schärfere Regeln für die boomende Branche gerungen. Im Koalitionsausschuss verabredeten die Partner nun zudem, kleine und mittelständische Unternehmen sowie Bürger und Verwaltung von Bürokratie zu entlasten. Die Wirtschaft hatte angesichts der schwächelnden Konjunktur befürchtet, durch die neue Regelung für die Paketbranche über Gebühr belastet zu werden.

Konkret sollen die Versandunternehmen verpflichtet werden, Sozialbeiträge für säumige Subunternehmer nachzuzahlen. Denn viele Paketdienste arbeiten nicht mit fest angestellten Zustellern, sondern mit Subunternehmern, die für ihre häufig ausländischen Fahrer neben einem niedrigen Lohn oft auch keine Sozialbeiträge zahlen. Die großen Lieferunternehmen müssen durch so eine Regelung kontrollieren, ob ihre Subunternehmer die gesetzlichen Bedingungen einhalten. Eine Nachunternehmerhaftung gibt es bereits in der Bau- und in der Fleischbranche.

Mit dem geplanten Gesetz sorge die Koalition „für Beitragsehrlichkeit, die soziale Absicherung aller Paketzusteller und zugleich für einen fairen Wettbewerb“, heißt es in einem Ergebnispapier der Koalitionsrunde.

60 Strafverfahren gegen Paketdienste und Subunternehmer

Ausgelöst hatte die Debatte eine bundesweite Razzia des Zoll im Februar. Fast 3000 Beamte durchsuchten in ganz Deutschland Standorte von Paketdiensten und deren Subunternehmer. Insgesamt befragten sie 12.860 Personen, wie es im Zwischenbericht zur „Bundesweiten Schwerpunktprüfung in der Branche Kurier, Express- und Paketdienstleister“ heißt, der der WirtschaftsWoche vorliegt.

Daraus geht hervor, dass die Ermittler bis Ende April insgesamt 60 Strafverfahren eingeleitet haben, 24 davon wegen Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen. Nach dem nun diskutierten Gesetzesvorschlag müssten die Auftraggeber wie Hermes oder DPD künftig zahlen, wenn ihre Subunternehmer nicht die vollen Sozialbeiträge für ihre Fahrer abführen.

Weitere 21 Strafverfahren laufen, weil die Fahrer sich illegal in Deutschland aufhielten und arbeiteten. In 108 Fällen hat der Zoll Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten beschlossen. Das seien nur die vorläufigen Ergebnisse der Überprüfung, hieß es beim Zoll. Bis alle Fälle aufgearbeitet und die entsprechenden Strafverfahren eingeleitet seien, könnten noch Monate oder sogar Jahre vergehen.

Es könne nicht sein, dass Unternehmen systematisch Sozialversicherungsbetrug zulasten der Beschäftigten betrieben, sagte DGB-Chef Reiner Hoffmann dem Sender SWR und lobte die Einigung in der Großen Koalition zu besseren Arbeitsbedingungen für die Paketboten. Sie sei ein wichtiger Durchbruch.

Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatte den Vorschlag für eine sogenannte Nachunternehmerhaftung zunächst scharf kritisiert. Die großen Lieferunternehmen gehen durch so eine Regelung bei der Beschäftigung von Subunternehmern ein Risiko ein – denn sie müssen kontrollieren, ob ihre Vertragspartner die gesetzlichen Bedingungen einhalten. Dafür soll die Wirtschaft jetzt an anderer Stelle um mindestens eine Milliarde Euro entlastet werden. Details teilte die Koalition dazu zunächst nicht mit, die Fachminister sollen dazu kurzfristig beraten.

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